Österreichs Wirtschaft steht unter Druck. Während andere EU-Länder moderat wachsen oder sich aus der Konjunkturdelle des Jahres 2023 befreien, rutscht die Alpenrepublik immer tiefer in eine Wachstumsschwäche. Laut aktueller Prognose der EU-Kommission wird Österreich 2025 das einzige EU-Mitglied mit einem BIP-Rückgang sein – und das bereits im dritten Jahr in Folge. Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, findet klare Worte: „Österreichs Wirtschaft braucht dringend einen Befreiungsschlag.“
Im ersten Quartal hat sich die Stimmung in der Industrie zwar leicht aufgehellt, insgesamt reichen die Signale aber noch nicht aus, um ins Wachstum zu drehen. Ökonomen gehen bereits davon aus, dass die Wirtschaft in den kommenden Quartalen wieder in den negativen Bereich drehen wird. Auch in der Konjunkturumfrage der IV verbesserte sich die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage im ersten Quartal erstmals seit 18 Quartalen, aber zentrale Indikatoren wie die Produktionserwartungen verharren noch in negativem Territorium. Seit Jahresbeginn haben handelspolitische Konflikte weiter zugenommen und auch für den Zollstreit mit den USA zeichnet sich keine schnelle Lösung ab.
Die Probleme in Österreich sind allerdings strukturell und hausgemacht. Hohe Energiepreise, Lohnstückkosten über dem EU-Schnitt und eine weiterhin dichte regulatorische Landschaft setzen dem Standort zu. „Wir sind zu einem der teuersten Produktionsstandorte Europas geworden und haben dadurch weltweit Wettbewerbsanteile verloren“, warnt Knill. „Es braucht wieder Rahmenbedingungen, die stimmen – und den Mut, an den echten Schrauben zu drehen.“
Wachstum ohne Substanz
Die Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer lieferte erste Ansätze. Doch strukturelle Antworten auf tiefgreifende Probleme blieben weitgehend aus. Die IV sieht zwar Fortschritte – etwa bei Investitionen in Bildung und Forschung –, aber keine echte Strategie gegen die wirtschaftliche Erosion. Kurzfristig werden durch einnahmenseitige Maßnahmen Spielräume geschaffen, die jedoch kaum als nachhaltig zu bezeichnen sind.
„Österreich hat mit der zweithöchsten Einnahmenquote Europas kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, betont IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Trotz Rekordeinnahmen durch Steuern und Abgaben bleibt das strukturelle Defizit bis 2029 auf hohem Niveau. Die Abgabenquote steigt sogar weiter auf über 45 Prozent – während Entlastungen für Unternehmen ausbleiben.
Rasche und kluge Industriestrategie als Hoffnungsträger
Erste Offensivmaßnahmen der Regierung reichen kaum, um dem Standort zu altem Glanz zu verhelfen. Arbeitsmarktpolitische Akzente wie das Ende der Zuverdienstmöglichkeit zum Arbeitslosengeld oder ein steuerfreier Mitarbeiterbonus werden ergänzt durch kleinere Maßnahmen für mittelständische Unternehmen, wie der NoVA-Befreiung für Transporter. Hoffnungsträger für die Industrie bleibt die Industriestrategie, die die Regierung bis Jahresende vorlegen will. Aus Sicht der Industrie ist längst klar, welche Themen darin adressiert werden müssen, um Österreich wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen. Allein seit 2020 hat die IV insgesamt sechs Industriestrategien formuliert. Als Gedankenstütze für den Strategieprozess veröffentlicht die Organisation diese Strategien seit 2020 in einem eigenen Druckwerk.
Zentral für die kurzfristige Stabilisierung sind Energie- und Standortkosten, ein verlässliches Regulierungsumfeld sowie ein Digitalisierungsschub in Verwaltung und Industrie. Besonders dringlich sei die Verlängerung der Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe.

Fachkräfte, Kapital, Technologie
Mittelfristig muss der Fokus auf dem Arbeitsmarkt und den Investitionsbedingungen liegen. Lehrlingshubs, digitale Weiterbildungsangebote und steuerliche Anreize für Eigenkapital sollten das Fundament für künftige Wettbewerbsfähigkeit legen. Hochattraktive Abschreibungsmöglichkeiten oder die Investitionsprämie, ein zentrales Instrument der letzten Jahre, müsse laut IV neu aufgestellt und ausgebaut werden.
Für den langfristigen Erfolg braucht es schließlich eine Technologieoffensive, noch mehr Investitionen in Forschung & Entwicklung mit einer Forschungsquote von 4 Prozent des BIP sowie eine Entbürokratisierung des Standortes. Viele dieser Maßnahmen seien kofinanzierbar über EU-Programme – etwa über den RRF (Recovery and Resilience Facility) oder Horizon Europe. „Wir lassen viel Potenzial auf EU-Ebene liegen“, warnt Neumayer. „Dabei könnten gerade diese Hebel Österreich wieder an die Weltspitze bringen.“
Reformen statt Symbolpolitik
Ein zentrales Manko bleibt laut IV die Reformschwäche im System. „Systemreformen vor Steuererfindungen, Standortentlastung vor Symbolpolitik – das muss die Maxime sein“, fordert Neumayer. Dazu zählen eine nachhaltige, faire Pensionsreform, Effizienzsteigerungen in der Verwaltung und die Stärkung des Kapitalmarktes – etwa durch die Wiedereinführung der Behaltefrist oder bessere Rahmenbedingungen für Private Equity.
Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist ernst, aber nicht aussichtslos. Es braucht ein konsequentes Maßnahmenpaket, das Standort, Innovation und Unternehmertum stärkt. Eine starke Industriestrategie bietet dazu einen belastbaren Rahmen.
Der wirtschaftspolitische Kompass ist derzeit zu stark auf kurzfristige Umverteilung ausgerichtet, statt auf langfristiges Wachstum. „Wir müssen aufhören, nur Symptome zu behandeln und anfangen, die Ursachen anzupacken“, so Knill. „Österreich hat die Menschen, die Ideen, die Unternehmen – was fehlt, ist die politische Durchsetzungsfähigkeit.“