Globales Gesundheitswesen vor fundamentaler Transformation

Der Wandel hin zu einem LIFEcare-Ökosystem vollzieht sich, laut Experten, schneller als erwartet.
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Globales Gesundheitswesen vor fundamentaler Transformation
Thomas Solbach, Autor der Studie und Partner bei Strategy& Deutschland.

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Die Gesundheitsbranche steht vor einer umfassenden Neuordnung: weg von der punktuellen Behandlung einzelner Erkrankungen hin zu einer kontinuierlichen Begleitung für ein gesundes Leben.

Während frühere Prognosen von einer vollständigen Umsetzung bis 2035 ausgingen, rechnet heute mehr als ein Drittel der befragten Pharma-Führungskräfte mit einer Transformation bereits bis 2030. Dies geht aus der aktuellen „Future of Health“-Studie von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, hervor.

Die darin ebenfalls befragten Konsument:innen geben an, dass insbesondere Prävention für sie immer wichtiger wird. Schon heute investieren Verbraucher:innen in den drei befragten Kernmärkten Deutschland, Großbritannien und den USA im Median 210 Euro pro Monat in ihre Gesundheit (Deutschland: 225 Euro; Großbritannien: 205 Euro; USA: 307 Euro). In Österreich werden 230 Euro im Monat für die eigene Gesundheit ausgegeben.

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Neben gesunder Ernährung und Sport sind laut Studie Gesundheitstracker sowie Genanalysen relevante Maßnahmen für die gesundheitliche Vorsorge.

Das Marktpotenzial für präventionsorientierte Gesundheitsangebote in Europa und den USA schätzt die Studie in einem etablierten LIFEcare-Ökosystem auf rund 605 Mrd. Euro jährlich. Etwa die Hälfte davon entfällt mit 288 Mrd. Euro auf Europa. Deutschland (46 Mrd. Euro) und Großbritannien (54 Mrd. Euro) zählen zu den größten Einzelmärkten; in Österreich wird ein Potenzial von 5,2 Mrd. Euro pro Jahr prognostiziert.

Disruption in der Gesundheitsversorgung

Die befragten Führungskräfte identifizieren die größten Wertschöpfungspotenziale im LIFEcare-Ökosystem in digitalen Technologien und der intelligenten Nutzung von Gesundheitsdaten. Wearables, KI-gestützte Diagnostik und datenbasierte Plattformen ermöglichen zunehmend personalisierte Diagnosen und maßgeschneiderte Therapien.

Knapp 70% der Verbraucher:innen haben laut Umfrage bereits Zugang zu eigenen Gesundheitsdaten wie EKG, rund 40% sogar zu komplexen Daten wie Erbgutanalysen. Allerdings ist ein Großteil der Befragten noch zögerlich, wenn es darum geht, diese Daten auch zu teilen.

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Unter den befragten Führungskräften geben zugleich 56% an, dass gesellschaftliche Offenheit gegenüber neuartigen Gesundheitsangeboten ein wichtiger Faktor auf dem Weg zum LIFEcare-Ökosystem ist. Als weitere große Hürden werden regulatorische Vorgaben (51%), die fehlende Unterstützung durch die Politik und Versicherer (43%) sowie die aktuelle Struktur des Gesundheitssystems (39%) genannt.

„Im Gesundheitswesen blieb die große Disruption bislang aus – anders als etwa in der Telekommunikation mit dem Smartphone, im Einzelhandel mit großen Online-Anbietern oder im Bankwesen mit Fintechs. Ein deutlich verbessertes Verständnis der Humanbiologie sowie die Verfügbarkeit von Patientenprofilierungsdaten rücken diesen Moment nun aber in greifbare Nähe. Die Konvergenz von Krankheitsvorsorge und Krankheitsbehandlung sowie der klare Trend Richtung Prävention sind die wesentlichen Treiber dieses Wandels. Für viele Menschen rückt das Thema Vorsorge vor allem durch die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie sowie durch verstärkte Angebote und eine höhere mediale Präsenz von Präventionslösungen oder Gesundheitscoachings in den Vordergrund. Verbraucher:innen erkennen immer mehr den Wert der eigenen Gesundheit und sind offen für neue Angebote – allein die Zahlungsbereitschaft für Prävention liegt in Deutschland und Österreich bei fast 10% des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens. Insbesondere für Pharmaunternehmen gilt es deshalb, ihre Rolle im Ökosystem neu zu definieren, um einen aktiven und erweiterten Beitrag zu einer gesünderen Gesellschaft zu leisten, in der Krankheiten vorgebeugt wird, anstatt sie zu behandeln“, unterstreicht Thomas Solbach, Autor der Studie und Partner bei Strategy& Deutschland.

Portfolioerweiterungen

Um im entstehenden LIFEcare-Ökosystem erfolgreich zu sein, sollten Pharmaunternehmen ihre Portfolios laut Studie gezielt auf präventions- und gesundheitsorientierte Wachstumsfelder ausrichten und ausweiten.

Dazu gehört auch, bislang auf die Behandlung fokussierte Therapeutika in Richtung Vorbeugung weiterzuentwickeln. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen etwa sehen 55% der Führungskräfte Potential für einen präventionsgetriebenen Ansatz. Eine Einschätzung, die auch von den befragten Verbraucher:innen geteilt wird. Sie nennen vor allem Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie etwa Diabetes als Bereiche, in denen sie die größten Gesundheitspotentiale durch Vorsorgemaßnahmen ausmachen.

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Im Gegensatz dazu gehen die Vorstellungen im Bereich Onkologie auseinander. Während Führungskräfte Krebs weiterhin als eindeutiges Behandlungsfeld einstufen, glauben die befragten Verbraucher:innen hier an große Vorsorgepotentiale.

Als weiterer interessanter Umfrageaspekt stechen sogenannte Enhancements heraus. Implantierte Tracker, bionische Prothesen oder Genmodifikationen, die bis vor kurzem nach Science-Fiction klangen, gewinnen für immerhin 50% der Befragten an Bedeutung.

Trotz der enormen Potentiale sind viele Pharmaunternehmen bislang jedoch noch nicht für den disruptiven Wandel in Richtung LIFEcare-Ökosystem vorbereitet. Die befragten Führungskräfte identifizieren etwa verschiedene Lücken zwischen heute verfügbaren Fähigkeiten und den künftigen Anforderungen an ihr Geschäftsmodell sowie die interne Aufstellung ihrer Organisation.

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Besonders im Bereich Daten und Digitalisierung tun sich laut 82% der Führungskräfte signifikante Lücken auf. Unternehmen müssen daher schnell und mutig neue Angebote entwickeln und ihre Prozesse effizienter gestalten. Dabei können auch industrieübergreifende Kooperationen notwendig werden, etwa um Innovationen wie smarte Sportbekleidung, digital unterstützte Lebensmitteleinkäufe oder vernetzte Smart-Home-Diagnostik gemeinsam mit neuen Partnern voranzutreiben.

„Am Beispiel von Alzheimer zeigt sich, welches Potenzial eine mutigere Vision entfalten kann. Pharmaunternehmen konzentrieren sich aktuell vor allem auf die Verlangsamung des kognitiven Verfalls. Mit KI-gestützten Frühdiagnosen, gezielten Lifestyle-Interventionen und digitalen Therapeutika könnten sie jedoch entscheidend dazu beitragen, den Krankheitsausbruch hinauszuzögern und sich als führende Akteure für Gehirngesundheit und Longevity neu zu positionieren. