Wie der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt, haben sich bis September die Produktionserwartungen der Unternehmen für die nächsten Monate in immerhin zwei größeren Industriebranchen, nämlich in der Chemie und der Herstellung von Informations- und Kommunikationstechnik (kurz: Elektronik), am Bau und in einigen wirtschaftsnahen Diensten per Saldo verbessert oder sind positiv geblieben.
Die Chemie wird ihr Produktionsplus von 1,2 Prozent vom ersten Halbjahr bis Jahresende wahrscheinlich etwas ausbauen können. Hingegen wird das Produktionsminus in der Elektronik von knapp neun Prozent vom ersten Halbjahr nicht ganz ausgeglichen werden.
Insgesamt soll sich die Industriekonjunktur im zweiten Halbjahr erholen – allerdings kann das Produktionsminus von zwölf Prozent aus der ersten Jahreshälfte wohl nur zu einem geringen Teil ausgeglichen werden.
Die schwierige Aufholjagd
In anderen Industriebranchen sind die Produktionserwartungen für die nächsten Monate und damit auch das Branchenklima im September per Saldo negativ geblieben, wie in der Stahlindustrie und der Elektrotechnik, oder haben sich wieder verschlechtert, wie in der Metallverarbeitung und im Maschinenbau; diese Branchen werden bis Jahresende nur einen kleinen Teil ihrer Produktionseinbußen vom ersten Halbjahr aufholen.
Im Produktionssektor hinterlässt die Krise bei den Investitionsgüterbranchen, die den Großteil ihrer Produkte im Export absetzen, tiefe Spuren. Dazu zählen vor allem die Fahrzeugerzeugung, die zudem technologisch bedingte Restrukturierungsmaßnahmen belasten, der Maschinenbau und zum Teil die Metallerzeugung- und -verarbeitung. In diesen Branchen ist die Produktion bis Juni 2020 um 15 bis mehr als 30% in der Kfz-Industrie gesunken.
Von überdurchschnittlich hohen Einbußen berichten auch kleinere, konsumnahe Industriebranchen, die Gebrauchsartikel wie Bekleidung und Schuhe oder Druckereiwaren erzeugen.
„Zwar sind auch die Unternehmen der Kfz-Industrie in ihren Produktionserwartungen im September wieder etwas vorsichtiger geworden. Allerdings waren die Erwartungen bereits in den Vormonaten per Saldo mehrheitlich positiv. Zudem ist die Kapazitätsauslastung der Branche im dritten Quartal wieder gestiegen; dementsprechend dürfte die Kfz-Industrie im weiteren Jahresverlauf 2020 noch an Fahrt gewinnen“, sagt dazu Günter Wolf, Ökonom der UniCredit Bank Austria.
Für offene Märkte
Die Corona-Pandemie belaste die deutsche und österreichische Wirtschaft zwar in einem „nie dagewesenen Ausmaß“, sagt Hans Dieter Pötsch, Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich, Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG sowie Vorstandsvorsitzender der Porsche SE, doch es helfe nicht weiter, die Entwicklung in Schockstarre zu verfolgen.
Generell gelte es, weiterhin für offene Märkte zu sorgen. Protektionismus und Renationalisierung der Produktion seien keine Lösung für die aktuellen Probleme. „Das Zusammenbrechen von globalen Lieferketten während des Lockdowns sollte uns nicht zu dem falschen Schluss führen, dass Protektionismus und Renationalisierung Antworten liefern können“, betont F. Peter Mitterbauer, Vorstandsvorsitzender des Industrie- und Technologieunternehmens Miba und Vizepräsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich.
Gerade für ein kleines Land wie Österreich sei es essenziell, dass die Unternehmen ungehindert weltweit aktiv sein können: Für die in Oberösterreich beheimatete Miba Gruppe ist Deutschland weltweit der mit Abstand wichtigste Markt, gefolgt von den USA und China. Mit einem Umsatzanteil von 47 Prozent im vorigen Geschäftsjahr ist Automotive der größte Geschäftsbereich der Miba.
Industrie profitiert von der Kurzarbeit
Dank Kurzarbeit konnten 2020 in der Industrie bisher stärkere Beschäftigungseinbußen vermieden werden. Obwohl die Kapazitätsauslastung der Industrie in Q2 auf 74% und damit tiefer als im Krisenjahr 2009 gefallen ist, ist die Zahl der Arbeitsplätze bis August 2020 lediglich um 1,4 Prozent gesunken – 2009 um insgesamt 5,4 Prozent.
Es ist zwar zu befürchten, dass 2020/21 noch mehr Industriebeschäftigte, die jetzt noch in Kurzarbeit sind, ihre Arbeit verlieren. Allerdings bleiben Ausmaß und wohl auch Dauer der Beschäftigungskrise im Vergleich zu 2009 moderat, als die Industriebeschäftigung erst nach neun Jahren ihr Vorkrisenniveau wieder erreichte.
Optimismus im Osten
Die in die Zukunft gerichteten Indikatoren der jüngsten Konjunkturumfrage der IV Burgenland und der Sparte Industrie für das zweite Quartal lassen darauf hoffen, dass der Tiefpunkt der Coronakrise durchschritten ist – vorausgesetzt, es kommt zu keiner größeren zweiten Welle.
Allerdings hat sich die Geschäftslage bei den burgenländischen Industriebetrieben im zweiten Quartal insgesamt nochmals verschärft. Dabei gibt es teilweise deutliche Unterschiede in den einzelnen Industriebranchen. So sind die Einschätzungen aus der Pharma-, Medizintechnik- und Lebensmittelbranche optimistischer.
Die Bauindustrie läuft noch gut, der Ausblick ist allerdings sehr verhalten. Sehr schwierig ist die Situation für Unternehmen, die der Automotivindustrie zuliefern; auch die Gesamtauftragsbestände sind im aktuellen Beobachtungszeitraum stark eingebrochen.
Völlig unklar bleibt weiterhin, wie stark und wie schnell die Erholung auf den globalen Märkten stattfindet. Unternehmen reagieren darauf mit Investitionszurückhaltung. Fahren auf Sicht ist derzeit die Devise. Die aktuellen Konjunkturdaten spiegeln damit die allgemeine Unsicherheit wider.
Investitionen vonnöten
Dennoch zeigt der Ausblick auf die nächsten Monate auch wieder leichten Optimismus. So wird die Geschäftslage in sechs Monaten wieder etwas positiver eingeschätzt. Die auf den Shutdown folgenden Lockerungsmaßnahmen, gefolgt von Konjunkturpaketen, haben die Situation deutlich entschärft. Leicht verbessert hat sich auch der Indikator für den Beschäftigungsstand in drei Monaten.
„Ein nachhaltiger Weg aus der Krise kann nur über investitionsgetriebenes Wachstum führen“, betont Ingrid Puschautz-Meidl, Geschäftsführerin der IV Burgenland. Es braucht daher rasch eine optimistische Stimmung und die entsprechenden Rahmenbedingungen wie konjunkturstärkende Maßnahmen, um dem Standort wieder den nötigen Aufschwung zu verleihen. „Hier sind vor allem gezielte Förderungen von Investitionen sowie die Senkung der Körperschaftssteuer gefragt. Retro-Belastungsideen wie neue Steuern oder gar Arbeitszeitverkürzung sind Arbeitsplatz-Vernichter und somit völlig kontraproduktiv“, so Puschautz-Meidl.