Wie die jungen Leute ticken, welche Rolle TikTok spielt, wie Unternehmen sie erreichen können und welche Fehler es zu vermeiden gilt.
Wir machen schon wieder denselben Fehler. Dabei hatten wir uns doch geschworen, diesen nicht zu wiederholen. Es hat uns doch schon bei unseren Eltern und Großeltern genervt, oder? Die Jugend, das predigte jede Generation vor uns, ist so viel schlimmer als man selbst im gleichen Alter. „Schlechte Manieren“ habe die Filialgeneration, erklärte Sokrates etwa 400 vor Christus. „Sie zeigt keine Lernbereitschaft“ – liest man auf einer Tontafel der Sumerer ungefähr 3.000 vor Christus. Heute verselbstständigt sich das Narrativ alle seien naiv, internet- und vergnügungssüchtig. Doch die Realität ist eine andere – die Jugend ist divers, vielschichtig und clever. Und so sollte sie auch angesprochen werden.
Eine Generation auf TikTok
Wie jedes Vorurteil hat das Narrativ, die Jugend sei internetsüchtig, allerdings auch einen wahren Kern. Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbandes Bitkom verbringen 16- bis 29-Jährige durchschnittlich 182 Minuten pro Tag am Handy. Doch etwas Kontext ist nötig:
30- bis 49-Jährige sind nämlich auch 158 Minuten täglich am Handy, die Boomer-Generation immer noch 148 Minuten. Also gerade einmal eine halbe Stunde weniger. Das hat nichts mit Internetsucht zu tun, sondern ist schlicht ein Zeichen dafür, dass sich große Teile unseres Alltags – vom Einkauf über den Medienkonsum bis zur Kommunikation – schlicht ins Internet verlagert haben.
Deswegen kommunizieren Sie in Ihrem Unternehmen digital, arbeiten per Cloud und beschäftigen einen Social-Media-Beauftragten. Kein Grund also, ausgerechnet der Jugend daraus einen Strick zu drehen.
Was sich drastisch unterscheidet, sind die Plattformen, auf denen die Generation Z unterwegs ist. Besonders lohnt sich dabei ein Blick auf TikTok. Dabei handelt es sich hinter WhatsApp, Instagram und Facebook um das viertbeliebteste soziale Netzwerk in Österreich. Diesen Platz nimmt die Plattform ein, obwohl sich hauptsächlich jüngere Menschen anmelden. Personen, die älter sind als 34 Jahre, gehören auf TikTok zu einer vernachlässigbaren Randerscheinung.
Vor allem holt TikTok massiv auf. Das wird in der Gruppe der 11- bis 17-Jährigen deutlich. Laut Jugend-Internet-Monitor 2024, haben WhatsApp (minus 20 Prozent) und YouTube (minus 24 Prozent) massiv an Relevanz verloren. Erstaunlicherweise nimmt TikTok bei den jungen Usern die Rolle einer Suchmaschine für Neuigkeiten und Trends ein. Es ist keine klassische Plattform für reines Entertainment, sondern wird auch als Informationsquelle herangezogen.
Keine Zukunft ohne TikTok?
Wenn TikTok bei der Jugend ein solcher Trend ist, kann es für Unternehmen nur eine Richtung geben:
Dem Trend folgen! Das ist Unsinn. Hypes und Trends zu folgen, war noch nie eine gute Unternehmensstrategie. Die potenzielle Reichweite mag groß sein, doch die Fallstricke sind enorm gefährlich. Wer seine Inhalte auf TikTok stellt, verliert die Kontrolle darüber. Es ist nicht abzusehen, in welchem Kontext die Videos gezeigt werden und in welcher Bubble sie landen. Diese sind mitunter enorm toxisch. Das alles kann schnell zu einem Reputationsverlust führen.
Dabei sind diese Nachteile nur das kleinere Problem. Sie spielen erst eine Rolle, wenn Sie eine gewisse Relevanz erreicht haben. Dass es so weit kommt, ist aber längst nicht selbstverständlich. Die Mystery-Clicker von sonicboom beweisen immer wieder, dass die Generation Z ein enorm feines Gespür dafür hat, ob Unternehmen oder Personen authentisch sind oder sich für ein Medium wie TikTok verstellen.
Die GenZ ist eben keine Gruppe, die sich blind jeden Content vorsetzen lässt. Der Algorithmus, der den TikTok-Feed bestimmt, lässt sich von den Usern erstaunlich fein justieren. Durch das Schauen, Teilen mit Freunden und „liken“ bestimmter Videos oder auch „Wegwischen“ vernachlässigbarer Informationen. So können qualitativ hochwertige Feeds mit einer lebendigen Community entstehen, in der es objektive und intelligente Debatten über Themen gibt, die für die Jugendlichen in diesem Moment wichtig sind.
Ergibt TikTok für Sie Sinn?
Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, bevor Sie bei TikTok versuchen, die Generation Z anzuwerben, ist:
Ergibt dieses Medium für mich Sinn? Der beste Zugang zu dieser Frage ist, sich die App herunterzuladen und einmal ein paar Tage oder Wochen durch die Inhalte zu scrollen.
Wie funktioniert die App? Welche Creator sind beliebt? Welcher Content wird geklickt? Lässt sich damit Umsatz oder ein anderer messbarer (!) Mehrwert generieren? Verfügen Sie über die internen Ressourcen, um diesen Kanal (ausreichend) zu betreuen?
Die Antwort ist häufig ‚nein‘. Denn auch viele Erfolgsgeschichten von Unternehmen auf TikTok sind mit Vorsicht zu genießen. Sie stammen häufig aus den USA oder dem asiatischen Raum, welche ganz andere Voraussetzungen bieten. Zum einen, was das Nutzerverhalten angeht und zum anderen, was den Datenschutz betrifft. Dieser wird dort weniger streng gehandhabt, was es Social-Media-Managern erlaubt, deutlich aggressiver vorzugehen.
Die zweite Frage ist: Finde ich hier meine Kunden, Share- und Stakeholder? Auch wenn Sie dringend junge Beschäftigte brauchen, stellt sich die Frage, ob diese tatsächlich auf TikTok sind – und wenn, in welcher Bubble sie sich bewegen. Ein Stahlbetrieb aus Donauwitz wird mit einer TikTok-Kampagne wahrscheinlich nicht die Zahl der jungen Bewerber steigern. Oder vielleicht doch? Es lässt sich pauschal nicht beantworten – ein Leitsatz für den Umgang mit der Generation Z und TikTok.
Der Generation Z die Hand reichen
Die Jugend zu unterschätzen, ist ein Fehler, den Generationen seit tausenden Jahren machen. Wiederholen Sie diesen nicht. Reichen Sie der Generation Z die Hand. Beginnen Sie die Kommunikation. Peer Groups (Mystery-Clicker:innen) können Ihren Content bewerten und Verbesserungsvorschläge machen. Ein erster Schritt kann auch sein, sich von Ihrem Kind TikTok zeigen und erklären zu lassen.
Was haben Sie dabei gelernt? Schreiben Sie es mir auf LinkedIn.
Autor: Max Schwinghammer