Creditreform hat die aktuelle Entwicklung der Firmeninsolvenzen für das 2. Corona-Krisenjahr 2021 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen ist nach dem starken Einbruch seit Beginn der Corona-Pandemie nur mehr um 1,0% zurückgegangen. Ein Blick in die Details zeigt aber, dass dieser Trend der letzten eineinhalb Jahre nun zu Ende gegangen ist. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist erstmals seit sechs Quartalen um 12,3% auf über 2.000 gestiegen. Betrachtet man allein das 4. Quartal 2021, so zeigt sich, dass die Zahl der eröffneten Verfahren sogar um 164% angestiegen ist. Zieht man den Vergleich zudem zum 4. Quartal 2019 so beträgt die Steigerung 87% – und das im Vergleich zum Vorkrisenniveau.
Grund für die „Normalisierung“ des Insolvenzgeschehens ist das Auslaufen der Stundungen durch GKK und Finanzämter und die vermehrte Antragsstellung auf Insolvenzeröffnung durch diese Institutionen. Dazu kommt, dass viele Unternehmer durch die volatile, stark verunsichernde Pandemiesituation, in der eine betriebswirtschaftliche Planbarkeit erschwert wird, die Reißleine gezogen haben.
Die Insolvenzursachen liegen generell in Managementfehlern, im Wettbewerb (Preiskampf, sinkende Margen) sowie im Mangel an Kapital und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern. Da es nur wenige Großinsolvenzen gab, sind sowohl die Insolvenzpassiva (ca. 1,1 Mrd. Euro) als auch die betroffenen Arbeitsplätze (ca. 8.800) stark rückläufig.
2021 | 2020 | Veränderung absolut | Veränderung in % | |
Unternehmensinsolvenzen – Gesamt | 3.076 | 3.106 | -30 | -1,0 |
– Eröffnete Insolvenzen | 2.078 | 1.850 | +228 | +12,3 |
davon eröffnete Konkursverfahren | 1.855 | 1.617 | +238 | +14,7 |
davon eröffnete Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung | 32 | 33 | -1 | -3,0 |
davon eröffnete Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung | 191 | 200 | -9 | -4,5 |
– Mangels Vermögen abgewiesene Insolvenzverfahren | 998 | 1.256 | -258 | -20,5 |
Bundesländervergleich
Den stärksten Rückgang verzeichneten Vorarlberg (-30,1%), Kärnten (-23,0%) und Salzburg (-13,3%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit knapp 12 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als 3 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten mehr als 6 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.
2021 | 2020 | Veränderung absolut | Veränderung in % | Insolvenzen je 1.000 Unternehmen | |
Wien | 1.201 | 1.139 | +62 | +5,4 | 11,7 |
Niederösterreich | 615 | 554 | +61 | +11,0 | 6,6 |
Burgenland | 119 | 120 | -1 | -0,8 | 6,9 |
Steiermark | 360 | 393 | -33 | -8,4 | 5,5 |
Kärnten | 141 | 183 | -42 | -23,0 | 4,6 |
Oberösterreich | 262 | 295 | -33 | -11,2 | 3,6 |
Salzburg | 163 | 188 | -25 | -13,3 | 4,7 |
Tirol | 164 | 161 | +3 | +1,9 | 3,9 |
Vorarlberg | 51 | 73 | -22 | -30,1 | 2,5 |
Gesamt | 3.076 | 3.106 | -30 | -1,0 | 6,4 |
Branchenvergleich: Mehr Insolvenzen im Transportwesen
Am stärksten stiegen die Insolvenzen im Transportwesen („Verkehr- und Nachrichtenübermittlung“) mit einem Plus von 19,7%, im Handel (+4,0%) und im Bauwesen (+3,4%). Grund dafür sind einerseits steigende Rohstoffpreise und andererseits der (ausländische) Online-Handel. Zudem ist der Binnenkonsum aufgrund der Verunsicherung am Arbeitsmarkt stark zurückgegangen. Die Konsumenten sparen vermehrt.
Hingegen gingen die Insolvenzen im Tourismus („Beherbergungs- und Gaststättenwesen“) mit einem Minus von 13,3% zurück, gefolgt vom „Kredit- und Versicherungswesen“ mit minus 10,3% und der Industrie („Sachgütererzeugung“) mit minus 8,7% und. Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit rund 18 von 1.000 Branchenunternehmen.
2021 | 2020 | Veränderung absolut | Veränderung in % | Insolvenzquote | |
Sachgütererzeugung | 147 | 161 | -14 | -8,7 | 5,6 |
Bauwesen | 612 | 592 | +20 | +3,4 | 17,8 |
Handel | 516 | 496 | +20 | +4,0 | 6,1 |
Beherbergungs- und Gaststättenwesen | 379 | 437 | -58 | -13,3 | 8,1 |
Verkehr- und Nachrichtenübermittlung | 401 | 335 | +66 | +19,7 | 10,7 |
Kredit- und Versicherungswesen | 70 | 78 | -8 | -10,3 | 6,3 |
Unternehmensbezogene Dienstleisungen | 496 | 481 | +15 | +3,1 | 5,0 |
Übrige | 455 | 526 | -71 | -13,5 | 3,3 |
Gesamt | 3.076 | 3.106 | -30 | -1,0 | 6,4 |
Conclusio 2021 – Ausblick 2022
Seit dem schnellen und beherzten Eingreifen der Bundesregierung mit Beginn des ersten Lockdown im März 2020 gingen die Firmeninsolvenzen auf die niedrigsten Stand seit 30 Jahren zurück: Das viel zitierte Paradoxon von fallenden Insolvenzzahlen mitten in der größten Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Seit dem 3. Quartal und nun massiv verstärkt im 4. Quartal kommt es zu einer „Normalisierung“ des Insolvenzgeschehens, d.h. zum Abbau der aufgestauten, nur durch die Hilfsmaßnahmen durchgetragenen, de facto insolventen Unternehmen. Vor allem der Wegfall der staatlich verordneten Abgaben- und Steuerstundungen seit dem 1. Juli und die Wiedereinführung der Insolvenzantragspflicht haben ihren Beitrag dazu geleistet.
Waren in den Jahren vor Covid immer rund 5.500 Unternehmen insolvent, so ist der Rückgang um mehr als jeweils 2.000 Fälle in den vergangenen beiden Jahren 2020 und 2021 untypisch. Creditreform hat von Walter Schwaiger von der TU Wien die Ausfallsrisiken der Unternehmen durch den so genannten Verhinderungseffekt – Insolvenzen, die durch die staatlichen Maßnahmen verhindert wurden – errechnen lassen. Schwaiger schätzt, dass rund 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet sind. Sollte dieses Gefahrenpotential für die Gläubiger schlagend werden, würde Österreich wieder bei der Vor-Corona-Lage von 5.000 und mehr Insolvenzen landen. Verstärkt wird die Insolvenzgefährdung durch derzeit nicht einschätzbare Entwicklungen in der Pandemiebekämpfung sowie durch weitere wirtschaftliche Unsicherheiten wie Inflation/Preisdruck, Fachkräftemangel und Mehrkosten durch die Klimapolitik. Das werden zuerst die Kleinst- und Kleinunternehmen zu spüren bekommen. Das neue Jahr 2022 wird somit auf jeden Fall ein Mehr an Firmeninsolvenzen bringen. Gläubiger seien gewarnt.