„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus“

Exklusivinterview mit Hubert Wetschnig, CEO der HABAU GROUP, über Herausforderungen an der Spitze eines Familienunternehmens, die Situationsentwicklung der Bauwirtschaft, den Nachhaltigkeitstransformationsprozess sowie künftige Pläne und Ziele der HABAU GROUP u.v.m.
© TOP LEADER / Richard Tanzer
„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus“
Hubert Wetschnig, CEO der HABAU GROUP.

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Herr Wetschnig, die HABAU Unternehmensgruppe zählt, wenn man die Grundsteinlegung von 1913 heranzieht, zu den ältesten Baukonzernen Österreichs. Seit Ende 1989 besteht diese dann als HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft m. b. H. Heute erwirtschaftet der Baukonzern mit seinen rund 6.500 Mitarbeiter/innen ein Bauvolumen von rund 2 Milliarden Euro und bedient als Komplettanbieter nahezu alle Leistungsbereiche des Bauwesens. Welche unmittelbaren, aber auch strategisch langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Wir waren vor 110 Jahren schon ein Familienunternehmen und sind es auch mit rund 6.500 Mitarbeiter/innen und insgesamt 15 Konzernunternehmen noch heute. Wir verstehen uns als „construction family“ mit Handschlagqualität und vergessen dabei niemals unsere Wurzeln.

Nachhaltiges Wachstum und eine partnerschaftliche Projektabwicklung bilden das Rückgrat unseres Erfolges. Unsere Ziele bei der HABAU GROUP sind dabei vielfältig: Einerseits setzen wir darauf, unsere Position als Komplettanbieter im Bauwesen weiter zu stärken und zu wachsen. Andererseits streben wir langfristig eine nachhaltige Entwicklung an, die auf Innovation, Digitalisierung und einem klaren Bekenntnis zu Umwelt- und Klimaschutz basiert.

Sie sind seit 2017 als CEO der HABAU GROUP tätig und für ihren Innovationsgeist, für ihre Entscheidungsfreudigkeit und ihre Handschlagqualität bekannt. Haben Sie spezifische Erfahrungen aus ihrer beruflichen Anfangszeit, die Ihnen, retrospektiv betrachtet, speziell geholfen haben, um ein so großes Unternehmen zukunftsfit zu machen?

Für mich war schon sehr früh klar: Ich wollte Bauingenieur werden. Ich wollte meine Arbeiten und Projekte sichtbar machen und so die Zukunft mitgestalten. Heute macht es mich stolz, wenn ich unterwegs bin und auf Bauwerke stoße, an denen ich mitgewirkt habe. Meine beruflichen Anfangsjahre haben mir gezeigt, wie entscheidend Innovationsgeist und Flexibilität für den Erfolg eines Unternehmens sind. Früh habe ich erkannt, dass kontinuierliche Weiterentwicklung und die Integration neuer Technologien entscheidend sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Schlussendlich geht aber auch immer um den aktiven Dialog mit unseren Kolleg/innen – ein Unternehmen ist immer nur so gut wie ihre Mitarbeiter/innen. Und darauf bin ich bei der HABAU GROUP ganz besonders stolz.

Glaubt man dem generellen Kanon befindet sich die Bauwirtschaft auf dem Weg oder schon inmitten einer Krise. Die geopolitische Gesamtsituation aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden hierbei immer wieder angeführt. Wie würden Sie persönlich die Situation der Branche beschreiben und welche Faktoren beeinflussen diese positiv und/oder negativ?

Die Bauindustrie steht aktuell vor einer Reihe an Herausforderungen und befindet sich in einer Rezession. Während sich der Infrastrukturbau in einer soliden Situation befindet, steht der Hochbau vor massiven Herausforderungen.

Rückblickend haben viele Faktoren zu der derzeitigen Lage beigetragen. Dazu gehören unter anderem Engpässe bei Fachkräften und Baustofflieferanten, die drastisch gestiegenen Kosten für Dienstleistungen und Materialien sowie die Zinspolitik der EU. Darüber hinaus werden die weiterhin hohen Energiepreise nicht so schnell zu einer raschen Verbesserung der aktuellen Situation in Österreich führen.

Hat sich die HABAU GROUP auf mögliche Krisenszenarien vorbereitet – falls Ja, welche Initiativen haben Sie ergriffen?

