Während sich die langfristigen Wachstums- und Inflationsprognosen kaum ändern, sinken die Renditeerwartungen für die Anleihen- und Aktienmärkte deutlich.
„Um das neue Jahrzehnt erfolgreich zu meistern, wird es für Investoren notwendig, ihr Portfolio neu auszurichten“, sagt Jens Schmitt, Leiter Institutional Sales in Österreich und Deutschland bei J.P. Morgan Asset Management. Dies ist die wohl wichtigste Zusammenfassung des soeben veröffentlichten langfristigen Kapitalmarktausblicks (Long-TermCapital Market Assumptions = LTCMA), für den die Expertise der globalen Investment- und Strategieteams gebündelt und ein Blick über einen Anlagehorizont von zehn bis 15 Jahren in die Zukunft geworfen wird.
Im Zeichen des Virus
Die aktuelle 25. Auflage der LTCMA zeigt sich deutlich geprägt durch die Pandemie, die nicht nur für die heftigste Rezession, sondern für die schnellste Erholung aller Zeiten sorgte. Der neue Konjunkturzyklus sei nun durch eine einmalige synchronisierte Geld- und Fiskalpolitik gekennzeichnet.
Angesichts der niedrigeren Ausgangswerte infolge der von Covid-19 verursachten Rezession wurde den meisten BIP-Wachstumsprognosen ein kleiner, konjunkturbedingter Bonus hinzugefügt. So fallen die Erwartungen etwas optimistischer aus und die Prognose für das globale Wachstum liegt mit 2,4 Prozent für die nächsten zehn bis 15 Jahre um zehn Basispunkte höher als in der Vorjahresschätzung. Der Ausblick für die globale Gesamtinflation bleibt mit 2,2 Prozent intakt.
Für die kommende Dekade erwarten die Experten aktivere Maßnahmen zur Konjunkturbelebung als sie jemals in der modernen Finanzgeschichte in Friedenszeiten gesetzt wurden. Das bedeutet eine deutliche Veränderung gegenüber den letzten Jahrzehnten, in denen eine expansive Zentralbankpolitik häufig durch Haushaltskonsolidierungen oder staatliche Sparprogramme ausgeglichen wurde – im nächsten Zyklus sind höhere Staatsausgaben unvermeidlich.
Als Folge der bisher nie gesehenen Hilfspakete dürfte das Umfeld mit erhöhter Verschuldung voraussichtlich noch einige Zeit erhalten bleiben.
Die Ertragsprognosen der Anlageklassen
- Aktien: Die Auswirkungen erhöhter Bewertungen sind bei US-Large-Caps am stärksten ausgeprägt. Hier wird die langfristige Ertragsprognose um 1,5 Prozentpunkte auf 4,1 Prozent gesenkt. Dies bedeutet einen Rückgang der globalen Aktienrenditen um 1,2 Prozentpunkte auf 4,8 Prozent. Parallel wird die Prognose für globale Aktien außerhalb der USA um 0,7 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent gesenkt, trotz eines Renditezuwachses in einigen Märkten außerhalb der USA.
- Anleihen: Unternehmens- und Schwellenländeranleihen bleiben ein Lichtblick. Angesichts der extrem niedrigen Anfangsrenditen ist jedoch zu erwarten, dass die meisten Staatsanleihen in den nächsten zehn bis 15 Jahren negative Realrenditen erzielen werden. Die Schätzungen der Gleichgewichtsrenditen bleiben für den Geldmarkt und 30jährige Anleihen in den meisten Währungen unverändert, sind jedoch im zehnjährigen Bereich etwas niedriger. Da die globalen Zentralbanken für einen längeren Zeitraum niedrige Zinssätze festgeschrieben haben, ist eine Normalisierung der Zinssätze frühestens 2024 zu erwarten. Sobald die Zinssätze angehoben werden, dürften sie jedoch rasch steigen.
- Alternative Anlagen: Bei den „Real Assets“ haben sich die Erträge bemerkenswert gut behauptet. Die Prognosen für Kernimmobilien in den USA und im asiatisch-pazifischen Raum steigen um 0,1 Prozentpunkte auf 5,9 bzw. 6,6 Prozent, während diese in Europa (ohne Großbritannien) unverändert bei 5,0 Prozent liegen.
Insbesondere die Sektoren Infrastruktur und Transport bieten Anlegern langfristig herausragende Erträge: So stiegen die Renditeprognosen für Core-Infrastruktur bei der diesjährigen Betrachtung um 0,1 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent und für die heuer neu aufgenommene Anlageklasse Core-Transport auf 7,6 Prozent.
Die Prognosen für Private Equity werden um 1,1 Prozentpunkte auf 7,7 Prozent gesenkt. Gründe dafür sind höhere Bewertungen und der Wettbewerb unter potenziellen Käufern sowie eine Verlangsamung der Mittelbeschaffung und zunehmende Marktverwerfungen. Demgegenüber steht eine leichte Verbesserung der Alpha-Erwartungen basierend auf der Fähigkeit, Liquiditätsreserven in einer aus den Fugen geratenen Wirtschaft und zur Umschichtung in wachstumsstärkere Sektoren produktiver einzusetzen.
Die Prognosen für Hedgefonds-Strategien wurden in diesem Jahr angesichts des niedrigeren Ertragspotenzials an den öffentlichen Kapitalmärkten gesenkt.
Unterm Strich
Die Ertragserwartungen für ein Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen fallen für Euro-Investoren deutlich von 3,2 auf 2,7 Prozent. Die Effizienzgrenze zwischen Aktien und Anleihen ist in diesem Jahr ebenfalls auf ein sehr niedriges Niveau gefallen.
„Bisher ging es im frühzyklischen Stadium weitgehend um eine Ausdehnung des Risikoengagements, um Erträge abzuschöpfen“, lautet das Fazit von Jens Schmitt. „Heute stehen Investoren vor dem strukturellen Problem niedriger Renditen, verbunden mit erhöhten Bewertungen. Sie müssen also unangenehm hohe Marktrisiken in Kauf nehmen, um eine akzeptable Rendite zu erzielen.“
Der nachhaltige Ausblick
Die österreichischen Privatanleger haben ihr Engagement im Bereich der Nachhaltigen Geldanlage im letzten Jahr sehr deutlich gesteigert: Rund drei Milliarden Euro privater Investoren flossen in nachhaltige Fonds und Mandate, das entspricht einem Wachstum von 77 Prozent.
Mit insgesamt mehr als 6,8 Milliarden Euro halten Privatanleger rund 25 Prozent der Nachhaltigen Geldanlagen in Österreich, 75 Prozent der Gesamtsumme Nachhaltiger Geldanlagen von mehr als 30 Milliarden Euro entfallen auf institutionelle Investoren.
Es gibt noch Luft nach oben: Bisher war der nachhaltige Anlagemarkt demnach vorrangig von institutionellen Investoren getrieben. Doch durch die zunehmende mediale Aufmerksamkeit für Klimarisiken, Eliminierung oder zumindest Reduzierung von Kohlenstoffemissionen etc., sowie EU-Maßnahmen zur Förderung von Sustainable Finance, wird die Nachfrage privater Anleger nach nachhaltigen Anlageprodukten aller Voraussicht nach weiter stark steigen.