Die durch Konjunkturflaute, rasche Zinsanstiege und hohe Baupreise geprägten, schwierigen Rahmenbedingungen für den Neubau treffen den Wiener Wohnungsmarkt heuer besonders hart: Die Zahl der Projektstarts bricht stark ein, das geht in weiterer Folge mit empfindlichen Rückgängen der Fertigstellungen einher.
Insgesamt werden 2024 etwa 13.200 Wohneinheiten fertiggestellt werden, bei den aktuell besonders gefragten freifinanzierten Mietwohnungen kommt es laut dem heute publizierten Wiener Wohnungsmarktbericht des Wohnbauunternehmens BUWOG und des Immobiliendienstleisters EHL zu einem Rückgang um mehr als die Hälfte und damit auf nur mehr ca. 2.500 Einheiten. Das ist die niedrigste Zahl neuer Mietwohnungen seit sieben Jahren.
Rückgang der Baubewilligungen
Noch schwieriger erscheint aber die mittelfristige Entwicklung, die sich auf Basis der Projektstarts abzeichnet: 2023 sind die Baubewilligungen für neue Wohnprojekte auf nur mehr ca. 11.500 Einheiten gesunken. Gegenüber dem Rekordjahr 2019 bedeutet das ein Minus von mehr als 46 Prozent.
Der Rückgang der Baubewilligungen bedeutet zugleich weniger Baustarts, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahren 2026 und 2027 auf die Fertigstellungszahlen auswirken wird. Diese werden voraussichtlich noch niedriger ausfallen als aktuell, auf Basis der noch nicht revidierten Angaben der Wohnbauentwickler, prognostiziert. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Daher ist damit zu rechnen, dass die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten unter der ohnehin sehr geringen Anzahl an Baugenehmigungen liegen wird. Somit erreicht die Wohnungsproduktion in den kommenden Jahren ein Niveau deutlich unter dem strukturellen Neuflächenbedarf.
Bestand und Neubau
Parallel zur Neubauschwäche ist auch die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum im Bestand stark zurückgegangen. Dachbodenausbauten rentieren sich in der aktuellen Marktsituation nur in sehr guten Lagen und Sanierungen bestehender Wohnungen werden aufgrund gesetzlicher Änderungen, wie beispielsweise die Wertanpassung der Richtwertmieten, derzeit nur noch selten durchgeführt.
„Für den Wohnungsneubau ist das ein etwas paradoxer, aber toxischer Mix. Einerseits wissen die Entwickler, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den kommenden Jahren gegeben und vielleicht sogar besonders stark sein wird, wenn bei einer Konjunkturerholung verschobene Umzüge nachgeholt werden. Andererseits sehen sie keine attraktiven wirtschaftlichen Perspektiven, um jetzt genau diese Wohnungen in Bau zu bringen, die in den kommenden Jahren benötigt würden“, erklärt BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler.
Diese sich ankündigende Angebotslücke werde sich immer stärker in der Preisentwicklung niederschlagen, erwartet Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen:
„Bereits im Laufe des vergangenen Jahres konnten wir trotz der starken Bauaktivität von 2020 bis 2022 am Mietmarkt eine Verknappung wahrnehmen. Daher sind die Quadratmetermieten in der Neuvermietung im Vorjahr zumindest in Höhe der Inflationsrate gestiegen, teilweise sogar noch stärker. Heuer rechnen wir mit einer ähnlichen Entwicklung und wenn die Angebotslücke größer wird, ist ab 2025 mit einem drastisch steigenden Mietniveau in Wien zu rechnen.“
Deutlich anders ist die Situation auf dem Markt für Eigentumswohnungen. Zwar wird auch hier ein Preisanstieg für 2024 erwartet, doch wird dieser mit 0,8 bis 2,3 Prozent klar unter der Inflationsrate (aktuelle Prognose 4,0 Prozent) liegen.
„Für Wohnungssuchende sind daher nicht in erster Linie gestiegene Wohnungspreise, sondern primär die gestiegenen Finanzierungskosten eine Herausforderung und gemeinsam mit der KIM-Verordnung ist es für einige Wohnungssuchende beinahe unmöglich, Eigentum zu schaffen. Ebenso wie der rasche Anstieg der Zinsen zum Nachfrageeinbruch geführt hat, wird ein Rückgang der Leit- und der Marktzinsen daher auch wieder zu rasch steigender Nachfrage führen. Wir erwarten, dass erste Zinsschritte nach unten möglicherweise bereits Mitte des Jahres gesetzt werden. Daher wird sich die Nachfrage im späteren Jahresverlauf wieder intensivieren und bei den Preisen eine Trendwende für 2025 einläuten“, verdeutlicht Michael Ehlmaier, Geschäftsführer der EHL-Gruppe und TOP LEADER-Kolumnist.
Änderung der Rahmenbedingungen unumgänglich
Die Lage des Wiener und des österreichischen Wohnungsmarkts entspräche damit im Wesentlichen der Situation in den wichtigsten EU-Märkten, unterstreicht Daniel Riedl, Vorstandsmitglied der Vonovia SE und verantwortlich für das BUWOG-Development Deutschland sowie das gesamte BUWOG-Geschäft in Österreich:
„Wohnungsbau ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen derzeit einfach nicht kostengünstiger möglich. Die teure Finanzierung und die wegen der schwachen Konjunktur unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven machen den Kauf oder auch nur die Miete einer Wohnung zudem für viele Menschen zu einer immer größeren Herausforderung. Die Politik ist dringend gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um wirksam entgegenzusteuern.“
„Derzeit werden kaum Schritte gesetzt, damit weiterhin dringend benötigtes Kapital für die Errichtung zusätzlicher Wohnimmobilien fließt, um die Nachfrage zu decken. Eher ist das Gegenteil der Fall – Stichworte Mietpreisbremse, ESG-Anforderungen, Bestellerprinzip. Dabei wären die notwendigen Maßnahmen bekannt: Förderungen und begünstigte Finanzierungsmöglichkeiten für thermische Sanierungen und Nachhaltigkeitsinvestitionen in Bestandsobjekten, begünstigte Abschreibungsmöglichkeiten und steuerliche Anreize im Wohnungsneubau bzw. -ankauf, raschere und unkompliziertere Baugenehmigungs- und Widmungsverfahren und Reduktion kostentreibender Bauvorschriften“, analysiert Karina Schunker.
BUWOG-Geschäftsführer Andreas Holler sieht aber abschließend auch positive Entwicklungen:
„Die Inflation hat sich stabilisiert und es braucht eine baldige Lockerung der KIM-Verordnung, die auch im Vorjahr in aller Munde war, um die Finanzierungsmöglichkeiten für Private zu verbessern. Und da Wohnraum benötigt wird, muss auch irgendwann wieder gebaut werden. Aber im Interesse der Wohnungssuchenden wäre es zu wünschen, dass die Politik dafür sorgt, dass dies besser früher als später der Fall sein wird.“