Die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN wurden 2015 als gemeinsamer Aktionsplan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten ins Leben gerufen. Die darin enthaltenen Ziele richten sich aber nicht nur an ihre 193 Mitgliedsstaaten und deren politischen Entscheidungsträger, sondern ganz klar auch an Unternehmen. Um diese dabei zu unterstützen, ihre so wichtige Mitverantwortung zu übernehmen, zeigen die SGDs konkrete Möglichkeiten auf, wie die Ziele und Tätigkeiten eines Unternehmens auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden können. Klingt einfach, ist es aber in der Praxis nicht.
Je nach Branche, Geschäftsmodell und Region sind Unternehmen unterschiedlichen Risiken ausgesetzt und können unterschiedliche wirtschaftliche Chancen wahrnehmen. Aufgrund ihrer Vielfalt zeigen daher die Global Goals privatwirtschaftlichen Unternehmen und Investoren Möglichkeiten auf, die ihnen zugeschriebene Mitverantwortung entlang der eigenen Wertschöpfungs- und Lieferketten sowie darüber hinaus in der Praxis aktiv zu gestalten.
Da es zunehmend rechtliche Vorgaben gibt, die umgesetzt werden müssen, und immer mehr Stakeholder von Unternehmen heute proaktiv einfordern, dass konkrete Schritte in dieser Hinsicht unternommen werden, lohnt sich ein genauerer Blick auf die 17 Global Goals und die 169 Unterziele der UN.
So funktioniert’s in der Praxis
Wie aber können die SDGs nun konkret im Unternehmen implementiert werden, welche sind überhaupt für das eigene Business geeignet und wie setzen Führungskräfte die ersten Schritte?
Milda Zilinskaite, Senior Scientist und Managerin des Competence Center for Sustainability Transformation and Responsibility (STaR) der WU, und Christof Miska, Assoziierter Professor am WU Institute for International Business, erklären anhand vier konkreter Schritte, wie die Umsetzung in der Praxis gelingen kann.
1. Verstehen, worum es geht, und mit wem
Über Nachhaltigkeit wird viel gesprochen, mit den SDGs sollen konkrete Ziele formuliert werden. Doch das ist gar nicht so einfach, wie Christof Miska erklärt: „Die Ziele sind primär als Framework für Länder definiert, nicht unbedingt für Unternehmen, auch wenn es mittlerweile ganz gute Richtlinien und Empfehlungen dazu gibt.“ Es mangelt dann allerdings oft an den konkreten Ideen und dem notwendigen Knowhow, wie man die Ziele in den Geschäftsalltag übersetzt. Zudem ist nachhaltige Entwicklung ein komplexes Themenfeld, es ist daher entsprechende Kompetenz nötig. Das Engagement zahlt sich aber aus, sagt Miska: „Wenn man eine sinnvolle Integration in Geschäftsmodell schafft, dann sind Unternehmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für unerwartete Herausforderungen und Krisen besser vorbereitet.“
Der Vorteil: Unternehmen sind nicht auf sich alleine gestellt, denn Vernetzung und Kooperation sollen Grundlage einer Umsetzung der SDGs in konkrete Maßnahmen sein. So kann beispielsweise eine Public-Private-Partnership oder die Zusammenarbeit mit NGOs sinnvoll sein. „Führungskräfte müssen die Aufgabe nicht alleine stemmen“, sagt Miska. Zudem ist die entsprechende Expertise im Unternehmen oftmals schon vorhanden, etwa bei Digitalisierungsprojekten – diese kann man dann als Grundlage für verschiedenste Bereiche der nachhaltigen Entwicklung nutzen. Auch Partnerschaften mit Unternehmen aus anderen Branchen sollten kein Tabu sein, ebenso Allianzen innerhalb der eigenen Branche. Dabei geht es nicht um Lobbying, sondern um den Austausch von Best Practices, Informationen und etwa die Auswahl von Lieferanten – das wird wichtiger, weil in Zukunft alle Ebenen der Wertschöpfungskette genauer angesehen werden müssen.