Als viertgrößtes Bauunternehmen Österreichs machen wir aktuell rund zwei Milliarden Euro Bauleistung und haben den Vorteil, dass wir sehr breit aufgestellt sind und die ganze Produktpalette des Bauens abdecken. Weiters sind wir es als Familienunternehmen gewohnt, ständig unsere Organisation zu hinterfragen. Somit haben wir schon sehr früh die notwendigen Anpassungen durchgeführt.

Gehen die Aufträge der Branche tatsächlich drastisch zurück oder wird heißer gekocht als gegessen?

Unternehmen, die insbesondere auf den Hochbau spezialisiert sind, sehen mit Sicherheit schwierigen Zeiten entgegen. Wir als HABAU GROUP können jedoch Dank einer guten Auftragslage die Bauleistung stabil halten.

Die „grüne Transformation“ oder generell das Thema Nachhaltigkeit dominiert und vereinnahmt momentan alle Wirtschaftsbereiche. Wie steht die HABAU GROUP zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz und welche Ziele und Strategien verfolgen Sie in diesem Bereich?

Für uns als HABAU GROUP ist ein schonender, effizienter und somit nachhaltiger Umgang mit sämtlichen Ressourcen im gesamten Bauprozess ein fixer Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Wir wissen heute, dass insbesondere das Jahr 2030 ein wichtiger Meilenstein nicht nur in der Geschichte der HABAU GROUP, sondern auch für die gesamte Bauindustrie sein wird, denn es gilt: 55 Prozent weniger CO2 entlang der gesamten österreichischen Wertschöpfungskette im Vergleich zu 1990 zu emittieren. Wir als HABAU GROUP wollen hierbei als Vorbild agieren und – im Rahmen der wirtschaftlichen und technologischen Möglichkeiten – eine Vorreiterrolle einnehmen.

Wir setzen daher verstärkt auf die fünf Bereiche: Digitalisierung (alle Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im gesamten Prozessgeschehen der HABAU GROUP), Forschung und Entwicklung (Entwicklung zukunftsweisender Technologien mit Schwerpunkt Materialien- und CO2-Einsparung sowie Forschung an neuen Baumaterialien, wie bspw. Basalt-Beton), Nachhaltiges Bauen, Mobilität und erneuerbare Energien.

© PantherMedia / Yuri Arcurs
„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus“

Werden beim gesellschaftlich geforderten Nachhaltigkeitstransformationsprozess nicht auch ökonomische und strukturelle Probleme, die dadurch auf die Bauwirtschaft zukommen könnten, negiert?

Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus. Vielmehr sehen wir darin die Chance, langfristige Werte zu schaffen. Unser Ziel ist es die Bereiche Ökologie, Soziales und Ökonomie in Einklang zu bringen.

Es ist heute nicht mehr möglich allein den ökonomischen Aspekt isoliert zu betrachten. All jene die in der Bauwirtschaft tätig sind können hier aktiv einen Beitrag für mehr ressourcenschonendes Bauen, mehr Innovation im Bauprozess, Entwicklung neuer Technologien und Baumaterialien leisten und somit gemeinsam einen Beitrag für die Zukunft der nächsten Generationen leisten.

Welche spezifischen „grünen“ Herausforderungen aber auch Chancen sehen Sie als die schwerwiegendsten, die in den nächsten Jahren auf Österreichs Bauwirtschaft zukommen?

Der Plan- und Bauprozess muss viel früher miteinander verknüpft werden. Hier können Ressourcen und Know-how effizienter gebündelt werden. Dafür sind allerdings die öffentliche Hand sowie unsere Auftraggeber/innen gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Fokus wird künftig noch mehr auf dem Lebenszyklus eines Bauwerks und damit auf allumfassende ÖGNI / DGNB-Zertifizierungen sowie einer generellen nachhaltigen Planung liegen. Themenbereiche, wie Ökobilanzierung und Energiekonzepte für den Gebäudebetrieb zählen dann ebenso zum Standard, wie Rückbau- und Recyclingkonzepte.

In der HABAU GROUP beschäftigen wir uns gerade auch mit praxistauglichen Einsatzmöglichkeiten von neuen Technologien, welchen wir teilweise sogar selbst entwickeln wie beispielsweise eine innovative Basalt-Beton-Fassade, die lediglich 4cm dick ist, oder eine bauteilaktivierte Hohlkörperdecke für den Hochbau. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass in Zukunft wie auch immer geartete Verbundkonstruktionen im Hochbau mehr an Bedeutung gewinnen werden.

