Ursula von der Leyen hat in ihrer vielbeachteten Rede zur Lage der Europäischen Union ein Ziel vorgegeben: Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 um 55 statt 40 Prozent in der bisherigen Planung. Klingt ambitioniert, entspricht sicht- und spürbar Notwendigkeiten, hat daher auch Zustimmung in der Europäischen Kommission und im Europäischen Parlament. Das Problem an der Sache: Es ist ein schöner Wunsch, der jedoch nicht realistisch ist. Wishful thinking.
Um nicht missverstanden zu werden: Das bedeutet nun keinesfalls, dass sich die Wirtschaft nicht zum Ziel der CO2-Neutralität bekennt. Dieses Ziel wird nicht nur mitgetragen, sondern sogar erweitert: Mit der Circular Economy, der Kreislaufwirtschaft. Denn Kreislaufwirtschaft als Rückführung aller Ressourcen nach deren Gebrauch ist ganz entschieden weitgehender als eine bloße CO2-Reduktion. Hier wird die Wirtschaft mit ihrer Kreativität, Innovationskraft, aber auch mit den erforderlichen Rahmenbedingungen gefordert sein, entscheidende Beiträge zur Erfüllung dieser neuen, einem weltweiten Trend entsprechenden Wirtschaftsphilosophie zu leisten.
Sowohl beim CO2-Reduktionsziel wie auch bei der Kreislaufwirtschaft bedarf es jedoch nicht nur politisch plakativer Zielsetzungen, die – wie die europäische Erfahrung leider zeigt – meist auf dem Papier stehen bleiben, aber in der Realität nicht umgesetzt werden.
Um in der Realität anzukommen und die wichtigen und richtigen Zielsetzungen auch tatsächlich umzusetzen, bedarf es einer anderen Strategie. Ich möchte eine solche im Folgenden skizzieren.
Der Öko-Masterplan
Um ein gewünschtes Ziel umzusetzen, braucht man einen strategischen Plan. Einen Masterplan, der sehr konkret sagt, wer bis wann welche Maßnahmen zu setzen hat und dessen Einhaltung kontrolliert, gegebenenfalls auch sanktioniert wird. Dies setzt allerdings wiederum die Zustimmung der Beteiligten voraus. Die Beteiligten wären in diesem Fall einerseits die Politik mit ihrer Zielsetzung und der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen in den Bereichen Legistik, Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung, Bereitstellung finanzieller Ressourcen etc.
Der zweite Faktor wäre das Bewusstsein der Konsumenten. Dieser erscheint mir ein ganz entscheidend für das Gelingen des gesamten Plans zu sein. Jeder Konsument ist für eine heile Umwelt, wenn es aber um persönliche Beiträge dazu geht, lässt die Begeisterung dafür rasch nach. Das Bewusstsein der Konsumenten für ökologisch richtiges Verhalten muss daher entsprechend entwickelt werden.
Darauf aufbauend sind es die Betriebe, die in ihrem Angebot den Zielvorgaben der Politik sowie den Wünschen der Konsumenten mit ihren Produkten und Dienstleistungen entsprechen müssen. In einem solchen Masterplan müssten auch Zuständigkeiten auf der europäischen, nationalen und regionalen Ebene definiert und darüber hinaus Sektorpläne für Branchen erstellt werden, die sich dann wie ein Puzzle in den großen Masterplan einfügen. Einzubeziehen ist aber jedenfalls auch die internationale Dimension. Wir haben es mit einem globalen Problem zu tun, das nur global gelöst werden kann. Denn was hätte man davon, wenn wir die zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes, für den Europa verantwortlich ist, reduzieren, gleichzeitig aber andere Teile der Welt in kürzester Zeit kompensieren? Europa hat eine Gesamtverantwortung für die Klimaentwicklung der gesamten Welt mitzutragen. Auch dieser Aspekt müsste in einem Masterplan berücksichtigt sein.
Wenn das alles in einem 30-Stufenplan bis 2050 festgelegt wird und dabei jedes Jahr einer Stufe mit Teilzielsetzungen und entsprechenden Maßnahmen entspricht, dann ist ein realistischer Pfad zum Ziel gegeben. Und dann könnte Europa nicht nur die technologische und ökonomische Führerschaft in einem überlebenswichtigen Megatrend übernehmen, sondern die Chancen, die in allen Innovationen liegen, auch vorteilhaft nützen.
Ich bin optimistisch, dass großartige Ziele, die mir sinnvoll und notwendig erscheinen, mit einer professionellen und konsequenten Vorgangsweise unter Einbindung aller Beteiligten auch tatsächlich gelingen können.
Und so kommen wir vom Wunsch zur Realität!