Die Nachrichtenlage erscheint bedrohlich: Kann Europa angesichts der Abhängigkeiten von Russland im Winter noch ausreichend mit Energie versorgt werden? Müssen Konsument:innen fürchten, ihr Eigenheim nicht mehr heizen zu können? Lebensmittelpreise gehen durch die Decke, und zu all dem Überdruss drehen auch noch die Notenbanken an der Zinsschraube. Bei genauer Betrachtung bahnten sich diese Entwicklungen bereits in den vergangenen Monaten an.
Rezessionssorgen gepaart mit starken Zinsanhebungen
Engpässe in der Energieversorgung dominieren die Schlagzeilen. Selbst wenn europäische Gasspeicher bereits Füllstände erreicht haben, die denen vergangener Jahre entsprechen, sorgen sich Expert:innen wie Laien um die Versorgungssicherheit. Dabei geht es einerseits darum, ob es in den Wohnzimmern und an den Arbeitsplätzen im Winter warm genug sein wird. Andererseits vertrauen viele – auch energieintensive – Branchen weiterhin auf Gaslieferungen aus Russland. Sollte das Angstwort “Rationierungen” in greifbare Nähe rücken, so würde dieser Angebotsschock die Wirtschaftsleistung drastisch bremsen, so die Befürchtung. Kurzarbeit oder gar vorübergehende Produktionsunterbrechungen einzelner Unternehmen könnten die Folge sein. Jedenfalls würden solche Entwicklungen nicht mehr zu dem Erholungsnarrativ nach der Corona-Pandemie passen.
Neben diesen fundamentalen Sorgen spielt auch die Geldpolitik der Wirtschaft aktuell nicht unbedingt in die Karten. Die Notenbanken scheinen nun fest entschlossen, gegen die ungewohnt hohe Inflation vorzugehen. Die ersten Zinsschritte in der Eurozone waren – wie schon zuvor auch jene in den USA – größer als aus der Vergangenheit gewohnt. Auch die Rhetorik betreffend den weiteren Zinspfad wirkt entschlossen.
Die Sicht der Aktienmärkte
Während Zinserhöhungen in der Vergangenheit zumeist für Sorgenfalten bei Aktienanleger:innen sorgten, reagieren sie auf die jüngsten Erhöhungen nicht allzu kritisch. Denn mancher Sturm kann auch ein reinigendes Gewitter sein: Starke Zinsanhebungen erschweren zwar die Kreditvergabe und bremsen tendenziell die Nachfrage. Allerdings sind sie geeignet, die Inflation in Zaum zu halten – sie sind also Teil der Lösung für unser derzeit größtes monetäres Problem. Zudem werden mit steigenden Zinsen auch die Aussichten für zukünftige Veranlagungen besser.
Die letzten Jahre brachten diesbezüglich eine Verzerrung nach unten, die es jedem:jeder Anleger:in schwer machte. Noch vor wenigen Jahren hätte kaum jemand mit negativen Zinsen gerechnet, dennoch wurden sie Realität. Das stellte die gesamte Zinswelt auf den Kopf, und gelernte wirtschaftliche Zusammenhänge wurden außer Kraft gesetzt: Gute Schuldner bekamen beispielsweise plötzlich Geld dafür, dass sie sich verschuldeten – eine buchstäblich verkehrte Welt.
Die Anleihenmärkte
Etwas anders sieht es auf den Anleihenmärkten aus: Zinsniveaus und Inflationsraten klaffen noch immer deutlich auseinander, Expert:innen sprechen von negativer Realverzinsung.
Die Schoellerbank erwartet, dass sich diese üblicherweise korrelierenden Gefäße wieder aneinander annähern werden. Das bedeutet, dass die Inflation mittelfristig zurückgehen sollte und die (Kapitalmarkt-)Zinsen weiter steigen sollten. Anleger:innen interessiert vor allem das Ausmaß dieser Bewegungen. Gerade bei der Inflation zeigen Marktpreise aus unserer Sicht noch immer zu niedrige Niveaus für die Zukunft. Sogenannte Swaps (Derivate, die man als Inflationserwartung interpretieren kann) sind vom kurzen Ende der Laufzeiten nach oben verzerrt: Die aktuell hohe Inflation lässt auch die mehrjährige Einschätzung hoch wirken.
