Noch im Jänner wurde der 7. Living Standards Award in Wien verliehen. Die bedeutende Auszeichnung für Standardisierung und Innovationen ging diesmal an Projekte zu den Themen Quantenmechanik, Plastikvermeidung, schnelles Ethernet und zielsichereres Arbeiten für Chirurgen. Österreichische Preisträger: AQT (Alpine Quantum Technologies), BHS Technologies, cortEXplore, Purency GmbH und TTTech Group.
Mehr als 300 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik waren bei der virtuellen Verleihung dabei. Bereits seit 2015 verfolgt der Preis das Ziel, den oft versteckten Erfolgsgeschichten rund um die Entwicklung und Anwendung von Standards Sichtbarkeit zu verleihen. 15 Einreichungen waren am Ende für die Shortlist nominiert – fünf durften die Trophäe mit nach Hause nehmen.
Von der Idee zum Weltmarkt
Standards wirken im Alltag oft im Hintergrund, um die Qualität und Sicherheit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten. Gerade diese praxisnahen Empfehlungen sind es aber, die aus innovativen Ideen exportfähige Lösungen und funktionierende Zukunftstechnologien machen. Rund 4.500 Fachleute vernetzen sich gegenwärtig in Österreich themenbezogen in der Standardisierung.
Der Living Standards Award richtet sich an Unternehmen, Organisationen, Forschungseinrichtungen und Start-ups, die Standards dazu verwenden, neue Lösungen zur Verbesserung unserer Arbeits- und Lebensqualität zu ermöglichen (Enabling Solutions), internationale Märkte zu erschließen (Reaching International Markets), neue Technologien zu entwickeln (Developing Future Technologies) oder innovative Elektrotechnik-Standards einzusetzen (IEEE-Standards). Hier die Preisträger im Überblick:
„Enabling Solutions“: 3D-Simulationen für heikle Eingriffe in der Neurochirurgie
cortEXplore wurde 2018 gegründet und entwickelt neurochirurgische Navigationssysteme, um Eingriffe am Gehirn präzise planen, simulieren und durchführen zu können. Das Start-up wird ausgezeichnet für die Entwicklung eines speziellen Ortungssystems, um Areale im Gehirn besonders präzise zu erreichen.
Der Nutzen: Der Zugang zum Zielareal bei Operationen kann besser geplant, das Risiko für Patienten verringert und klinische Ergebnisse verbessert werden. Standards spielten dabei in puncto Qualitätspolitik (EN ISO 13485) und beim Risikomanagement in der Produktentwicklung (EN ISO 14971) eine wichtige Rolle.
„Reaching International Markets“: Mit dem Roboterarm im OP
Ein Instrument im OP-Saal, das ohne Hände benutzt werden kann? Das RoboticScope von BHS Technologies ist das erste Operationsmikroskop, das Chirurgen vom statischen Mikroskop entkoppelt und mehr Bewegungsfreiheit bringt. Mit Hilfe eines Roboterarms passt sich das Mikroskop automatisch den Kopfbewegungen der Chirurgen an. Werkzeuge müssen nicht mehr abgelegt und das Mikroskop neu ausgerichtet werden.
Der Nutzen: sichere Eingriffe durch optimierte Ergonomie für Chirurgen und mehr Überblick während der Operation. Damit die Patientensicherheit dabei nicht leidet, spielen Standards eine entscheidende Rolle. Sie stellen sicher, dass „alle nach den gleichen Regeln spielen“ und sowohl bei Design und Herstellung von Medizinprodukten (ISO 13485) als auch beim Risikomanagement (ISO 1471) und dem Umgang mit medizinischem bzw. elektrischem Equipment keine unliebsamen Überraschungen auftreten.
Quantencomputer goes Wasserkocher
Standards spielen für das Start-up AQT besonders dann eine Rolle, wenn es mit IT-Partnern in technischer Hinsicht „eine gemeinsame Sprache“ finden will (ISO/IEC WD 4879 „Information technology – Quantum computing“). AQT hat sich darauf spezialisiert, Ionenfallen-Quantencomputer zu entwickeln, und ist das erste Start-up in Europa, das einen Quantencomputer in die Cloud bringt. Aufbauend auf mehr als 20 Jahren Forschung an der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte AQT einen auf Industriestandards basierenden Quantencomputer realisieren.
Der Nutzen: Der Computer benötigt keine Laborbedingungen, passt in einen Wandschrank und hat den Stromverbrauch eines Wasserkochers. Die Technologie kann dank hoher Rechenleistung die Entwicklung von neuen Medikamenten oder von Materialien mit geplanten Eigenschaften unterstützen.
„Developing Future Technologies“: Mikroplastik verlässlich und schnell finden
Die Purency GmbH macht Mikroplastik sichtbar. Die Lösungen des Wiener Unternehmens ermöglichen Laboratorien eine skalierbare Analyse von Mikroplastik. Die Ergebnisse sind von hoher Qualität und minimieren manuelle Nachbearbeitungen. Der Zeitaufwand für die Datenanalyse wird dadurch von Stunden auf etwa zehn Minuten reduziert. Die Purency GmbH schafft so die Basis, um Mikroplastik zu reduzieren.
Der Nutzen: Forscher können Aussagen über die Gefahren für Gesundheit und Umwelt besser treffen und Unternehmen ihre Risikobewertungen und Qualitätskontrollen besser durchführen. Seit 2019 sind Mitarbeiter von Purency GmbH in der internationalen Standardisierung dabei – im ISO/TC 61/SC 14/WG 4 „Characterization of plastics leaked into the environment (including microplastics) and quality control criteria of respective methods“.
„IEEE-Standards“: Forschung im Zeichen von Ethernet
Die TTTech Group ist Technologieführer für Sicherheitssteuerungen und Echtzeit-Netzwerke für Industrial IoT, mobile Maschinen, autonomes Fahren sowie für Luft- und Raumfahrtapplikationen. Seit 2003 ist das High-Tech-Unternehmen an Standardisierungsaktivitäten beteiligt, seit 2012 ist es Mitglied der IEEE 802.1-Arbeitsgruppe, die Automobil- und Industrienetzwerken ermöglicht, schnelle Ethernet-Technologie zu verwenden.
Der Nutzen: Mit dem TTTech-Know-how wurden interoperable und herstellerunabhängige Technologiestandards entwickelt. TTTech ist bei IEEE-Standardisierungsaktivitäten stärker denn je und trägt zu Schlüsselprojekten bei (IEEE P802.1Qcw, IEEE / IEC 60802, IEEE802.1DG).