© HABAU GROUP
„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus“
HABAU-Basalt-Beton-Fassade.

Neues Bauen erfordert eine ganzheitliche Betrachtung sowohl neu zu errichtender, aber auch bestehender Bauwerke hinsichtlich Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung der eingesetzten Baustoffe. Bauen im Bestand mit starkem Fokus auf smarte Energiekonzepte wird gegenüber dem Neubau immer mehr an Bedeutung gewinnen. Es ist wichtig, dass im Gesamtprozess Verantwortung übernommen wird. Durch den Einsatz digitaler Tools und Methoden können wir bspw. zeigen, welche Nachhaltigkeitspotentiale wir erheben und sie schließlich entsprechend umsetzen können.

Themenwechsel: Auf der Homepage der HABAU GROUP ist der erste Satz – „Alle Leistungen aus einer Hand“. Was machen Sie grundsätzlich anders als die anderen und wie unterscheiden Sie sich von Mitbewerbern?

Wir wollen unsere Kunden mit Qualität und den Vorzügen eines Familienunternehmens überzeugen. Dazu zählen vor allem unsere schlanken Strukturen, Handschlagqualität und gelebte Partnerschaft. Zusätzlich können wir als Komplettanbieter nahezu alle Bauleistungen mithilfe unserer 15 Konzernunternehmen abdecken. Das optimiert die Prozesse, erhöht die Effizienz und sichert die Qualität.

Mit der PPS Pipeline Systems GmbH positionieren Sie sich auch im Bereich des Pipelinebaus. Welche Herausforderungen und Potenziale sehen Sie künftig in diesem Segment?

Die Energiewende in Europa, besonders in Deutschland, erfordert erhebliche Infrastrukturressourcen. Der Ukraine-Krieg führte zur Unterbrechung der Erdgaslieferungen aus Russland, weshalb Deutschland alternative Lieferwege, einschließlich LNG-Terminals, also Flüssiggasterminals umsetzen musste.

© Joel Kernasenko

Um die Klimaziele zu erreichen ist die Transformation von Erdgas hin zu grünem Wasserstoff durch die nationale deutsche Wasserstoffstrategie politisch im November 2023 verabschiedet worden. Somit wird in den nächsten Jahren ein erheblicher Bedarf an Bauleistungen im Pipelinebau erforderlich sein.

Bis 2032 wird neben Wasserstoffprojekten auch weiterhin ein erheblicher Bedarf an Rohr- und Tiefbaukapazitäten für Kabelleitungstiefbau bestehen. Die Fernleitungsnetzbetreiber erkennen bereits die Engpässe in den Tiefbaukapazitäten und setzen auf Partnerschaftsmodelle, um Ressourcen zu sichern. Die HABAU GROUP ist hier dank der PPS Pipeline Systems GmbH und der HABAU sehr gut aufgestellt, um diesen Herausforderungen zu begegnen und hat bereits erste Projekte als Partnerschaftsmodelle übernommen.

Sie treiben mit großem Erfolg interne Change-Prozesse und auch den generellen Digitalisierungsprozess im Unternehmen voran. Wie wichtig ist Digitalisierung und Innovation in der Bauwirtschaft und welche konkreten Schritte unternehmen Sie, um die HABAU GROUP fit für die Zukunft zu machen?

Digitalisierung und Innovation sind Schlüsselfaktoren in der Bauwirtschaft. Wir investieren in moderne Technologien, wie BIM (Building Information Modeling) und automatisierte Bauprozesse. BIM und Digitalisierung bilden die Grundlage für eine verbesserte Entscheidungsfindung, beschleunigte Prozesse und mehr Innovation in der Bauindustrie. Ich bin davon überzeugt, dass der BIM-Prozess sich in den kommenden Jahren wesentlich konkretisieren und BIM sich zunehmend vom Deckmantel „Pilotprojekte“ lösen wird.

Als klaren Hebel für mehr Effizienz im Bauprozess ist „Lean“ zu arbeiten. Wir bei der HABAU GROUP haben uns unter dem Motto „The HABAU GROUP’s way of lean thinking“ ein Konzept ausgearbeitet, wie zukünftig Lean-Prinzipien in all unseren Aktivitäten eingesetzt werden sollen. Das Ziel: Verschwendung minimieren, Prozesse optimieren und nachhaltige Ergebnisse erreichen.