2. Analysieren und vergleichen
In weiterer Folge macht eine Bestandsaufnahme Sinn: Wo stehen wir bezüglich der Nachhaltigkeitsziele, in welchen Bereichen sind wir bereits aktiv, aber auch welche werden vernachlässigt? Diese Einschätzung ermöglicht eine erste Orientierung. Nun folgt eine Analyse der eigenen Möglichkeiten: Welche Ressourcen stehen dem Unternehmen zur Verfügung? Wo muss ich mich nach Partnern umsehen, wie kann ich Wissen aufbauen? „Das hängt nicht nur von der Größe des Unternehmens ab“, sagt Milda Zilinskaite. Die SDG-Expertin weist auf die Unterschiede zwischen den Branchen hin: „Im Finanzsektor beispielsweise gibt es bereits mehr Vorgaben.“ Nützlich sei es zudem, sich die Unterziele der SDGs genauer anzusehen, diese zeigen deutlich die gesamte Bandbreite der 17 großen Ziele auf und helfen bei der Analyse.
3. Auswählen, aber nicht eingrenzen
Weil es in der Regel an Zeit und Ressourcen, aber auch an Expertise mangelt, tendieren viele Betriebe ganz natürlich dazu, in Bereiche zu gehen, in denen sie bereits aktiv sind. Doch das ist der falsche Weg, warnt Miska: „Nachhaltige Entwicklung muss immer ganzheitlich und holistisch betrachtet werden. Daher kann man auf Dauer nicht nur jene SDGs angehen, die gerade passen.“
Vor allem traditionell aufgestellte, gewinnorientierte Firmen würden nicht gerne den nächsten, logischen Schritt setzen, oder tun sich einfach schwer – nämlich nach und nach jene Nachhaltigkeits-Bereiche anzugehen, in denen sie nicht gut aufgestellt sind, ebenso jene, die nicht relevant erscheinen. Sich nur die Rosinen herauszupicken, könne auf Dauer nicht lange gutgehen. Neben Umwelt- und Klimaschutz werden unter anderem Themen wie Armutsbekämpfung, Zugang zu Bildung oder mehr Geschlechtergerechtigkeit in den nächsten Jahren stärker in den Fokus rücken – auch die Verknüpfungen der verschiedenen Bereiche, die die SDGs abbilden. Der Vereinten Nationen haben zudem das „Decade of Action“ proklamiert – ein klarer Aufruf auch an Unternehmen, intensiver und schneller an nachhaltigen Lösungen mit konkretem positivem Impact zu arbeiten. Eine breite Aufstellung sei daher von Anfang an wichtig, zumal Gesetzgeber und Institutionen zweifellos schon in naher Zukunft immer wieder nachziehen werden, warnt Miska: „Und deshalb ist es immer besser voranzugehen als nachzulaufen – lieber selber neue Standards setzen als versuchen, Standards zu erfüllen. Echtes Leadership zeigen, also.“
Besonders kontroverse Branchen haben in der Vergangenheit gut gelernt, sich auf diese Art der Veränderungen einzustellen, auch wenn nachhaltige Entwicklung dabei nicht immer das Hauptaugenmerk war.
4. Einbinden und umsetzen
Der Idealfall: Die SDGs werden gezielt und breit gedacht in das Geschäftsmodell des Unternehmens integriert – oder auch das Geschäftsmodell wird neu designet. „Der CEO kann zum Beispiel auch der CSO sein, also der Chief Sustainable Officer“, erläutert Milda Zilinskaite. Generell sollte die Ausrichtung auf die SDGs für das ganze Unternehmen, also quer durch alle Abteilungen erfolgen. Daher ist es auch für Mitarbeiter wichtig, aktiv am Prozess teilzunehmen. „Arbeitnehmer fragen heute immer öfter nach Sinn bzw. Purpose – fordern das sogar ein. Die SDGs können als gemeinsame Ziele und als Vision in dieser Hinsicht sehr wertvoll sein. Es darf auf keinen Fall sein, dass das Top-Management etwas konkret tut, aber die Mitarbeiter nicht eingebunden werden.“ Das Gefühl, als einzelne Person etwas beitragen und verändern zu können, schafft Motivation und Engagement. Zudem kann das für Unternehmen – sofern ehrlich und authentisch umgesetzt – ein starker Employer-Branding-Vorteil im Wettstreit um die besten Talente sein.
Die Sustainable Development Goals im Überblick
17 Sustainable Development Goals (SDG), also Ziele für nachhaltige Entwicklung, wurden im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen in der Agenda 2030 definiert. Mit diesen soll die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft und Wirtschaft gelingen. Nicht nur Klimaschutz und Ökologie werden anvisiert, sondern unter anderem auch der Kampf gegen Armut, Gleichstellung der Geschlechter und Ungleichheit zwischen einzelnen Ländern bzw. Weltregionen. Alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich, sozial, ökologisch – sollen berücksichtigt werden. Die SDGs werden von 169 konkreten Unterzielen ergänzt.