„Quo vadis“ China – die Dynamiken des chinesischen Aktienmarktes

Seit dem Höchststand 2021 hat der chinesische Aktienmarkt rund 6,8 Bill. US-Dollar an Marktwert verloren.
© Carolina Frank / Steiermärkische Sparkasse
„Quo vadis“ China – die Dynamiken des chinesischen Aktienmarktes
Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, Steiermärkische Sparkasse.

Teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Die schwindelerregende Zahl von knapp 7 Billionen Dollar spiegelt die tiefe Krise der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wider, denn die unmittelbare Zukunft ist von einigen negativen Faktoren geprägt.

Die anhaltende Immobilienkrise, schwache wirtschaftliche Fundamentaldaten, eine überalterte Bevölkerung sowie geopolitische Spannungen lassen die frühere Dynamik vermissen und haben zu einem hohen Vertrauensverlust der Investoren geführt. Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking analysieren unmittelbare Entwicklungen.

Anhaltender Abwärtstrend

Die chinesischen Behörden versuchen seit Mitte 2023 mit Maßnahmen, wie einer Senkung der Stempelsteuer, Beschränkungen bei Leerverkäufen und die Schaffung eines staatlichen Fonds zum Aufkauf von Aktien, den sinkenden Aktienmarkt zu stützen – doch dies führte nur kurzfristig zu leichten Kursgewinnen.

Während die führenden Aktienindices in den USA, Europa und Japan in den letzten 5 Jahren Zuwächse zwischen 116 (Nasdaq) und 32 Prozent (EURO STOXX 50) verzeichneten, ist der chinesische Markt im selben Zeitraum um rund 40 Prozent gefallen.

Der Kursverfall am chinesischen Aktienmarkt scheint kein Ende zu nehmen. Dieser ist Ausdruck dafür, dass das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Erholung Chinas schwindet. So hat etwa Anfang September die Investmentbank JP Morgan Kaufempfehlungen für China-Aktien zurückgezogen und begründete den Schritt mit einer erhöhten Volatilität im Hinblick auf die bevorstehenden US-Wahlen, dem Gegenwind für die Konjunktur und die laue Unterstützung durch die Politik in Peking.

„Quo vadis“ China – die Dynamiken des chinesischen Aktienmarktes
© PantherMedia / bluebay2014

Deflationäre Tendenzen

Anders als die anderen großen Volkswirtschaften, die seit rund 2 Jahren mit hohen Teuerungsraten kämpfen, steht China vor dem Problem fallender Preise.

Im August stiegen die Verbraucherpreise zwar um 0,6%, aber ein genauerer Blick zeigt, dass der Anstieg hauptsächlich auf gestiegene Lebensmittelpreise zurückzuführen ist. Die sogenannte Kerninflation, welche volatile Positionen wie Lebensmittel und Energie ausklammert, erreichte im August den niedrigsten Stand seit über drei Jahren. Dies deutet auf eine deflationäre Tendenz hin, was erhebliche Risiken birgt. Sinkende Preise könnten dazu führen, dass die Menschen ihre Ausgaben in der Erwartung, dass die Preise noch weiter fallen, weiterhin reduzieren. Dieser Rückgang der Konsumnachfrage würde zu sinkenden Einnahmen der Unternehmen führen, die mit Gehaltskürzungen und Entlassungen reagieren müssten. Sinkende Einkommen würden wiederum zu geringeren Ausgaben führen und das Wirtschaftswachstum weiter verlangsamen.

Verschuldung, Immobilienkrise und Überalterung

Ein weiteres Problem ist die Verschuldung, insbesondere auf kommunaler Ebene. In den letzten Jahren haben lokale Verwaltungen in großem Umfang Kredite aufgenommen, um Infrastrukturprojekte und andere Investitionen zu finanzieren. Doch viele dieser Investitionen haben nur begrenzten wirtschaftlichen Nutzen gebracht. Die sinkenden Preise verschärfen dieses Problem, da die Verschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung weiter zunimmt.

