In der Studie „Breaking the Glass Ceiling: Do Female Directors Boost Firm Performance?“ wird untersucht, ob und inwiefern Frauen im Aufsichtsrat großer Unternehmen die Profitabilität, die Marktentwicklung, das Risiko und das nachhaltige Unternehmenswachstum beeinflussen.
Die Studie basiert auf einem umfangreichen Datensatz der größten börsengelisteten US-Unternehmen („S&P 500-Unternehmen“) über einen Zeitraum von 20 Jahren.
Positive Effekte in mehreren Bereichen
Die Studie zeigt signifikant positive Effekte des Frauenanteils im Aufsichtsrat (FBR-Effekte) auf die Profitabilität der Unternehmen. Zehn Prozentpunkte mehr Frauen im Aufsichtsrat bedeuten rund 1 Prozentpunkt mehr Eigenkapitalrentabilität (Return on Equity). Ebenso zeigen sich für die Gesamtkapitalrentabilität (Return on Assets) statistisch signifikante und positive Effekte.
Ein höherer Frauenanteil in den Aufsichtsräten zeigt außerdem signifikant positive Auswirkungen auf die Marktentwicklung der S&P 500-Unternehmen.
Eine weitere zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass ein höherer Frauenanteil in den Aufsichtsräten einen positiven Effekt auf das Risikoprofil der Unternehmen hat. Frauen im Aufsichtsrat haben damit nicht nur einen positiven Effekt auf die Profitabilität, sondern auch auf die Stabilität der Unternehmen. Ein höherer Frauenanteil im Aufsichtsrat erhöht darüber hinaus die nachhaltige Wachstumsrate (Sustainable Growth Rate – SGR) der Unternehmen.
Dieses Ergebnis ist besonders relevant, da bislang wenig empirische Evidenz zum Zusammenhang der Female Board Ratio (FBR) und dem nachhaltigen Wachstum von Unternehmen existiert.
Die Studie zeigt außerdem, dass die positiven Effekte eines höheren Frauenanteils in den Aufsichtsräten erhebliche makroökonomische Auswirkungen haben, insbesondere auf BIP-Wachstum, Arbeitslosenquote und Bruttoinvestitionen.
Wissenschaftliche Methodik
Die wissenschaftliche Literatur, die sich mit den Auswirkungen eines höheren Frauenteils in den Aufsichtsräten auf die Unternehmensleitung beschäftigt hat, ist zwar umfangreich, aber widersprüchlich.
Diese inkonsistenten Ergebnisse ergeben sich häufig aus dem Fehlen struktureller Modelle zur Identifikation. Beispielsweise zeigen Adams und Ferreira (2009) in einer einzigen Tabelle sowohl positive als auch negative, teils stark negative Zusammenhänge zwischen dem Frauenanteil im Aufsichtsrat und der Profitabilität.
Die Verfasser der Studie lösen diesen Widerspruch mit wissenschaftlichen Methoden: Mit Hilfe des kausalen Inferenz-Frameworks von Judea Pearl (Pearl, 2009, 2016) schätzen sie den kausalen Effekt des Anteils von Frauen im Aufsichtsrat (FBR-Effekt) auf den Erfolg der Unternehmen.

„Die Grafik zeigt, wie wir den kausalen FBR-Effekt identifizieren und für welche Störfaktoren wir kontrollieren müssen“, erklären die Studienautoren Mario Hübler und Michael Sigmund (OeNB).
Nachdem mit Hilfe des Graphen (DAG) potenzielle Störfaktoren als Kontrollvariablen identifiziert wurden, werden zwei ökonometrische Modelle zur Schätzung der FBR-Effekte verwendet:
- TWFE-Modell (Two-Way Fixed Effects): Dieses Modell ermöglicht die Kontrolle für unbeobachtete zeitinvariante Heterogenität auf Unternehmensebene. Das wäre z.B. ein besonders gutes Management.
- FEIS-Modell (Fixed Effects with Individual Slopes): Darüber hinaus ermöglicht dieses Modell die Berücksichtigung unternehmensspezifischer Trends im Zeitverlauf. Das wäre z.B. ein unbeobachtetes unternehmensinternes Frauenförderungsprogramm, das die Frauenquote in Managementpositionen über die Zeit erhöhen möchte.

Detailergebnisse der Studie
„Als nächstes wollten wir herausfinden, warum Frauen im Aufsichtsrat einen positiven Einfluss auf die Unternehmensentwicklung haben. Dazu haben wir verschiedene in der Literatur beschriebene Mediatoren getestet, die zu positiven Auswirkungen der von uns untersuchten Kennzahlen der Unternehmensleistung führen, unter anderem die Teilnahmequoten an Aufsichtsratssitzungen, die Qualität des ESG-Reportings, die Mitarbeiter:innenfluktuation sowie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung“, erörtern Mario Hübler und Michael Sigmund.
Keiner dieser Faktoren ist für die positiven Effekte von Frauen im Aufsichtsrat auf die Unternehmensentwicklung verantwortlich. Die Ergebnisse bestätigen damit die wissenschaftliche Literatur, die zeigt, dass Frauen in Aufsichtsräten durch ihre direkten qualitativen Beiträge – z. B. vielfältigere Perspektiven, neue Impulse bei Strategie- oder Risikofragen oder bessere Teamdynamik – zum Unternehmenserfolg beitragen, die sich nicht in einfachen quantitativen Messgrößen erfassen lassen.
Der Vorteil eines strukturellen Modells ist die Möglichkeit, kontrafaktische Szenario berechnen zu können.

„In unserem kontrafaktischen Szenario setzen wir den FBR für alle Beobachtungen, bei denen der tatsächliche FBR unter 50 % liegt, auf 50 %, während wir für Beobachtungen über diesem Schwellenwert den tatsächlichen FBR unverändert lassen. Wir nehmen damit eine Quote von mindestens 50 % Frauen in den Aufsichtsräten sämtlicher untersuchter Unternehmen an. Die Implikation dieses Szenarios sind für ROE, ROA, SGR und die Verschuldungsquote in der Grafik dargestellt. Eine FBR von mindestens 50 % hätte den Unternehmenserfolg in nahezu allen Kategorien signifikant positiv beeinflusst, wie die Grafik ebenso veranschaulicht“, so die Autoren.

Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen fassen die Autoren in dieser Grafik zusammen. Eine höhere FBR erhöht das reale BIP pro Kopf, das nominelle BIP-Wachstum, die Bruttoinvestitionen und reduziert die Arbeitslosequote.
Fazit
Die Studie belegt auf empirischer und kausaler Grundlage, dass ein höherer Frauenanteil in den Aufsichtsräten großer Unternehmen nicht nur ethisch oder sozial, sondern vor allem ökonomisch sinnvoll ist. Ein höherer Frauenanteil im Aufsichtsrat steigert die Profitabilität, verbessert das Risikoprofil, erhöht die Marktbewertung und fördert nachhaltiges Wachstum von Unternehmen – daraus ergeben sich auch gesamtwirtschaftlich wichtige Implikationen.
Durch den Einsatz des Kausalitätskonzepts nach Judea Pearl wird erstmals in dieser Tiefe kausal gezeigt, dass Frauen im Aufsichtsrat einen direkten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Diversität in den Aufsichtsräten der Unternehmen ist nicht nur ethisch begründbar, sondern es gibt auch einen klaren ökonomischen Business Case
„Unternehmen und Volkswirtschaften sollten daher aktiv auf eine stärkere Einbindung von Frauen im Top-Management hinarbeiten – nicht nur aus ethischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen“, ergänzen Mario Hübler und Michael Sigmund abschließend.