Aufgrund des starken geopolitischen und finanziellen Gegenwinds waren die weltweiten M&A-Aktivitäten im ersten Halbjahr 2022 stark rückläufig, die weitere Entwicklung ist aufgrund des Ukraine-Krieges, der verstärkten geopolitischen Spannungen und einer möglichen Rezession zudem ungewiss. Mit 2.274 Deals im Gesamtwert von 2,02 Billionen US-Dollar sind die M&A-Aktivitäten im ersten Halbjahr 2022 zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei der Anzahl um 27% und beim Volumen um 18% zurückgegangen, aber im Vergleich zum Durchschnitt des letzten M&A-Zyklus (2015-2019) ist die Anzahl um 35% und das Volumen um 13% gestiegen.
Solide auf Vorjahresniveau
Der österreichische M&A-Markt ist im Vergleich zum weltweiten Rückgang im ersten Halbjahr 2022 solide auf Vorjahresniveau: Die Anzahl der Übernahmen mit österreichischer Beteiligung ist im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um eine Transaktion von 147 auf 146 gesunken. Die Transaktionsvolumina1 sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hingegen deutlich um 75,6% von 4,5 Milliarden Euro auf 1,1 Milliarden Euro gesunken. Das Volumen ist im ersten Halbjahr 2022 allerdings wenig aussagekräftig, da nur bei jedem zehnten Deal das Volumen bekannt gegeben wurde.
Die fünf größten M&A-Transaktionen mit österreichischer Beteiligung
Das Volumen wurde im Wesentlichen von einem Inbound-Deal im Immobiliensektor sowie einem Outbound-Deal im Industriesektor getrieben: Den Kauf eines Anteils von 12,7% an der Immofinanz AG durch die CPI Property Group S.A. um 403,5 Millionen Euro und den Kauf von Essentra Packaging durch die Mayr-Melnhof Karton AG um 363,5 Millionen Euro. Weiters sind folgende Deals unter den fünf größten M&A-Transaktionen mit österreichischer Beteiligung: ECE Real Estate Partners kauften das Haid-Center in Linz für 130 Millionen Euro, die BAWAG Group AG übernahm Peak Bancorp Inc. um 57 Millionen Euro und die Boheme Investment GmbH erwarb Anadolu Restoran Isletmeleri Ltd. Sti. um 51,7 Millionen.
Das sind die Ergebnisse des 14. österreichischen M&A-Index der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Für die Analyse untersucht EY halbjährlich alle veröffentlichten Transaktionen mit österreichischer Mehrheits- und Minderheitsbeteiligung.
Erweiterung des Portfolios
„In Österreich hat sich der M&A-Markt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bisher stabil entwickelt. Das derzeitige unsichere wirtschaftliche Umfeld wird allerdings in den nächsten Monaten dazu führen, dass viele Unternehmen ihre Ausrichtung ändern werden oder ihre Strategie neuformulieren müssen. Der Performance- und Margendruck wird sich erhöhen und die verfügbaren freien Mittel für Investitionen womöglich sinken, gerade dann, wenn Investitionen unter anderem in digitale und technische Komponenten so wichtig sind, um weiterhin vorne dabei zu bleiben. Die Entwicklung des M&A-Markts in den nächsten Monaten ist daher noch ungewiss. Doch die aktuelle Anzahl der Outbound-Deals zeigt, dass die österreichischen Unternehmen ihr Portfolio erweitern und wachsen wollen“, so Eva-MariaBerchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung (Strategy and Transactions) bei EY Österreich.
Strategische Investor:innen dominieren
Die überwiegende Mehrheit der Transaktionen im ersten Halbjahr 2022 entfiel mit 139 Deals auf strategische Transaktionen – das entspricht einem Plus von einer Transaktion im Vergleich zum Vorjahr. Demgegenüber gab es lediglich sieben Transaktionen durch Finanzinvestor:innen (Private Equity, „PE“ bzw. Venture Capital, „VC“) mit österreichischer Beteiligung. Im Gegensatz zum weltweiten Transaktionsmarkt spielt in Österreich privates Risikokapital damit unverändert eine untergeordnete Rolle.
Übernahme von ausländischen Unternehmen gestiegen
Österreichische Investor:innen haben im ersten Halbjahr 2022 verstärkt bei ausländischen Unternehmen zugeschlagen: Die Anzahl der Transaktionen stieg im Bereich „Outbound“ um 22 Deals – ein Plus von 47%. Mit 69 Deals ist diese Kategorie wieder auf ein Vor-Corona-Niveau im Vergleichszeitraum gestiegen. Die Deal-Häufigkeit innerhalb Österreichs („Domestic“) fiel im Vergleichszeitraum um acht Transaktionen (minus 28%). Das Interesse ausländischer Investor:innen an österreichischen Unternehmen („Inbound“) sank ebenfalls, und zwar um 15 Transaktionen (minus 21%).