Zusätzlich belastet die Immobilienkrise die gesamte Wirtschaft erheblich. Der Immobiliensektor trägt ungefähr ein Fünftel zur chinesischen Wirtschaftsleistung bei. Doch seit die Immobilienpreise und die Nachfrage zurückgegangen sind, fehlt den großen Immobilienentwicklern Evergrande, Country Garden & Co das Geld, um ihre Gläubiger zu bedienen oder bereits zugesagte Projekte fertig zu bauen.

„Quo vadis“ China – die Dynamiken des chinesischen Aktienmarktes
Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse.
© Margit Kundigraber / Steiermärkische Sparkasse

Damit wurde aber auch ein zentrales Problem virulent: Der chinesischen Bevölkerung fehlen attraktive Anlageformen.

Bis vor wenigen Jahren machten Immobilien mehr als 70% des privaten Vermögens aus. Der Aktienmarkt in China spielt traditionell eine untergeordnete Rolle. Mit dem Zusammenbruch des Immobiliensektors entfällt jedoch diese tragende Säule für den Vermögensaufbau. Für die chinesische Mittelklasse, die politisch und wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung ist, stellt diese Entwicklung eine ernsthafte Bedrohung dar. Mit dem Wegfall des Immobilienmarktes und der Unsicherheit an den Aktienmärkten bleiben nur noch wenige Investitionsmöglichkeiten – hauptsächlich Gold und traditionell Jade.

Die überalterte Bevölkerung und der deutliche Rückgang der Geburtenrate – Nachwehen der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik – führen zudem langfristig zu einer schrumpfenden Zahl an Arbeitskräften, die steigende Sozialausgaben für die ältere Bevölkerung schultern müssen.

Handelskonflikte

Geopolitisch befindet sich China in einem Handelskrieg mit den USA, der ebenfalls dem Vertrauen der Anleger:innen nicht zuträglich ist. Unabhängig davon, ob Kamala Harris oder Donald Trump die US-Wahl gewinnen wird, der Konflikt wird bleiben. Kamala Harris hat bereits angekündigt, Hightech-Exporte nach China weiter zu beschränken und die Zölle in Höhe von 100 % auf chinesische Elektroautos beizubehalten. Donald Trump plant zusätzlich sogar neue Strafzölle von bis zu 60 % auf alle importierten Waren aus China zu erheben.

Auch die EU hat Anfang Juli vorläufige Strafzölle für chinesische Elektroautos in Höhe von bis zu 36,3 % angekündigt. Offiziell eingeführt werden sie jedoch erst später. Einer Kommissionsmitteilung im August zufolge könnten die Zusatzzölle spätestens Ende Oktober in Kraft treten und für fünf Jahre gelten.

Ausblick

Trotz aller Probleme ist und bleibt die Volksrepublik aber ein wichtiger Handelspartner des Westens. Chinas wirtschaftlicher Wandel in den vergangenen 40 Jahren hatte enorme Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Jetzt will das Land mit dem ehrgeizigen Wirtschaftsprogramm „Made in China 2025“ die globale Nummer Eins im Technologiesektor werden. Am Beispiel der Elektroautos wird deutlich, wie stark sich das Bild in den letzten zehn Jahren gewandelt hat. Von der billigen Werkbank der Welt ist China in vielen Zukunftstechnologien zu einem handfesten Konkurrenten oder gar Weltmarktführer geworden.

Chinesische Unternehmen bemühen sich, Vertrauen zurückzugewinnen. Immer mehr Firmen fokussieren auf die Steigerung ihrer Profitabilität. Seit geraumer Zeit kann man einen Anstieg der Dividendenausschüttungen sowie steigende Aktienrückkäufe beobachten. Alles Maßnahmen, die als Indiz für eine steigende Aktionärsfreundlichkeit angesehen werden können. Und nicht zuletzt preisen die aktuellen Aktienkurse ein äußerst pessimistisches Szenario ein. Positive Überraschungen sind somit nicht ausgeschlossen.

https://www.sparkasse.at/steiermaerkische

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Melden Sie sich hier an

Sie sind noch nicht registriert?