Wenn man für die zukünftigen Inflationserwartungen die aktuell extremen Werte außer Acht lässt, ergeben sich bereits für das nächste Jahr Werte um 2%. Dies erscheint uns deutlich zu optimistisch. Wir setzen in der Veranlagung daher weiter auf Realwerte, wo immer es möglich ist.
Starke Fundamente gegen den Sturm
Wer mit Qualität baut, fürchtet sich nicht vor dem Sturm. Für die Gelder unserer Kund:innen setzen wir weiterhin auf Qualität und auf solide Realwerte, anstatt auf Sand zu bauen. Doch was bedeutet das konkret?
Starke Margen: Viele Unternehmen beobachten teilweise extreme Preissteigerungen bei Inputfaktoren. Können sie diese nicht zumindest großteils an ihre Kund:innen weitergeben, so dreht ihre Profitabilität ins Negative. Daher erwarten wir gerade bei schwachen Geschäftsmodellen Marktbereinigungen. Von diesen halten wir uns fern.
Solide Bilanzen: Fast jedes Unternehmen arbeitet mit Fremdkapital – darauf beruht unser Wirtschaftssystem. In normalen Zeiten kann so aus dem eigenen (hoffentlich guten) Geschäftsmodell mehr herausgeholt werden als mit einer 100%igen Eigenkapitalfinanzierung – Stichwort Hebel oder zu Neudeutsch: “Leverage”. Doch dieser grundsätzlich gute Hebel kann auch zum Problem werden, gerade in Zeiten steigender Zinsen und speziell bei hoch verschuldeten Unternehmen. Die hohe Zinsbelastung frisst dann im Nu die Erträge auf. Im ungünstigsten Fall geht eine sinkende Profitabilität mit steigenden Zinsen Hand in Hand.
Kernaufgabe eines Vermögensverwalters ist es, in schwierigen Zeiten herauszufinden, welche Unternehmen ihre Margen auch noch im Sturm verteidigen können und für welche Emittenten gestiegene Zinsen nicht das wirtschaftliche Aus bedeuten.
Die Positionierung der Schoellerbank Vermögensverwaltung
Die Schoellerbank interpretiert die Zeichen viel optimistischer als viele andere Marktteilnehmer:innen. Zeiten negativer Nachrichten und negativer Stimmung waren fast immer gute Kaufzeitpunkte. Das heißt keinesfalls, dass für die Aktienmärkte bis Jahresende eine “gerade Linie” nach oben erwartet wird. Auf kurze Sicht werden die Märkte weiter volatil bleiben, mit vorübergehenden Rückschlägen muss jede:r Anleger:in rechnen. Doch wer diese Korrekturen dank qualitätsvoller Portfoliozusammensetzung aushalten kann, findet heute ein deutlich günstigeres Umfeld für Veranlagungen vor, als es die Lektüre von Marktberichten oder Zeitungsartikeln nahelegt.
Auf mittlere Sicht deuten viele Signale auf einen günstigen Zeitpunkt für einen Einstieg in den Aktienmarkt hin. Deshalb setzen wir auch weiter auf Aktien und erhöhen gerade sogar die Quoten in unseren Mandaten um einige Prozentpunkte.
Auf dem Anleihenmarkt ist weiterhin Vorsicht geboten, gerade hier sollten sich Anleger:innen nicht zu viel trauen. Weder lange Laufzeiten noch unkontrollierte Kredit-Wetten hält die Schoellerbank aktuell für das Mittel der Wahl. Dennoch hält sie fest, dass auch im Rentensegment wieder vielfältigere Chancen auftauchen als in der jüngeren Vergangenheit. Im US-Dollar, wo der Zyklus schon weiter ist als in Europa, hat die Schoellerbank erste Schritte zur Laufzeitverlängerung gesetzt.