Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2022 wurden knapp 45.000 Österreicherinnen und Österreicher mit der Diagnose Krebs konfrontiert, aktuell leben in unserem Land rund 400.000 Menschen mit Krebs. Am häufigsten wurden bösartige Erkrankungen von Prostata und Brust verzeichnet, die jeweils 30 Prozent der Fälle ausmachen, gefolgt von Lungen- und Darmkrebs.
Weltweit wird die Zahl der Krebsneuerkrankungen in den kommenden Jahren steigen, vor allem aufgrund des steigenden Anteils der älteren Bevölkerung.
An den interprofessionell besetzten Spezialzentren des Klinikum Wels-Grieskirchen wurden im Vorjahr knapp 280 Frauen und exakt 260 Männer mit der Erstdiagnose Brust- bzw. Prostatakrebs betreut.
„Der Einsatz modernster Diagnostik- und Therapieoptionen, individuelle und empathische Betreuung sowie eine ganzheitliche und langfristige Begleitung der Patienten zeichnen die Versorgung der Krebspatienten an unserem Schwerpunktkrankenhaus aus“, erklärt Sonja Heibl, Leiterin der internistischen Onkologie am Klinikum Wels-Grieskirchen und stellvertretende Leiterin des Tumorzentrums OÖ.
Neue Therapieperspektiven
Die Krebstherapie umfasst heute eine Bandbreite an Maßnahmen:
Die chirurgische Entfernung des Tumors ist oftmals der erste Schritt, insbesondere bei Gewebeneubildungen. Durch eine neoadjuvante Therapie kann es bereits vor dem Eingriff gelingen, die Tumormasse mittels Strahlen-, Chemo- oder Hormontherapie zu verkleinern. Im Rahmen einer Immuntherapie wird das Immunsystem stimuliert, die Krebszellen des Betroffenen zu erkennen und anzugreifen. Anders als zum Beispiel bei einer Chemotherapie richten sich bei einer gezielten Krebstherapie (targeted therapy) die Wirkstoffe gezielt gegen ausgewählte Angriffspunkte der Krebszelle. Grundlage dazu bilden die spezifischen Eigenschaften der Krebszelle, die an ihrem Wachstum beteiligt sind.
In der personalisierten Onkologie werden Behandlungen zunehmend individuell auf den Patienten und die spezifischen Eigenschaften des Tumors, sprich auf die individuellen Veränderungen im Erbgut der Tumorzelle zugeschnitten, was die Wirksamkeit der Therapie erhöht und Nebenwirkungen reduziert.
Zudem führen kontinuierliche Forschung und die Teilnahme an klinischen Studien zu neuen Erkenntnissen und verbesserten Behandlungsansätzen.
Therapiefortschritte bei Lungenkrebs
Mit 5.000 Neuerkrankungen pro Jahr reiht sich das Krankheitsbild unter die häufigsten Krebsarten in Österreich. In den letzten zwei Jahrzehnten konnten hier einschneidende Entwicklungen in der Behandlung erzielt werden.
Dazu zählen insbesondere die Immuntherapie, welche das körpereigene Immunsystem dazu bringt, Tumorzellen abzustoßen, sowie die gezielten Krebstherapie als maßgeschneiderte Behandlungsform, die gezielt das Wachstum des Tumors beeinflussen kann. Die innovativen Krebstherapien sind durch eine genomische Testung – das Profiling des Tumors – möglich geworden. Mittels Next Generation Sequencing kann die genetische Zusammensetzung des Tumors schnell, hochpräzise und kostengünstig molekularbiologisch analysiert werden.
Diese Technologie stellt neben der bildgebenden Diagnostik mittels MRT, CT und PET-Scans einen Schlüssel in der präziseren Lokalisierung und Charakterisierung von Tumoren dar. Werden zum Beispiel Genmutationen, die das Tumorwachstum fördern, entdeckt, können sie Angriffspunkte für eine zielgerichtete Therapie sein.
Drastisch verbesserte Heilungschancen
Heilungschancen und Lebensqualität der Patienten haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Etwa jede sechste Frau ist im Laufe ihres Lebens von Brustkrebs betroffen – dank Früherkennungsmöglichkeiten und innovativen Therapieoptionen können drei Viertel der Betroffenen heute dauerhaft geheilt werden.
„Die Erfolgsaussichten hängen dennoch maßgeblich von der Art der Erkrankung, dem Stadium bei Diagnosestellung und der individuellen Grundkonstitution des Patienten ab. Generell gilt, dass die Prognosen bei einer frühzeitigen Diagnosestellung deutlich besser sind als im fortgeschrittenen Zustand. So liegt, zum Beispiel, die Fünf-Jahres-Überlebensrate – ein Indikator zur Einschätzung des Krankheitsverlaufs – bei frühzeitiger Erkennung von Prostatakrebs bei etwa 98 Prozent“, konstatiert die Expertin.
Vorbeugung und Vorsorge
Prävention und Früherkennung sind ausschlaggebend, um das individuelle Risiko einer Krebserkrankung zu verringern. Neben PSA-Test und Mammographie stellt in diesem Zusammenhang die Vorsorgekoloskopie ein beeindruckendes Beispiel dar:
Mit rund 4.500 Neuerkrankungen pro Jahr ist auch Darmkrebs eine der häufigsten Krebsformen. Durch die prophylaktische Untersuchung kann die Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert werden. Eine zeitgleich durchgeführte vorsorgliche Entfernung gutartiger Vorstufen kann den Ausbruch der Krebserkrankung überhaupt verhindern. Seit der Etablierung der Vorsorgekoloskopie hat sich in Österreich das Entstehen tausender kolorektaler Karzinome verhindern lassen.
„Um das individuelle Risiko einer Krebserkrankung zu senken, spielt der persönliche Lebensstil eine Rolle – vor allem eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, Vermeidung von Tabak und übermäßigem Alkoholkonsum sind ausschlaggebend. Durch die Kombination von Vorsorge, gesunder Lebensweise und frühzeitiger Erkennung können das Erkrankungsrisiko und die Sterblichkeitsrate vieler Krebsarten signifikant reduziert werden“, ergänzt Sonja Heibl abschließend.
Vorsorgeuntersuchungen
Österreichische medizinische Gesellschaften und Gesundheitsorganisationen empfehlen:
Prostatakrebs:
- Digital-rektale Untersuchung (DRU): ab 45 Jahren; jährlich
- PSA-Test (Prostata-spezifisches Antigen): ab 45 Jahren, bei familiärer Vorbelastung ab 40 Jahren; jährlich nach individueller Beratung
Brustkrebs:
- Mammografie: ab 40 Jahren; alle zwei Jahre (zwischen 45 und 74 Jahren alle 24 Monate „Einladung“ über das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm)
- Tastuntersuchung der Brust: ab 20 Jahren, keine Früherkennung im eigentlichen Sinn; jährlich
- Magnetresonanztomografie (MRT) der Brust: bei erhöhtem Risiko (z. B. BRCA-Mutation); nach individueller Risikobewertung
Darmkrebs:
- Stuhlkontrolle auf okkultes Blut: ab 45 Jahren; alle zwei Jahre
- Koloskopie (Darmspiegelung): ab 45 Jahren; alle sieben bis zehn Jahre, bei familiärer Vorbelastung oder erhöhtem Risiko früher und häufiger
Lungenkrebs:
Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Vorsorgeuntersuchung für Raucher:
- Low-Dose-CT (Computertomografie): für starke oder ehemals starke Raucher ab ca. 50 Jahren; Kosten sind Großteils privat zu tragen