Ein Wandel des Mobilitätssystems ist notwendiger als je zuvor: Der Verkehrssektor ist hierzulande mit aktuell 45% an den Gesamtemissionen im Nichtemissionshandel einer der wichtigsten Verursacher von Treibhausgasen. Zusätzlich ist dieser Sektor für 80% des heimischen Erdölverbrauchs verantwortlich und trägt maßgeblich zu gesundheitsgefährdenden Feinstaub- und Stickoxidemissionen (NOX) bei.
Die Wasserstoffstrategie
Per März dieses Jahres wurde im Rahmen von #mission2030 – der österreichischen Klima- und Energiestrategie – die Wasserstoffstrategie als Leuchtturmprojekt ins Leben gerufen. Erneuerbarer Wasserstoff ist ein „Allrounder“ – mit dem Potenzial, das Energiesystem langfristig zu revolutionieren. Damit können auch Sektoren dekarbonisiert werden, die durch ausschließliche Elektrifizierung schwer zu erreichen sind.
Die Wasserstoffstrategie bringt die Inhalte der Hydrogen-Initiative auf Schiene, die ausgearbeiteten Ziele und Maßnahmen sollen in den nationalen Klima- und Energieplan einfließen, der bis Ende dieses Jahres an die Europäische Kommission übermittelt und bereits teilweise im Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) 2020 umgesetzt wird.
Darüber hinaus gewinnt die nachfrageseitige Stimulierung von Innovationen als Ergänzung angebotsseitiger Ansätze – wie z.B. der direkten Forschungsförderung im Rahmen der zahlreichen Mobilitätsprogramme des BMVIT – stetig an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund zielt die von BMVIT und BMDW umgesetzte Initiative „Innovationsfördernde Öffentliche Beschaffung (IÖB)“ auf die Erhöhung jenes Anteils des öffentlichen Beschaffungsvolumens ab, der für Innovationen eingesetzt wird.
Konkrete Projekte
Erreicht wird dies durch eine Nachfrage des öffentlichen Sektors nach entsprechenden Innovationen: Angesichts eines jährlichen Beschaffungsvolumens von 40 Mrd. € ist die öffentliche Hand ein wichtiger Referenzkunde für Neuentwicklungen und erleichtert so den Weg in den Markt. Im Mobilitätsbereich liegt dabei ein großes Potenzial, wie z.B. die gemeinsam mit Asfinag und ÖBB bereits durchgeführte vorkommerzielle Beschaffung (Pre-Commercial Procurement = PCP); das beweist etwa das Projekt „eHybridlok (elektronisch betriebene Lokomotive im Verschub mit und ohne Oberleitung)“.
„Auf Schiene“ ist auch das Projekt „Zillertalbahn 2020+ Energieautonom mit Wasserstoff“, bei dem die Bahninfrastruktur erneuert und Schienenfahrzeuge elektrifiziert werden. Da Fahrleitungsanlagen und damit einhergehende zusätzliche Masten im touristisch genutzten Tiroler Zillertal unerwünscht sind, wird auf der rund 32 km langen Schmalspurstrecke von Jenbach nach Mayrhofen die dafür notwendige Energie mit „Grünem Wasserstoff“ bereitgestellt.
Die neue H2-Tankstelle
Bemerkenswert ist auch die flexible, modulare und kostenoptimierte Wasserstoff-Versorgungsinfrastruktur für industrielle, automotive und gewerbliche Anwendungen aus einer skalierbaren 350 bar Hochdruckelektrolyse, einem optionalen 700 bar Kompressormodul und Abgabemodulen für beide Druckniveaus, die von Fronius mit Partnern wie SFL, HyCentA Research, BMW und OMV realisiert wird. Dabei wird auf Basis eines batterie-elektrischen Fahrzeugs für den kommunalen Einsatz (ELI) ein Brennstoffzellen Range Extender-Fahrzeug (H2ELI) entwickelt.
Wasserstoff verbrennen
Ein eigener Bereich sind Fahrzeuge mit Wasserstoffverbrennungsmotor. Deren Wirkungsgrad ist zwar besser als jener von Benzinmotoren, die Leistung ist aber trotzdem niedriger. Das liegt neben dem niedrigeren Energiegehalt pro m³ Wasserstoff und dem großen Volumenanteil des Wasserstoffs im Gas-Luft-Gemisch auch daran, dass in der Regel solch ein Gas-Luft-Gemisch mit relativ hohem Luftüberschuss gefahren wird, um weniger Stickoxide zu verursachen. Nachteilig ist auch ein höheres Verbrennungsgeräusch des Wasserstoffmotors aufgrund seiner hohen Klopffreudigkeit.
