Ob in der Zeitung, der Social Media App am Smartphone oder bei der allabendlichen Zeit im Bild – es wird überall ein düsteres Bild zur Lage der Weltwirtschaft gezeichnet. Betrachtet man jedoch aktuelle Trendanalysen des globalen Handels, so sieht man sofort deutlich, dass dieser in den letzten Monaten sogar zugenommen hat. Auch in den nächsten beiden Jahren erwarten wir ein größeres Wachstum im Welthandel als in den zwei Jahrzehnten zuvor. Ist das vielfach herbeigeschriebene Schreckgespenst einer dramatischen Rezession vielleicht doch etwas überzogen? Wir bei DHL sehen aktuell gute Chancen, dass ein globaler Wirtschaftsabschwung ausbleiben kann.
Logistiker haben den Durchblick – Volle Bücher und Entspannung kritischer Lieferketten
Die Logistikbranche – allen voran das Expressgeschäft – ist seit jeher ein Frühindikator für wirtschaftliche Auf- und Abschwünge. Als Schnittstelle zwischen Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen und Verbrauchern sehen wir Veränderungen und Trends, im globalen Handel, als einer der Ersten. Das Sendungsvolumen ist zuletzt leicht zurückgegangen. Das ist jedoch kein Grund zur Besorgnis, denn die Volumina kommen aus einem pandemiebedingten Allzeithoch.
Unsere österreichischen Kunden verzeichnen über alle Branchen hinweg noch volle Auftragsbücher, die Sie aktuell unter Hochdruck abarbeiten – und das noch bis ins Jahr 2023 hinein. Nächstes Jahr werden vor allem die Entwicklung der Rohstoffpreise und die Wiederbelebung des privaten Konsums entscheidend für das Wachstum des globalen Handels und damit der Entwicklung der Weltwirtschaft.
Indes macht sich in internationalen Lieferketten langsam Entspannung breit. In Schiffscontainern und auch in Frachträumen sind wieder mehr Flächen verfügbar. Zwar gibt es in der Frachtschifffahrt noch kleinere Verzögerungen und die Logistikbranche kämpft teilweise mit einem Fahrermangel im LKW-Segment, fundamentale Störungen internationaler Lieferketten sollten in nächster Zeit jedoch ausbleiben.
Das neue Normal: Rezession bei historischem Auftragsrückstau und Vollbeschäftigung?
Ein weiterer genau zu beobachtender Faktor für die globale Entwicklung in den kommenden Monaten bleibt China. Auch im Reich der Mitte gibt es aktuell einen historischen Rückstau an Auftragsabfertigungen. Aufgrund der zahlreichen restriktiven COVID-Lockdowns und dadurch massiv gestörten Lieferketten wurden in den vergangenen Monaten große Auftragspölster angehäuft, die nun abgearbeitet werden müssen. Selbiges gilt für weitere asiatische Länder, wie z.B. Thailand. Wenn wir uns vergangene Rezessionen genauer ansehen, ist dieser hohe Auftragsbestand von Unternehmen aller Größen und Branchen einzigartig.
Dazu kommen weitere Gegebenheiten, die gegen eine schwere Rezession sprechen. In Österreich beispielsweise herrscht aktuell annähernd Vollbeschäftigung. Dabei kommt es immer häufiger vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigen, ohne eine gesicherte neue Stelle in der Hinterhand zu haben. Sie sind sich sicher, kurzfristig einen neuen und zumindest gleichwertigen Job zu finden. Und diese Sicherheit ist nicht unbegründet – Unternehmen aller Branchen suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. Auch die Situation am Arbeitsmarkt lässt den Schluss auf eine gottgegebene Rezession also nicht zu.
Natürlich stehen einzelne Betriebe oder besonders schwer betroffene Branchen vor immensen Herausforderungen. Nicht alle werden die kommenden Monate überleben. Wir beobachten jedoch, dass sich viele Unternehmen inzwischen diversifiziert, aktuellen Gegebenheiten angepasst und dabei auch ganz neue Geschäftsfelder gefunden haben. Wer das bisher nicht getan hat, kann freilich rasch auf der Strecke bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch auch: Wer seine Hausaufgaben früh erledigt hat, ist generell resilienter unterwegs und muss vor dem Schreckgespenst Rezession wenig Angst haben.
Autor: Ralf Schweighöfer