Wie sieht der künftige „Fahrplan“ der HABAU GROUP bis 2030 aus – Konsolidierung oder sind auch andere Märkte abseits von Deutschland und Österreich interessant?

Wir haben erst Ende vergangenen Jahres die deutsche Anton Schick GmbH mit rund 500 Mitarbeiter/innen übernommen. Aktuell ist bei uns Konsolidierung angesagt, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht Augen und Ohren offenhalten.

Werden sich in den nächsten Jahren steigenden Baustoffpreise und Lieferengpässe auf Ihre Projekte auswirken – falls Ja, wie können Sie diese Risiken minimieren oder kompensieren?

Für die Branche rechne ich mit einer Delle im Hochbau von einem bis eineinhalb Jahren bevor es wieder bergauf geht. Ich gehe aber auch davon aus, dass das Bauen in Zukunft wieder billiger wird – auch trotz höherer Lohnabschlüsse.

© PantherMedia / lurii
„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich nicht aus“

Um als Bauwirtschaft gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen, ist aus meiner Sicht ein gemeinsames Engagement für Branchenstandards und der Mut zu Innovationen im Gesamtprozess notwendig. Das bedeutet beispielsweise, dass wir Ressourcen in die Entwicklung gemeinsamer Standards für Themen wie BIM, Lean Construction Management und ähnliches investieren müssen, um unsere wertschöpfenden Prozesse nachhaltig zu verbessern. Ebenso sollten wir in der Branche den partnerschaftlichen Umgang weiterentwickeln und das bisher gewonnene Know-how in alternative Vertragsmodelle einfließen lassen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr und welche Vision haben Sie für die HABAU GROUP und die Bauwirtschaft in den kommenden zehn Jahren?

Die HABAU GROUP wird auch in zehn Jahren ein Traditionsunternehmen sein, deren Leistungen im In- und Ausland aufgrund ihrer hohen Qualität stark nachgefragt werden.

Best- und Billigstbieterprinzipien werden endgültig von kooperativen Vertragsmodellen abgelöst sein und um hoch gewichtete Klimakriterien ergänzt. Die Kompetenz der Konzernunternehmen liegt nach wie vor im Bauwesen, jedoch wird sie um mindestens eine Abteilung erweitert, nämlich der des Nachhaltigen Bauens, welche zentrale Anlaufstelle für Klimafragen sein wird, und eine entsprechende Qualitätssicherung diesbezüglich sicherstellt.

In Zukunft ist es wichtig, dass die Bauindustrie weiterhin attraktiv bleibt. Auch um den Verlust von Fachkräften an andere Branchen entgegenzuwirken. Es ist aber vor allem wichtig, die aktuell negative Stimmung zu verbessern und wieder optimistischer zu werden. Die öffentliche Hand hat hier den größten Einfluss: Sofort wirksam wären meiner Meinung nach Maßnahmen, wie die viel diskutierte Aufwertung der Wohnbauförderung, die gezielte Förderung der Energiewende und die Lockerung der Kreditvergabebedingungen.

Wir möchten Sie gerne auch als Privatperson etwas näher kennenlernen, abschließend daher noch ein paar persönlichen Fragen:

Wie sieht, für Sie, ein typischer Arbeitstag in ihrem Unternehmen aus?

Kein Tag ist wie der andere und bringt täglich neue Herausforderungen mit sich. Das macht unseren Beruf so vielfältig. Ich komme jeden Tag gerne ins Unternehmen.

Hatten auch Sie ein Vorbild, von dem Sie sich Dinge abgeschaut haben?

Ich lerne tagtäglich von meinen Kolleg/innen – egal, ob jung oder alt.

Welches berufliche Erlebnis hat sie am meisten geprägt?

Meine erste Auslandsbaustelle in Irland.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?

Sei immer offen für Neues, pflege einen wertschätzenden und menschlichen Umgang und sei konsequent, um deine Ziele zu erreichen. Mache das, was dich begeistert, dann kommt der Erfolg automatisch.

Sie können EIN globales Problem lösen – welches wäre das?

Das ist sehr groß gegriffen. Aber wenn ich die Möglichkeit hätte, wäre es klar die Klimakrise.

Herr Wetschnig, wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft und herzlichen Dank für das Interview.

Danke Ihnen.

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