Hier gibt es aktuell auch Projekte zu diesen Problematiken z.B. von der FVT, Alset, der TU Graz, BMW oder Hoerbiger ValveTec. Fahrzeuge mit Wasserstoffverbrennungsmotor sind übrigens nicht zu verwechseln mit Wasserstoffbrennstoffzellenfahrzeugen: Gegenüber der Brennstoffzelle mit nachgeschaltetem Elektromotor ist der H2-Motor kompakter und erreicht schneller die Betriebstemperatur als eine Brennstoffzelle. Demgegenüber stehen der höhere Wirkungsgrad der Brennstoffzelle sowie die höhere Leistung und weniger Schadstoffemissionen von Wasserstoffbrennstoffzellenfahrzeugen.
Wasserstoff-Pionier aus Niederösterreich
Am 4. Juli 1998 hat für den Stahlflaschenproduzenten Worthington mit Standort im niederösterreichischen Kienberg eine völlig neue Ära in der mittlerweile mehr als 200jährigen Firmengeschichte begonnen: Der damalige Besitzer Carl Theodor Reitlinger entschloss sich zum Verkauf seiner Firma Heiser an die amerikanische Worthington Industries. Rund 60 Mio. € hat der Mutterkonzern in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Ausbau und Modernisierung des Standorts Kienberg/Gaming gesteckt, 7,25 Mio. € kommen demnächst dazu. Warum? „Die Automobilindustrie geht sehr stark in Richtung alternative Treibstoffe“, erklärt Timo Snoeren, General Manager von Worthington Industriegase in Europa und Geschäftsführer des Kienberger Werkes. „Wir wollen sie auf diesem Weg begleiten: Die Tendenzen gehen dabei stark in Richtung Wasserstoff!“
Schon jetzt produziert die Worthington Industries-Gruppe Wasserstoff-Kraftstofftanks für Pkw, Transitfahrzeug- oder Flottenfahrzeuganwendungen. Darüber hinaus wird man in Kürze am Standort Kienberg/Gaming mit der Errichtung eines neuen Compositewerks beginnen, wo man ganz auf innovative Technik und Erneuerbare Energie für die Mobilitätsbranche setzt. Die besonders leichten Wasserstoff-Tanks werden in Zukunft sowohl Brennstoffzellen wie auch Verbrennungsmotoren in Lkws, Autobussen Zügen und sogar in Schiffen mit Wasserstoff versorgen – und die Technologie dafür wird aus der Ötschergemeinde Gaming kommen! Worthington setzt damit einen wichtigen Schritt für die Region und einen ebenso wichtigen für die Umwelt.
Unter der Lupe:
a) Weitere aktuelle Projekte in Österreich
- H2-Busse; die Grazer Energieagentur sowie Vienna Airport Lines mit ÖBB Postbus verwirklichen Pilotversuche.
- In Tirol: MPreis arbeitet an einem innovativen Projekt inkl. H2-Lkw.
- Im Tourismus: Das Projekt „HySnow“ (Brennstoffzellen für Schneemobile) wird von BMVIT/Klien gefördert.
b) Wenig Steuer – gar nicht teuer
Mit „Entlastung Österreich“ kommt es bereits ab 2020 zu Maßnahmen im
Umweltbereich, um die rasche Umsetzung der österreichischen Klima- und
Energiestrategie voranzutreiben. Insbesondere werden Kraftfahrzeuge mit
geringem Schadstoffausstoß steuerlich begünstigt.
Die NoVA wird aufkommensneutral, sozialverträglich und ökologisch
umgestaltet. Die Steuerbelastung wird abhängig vom CO2-Ausstoß hin zu
jenen Fahrzeugen verlagert, die einen überdurchschnittlich hohen
CO2-Ausstoß verursachen. Nachhaltig produzierter Wasserstoff (und
nachhaltig produziertes Biogas aus erneuerbaren Quellen) werden
steuerfrei.
Insgesamt ist mit diesen Maßnahmen eine Entlastungswirkung von rund 55 Mio. € verbunden.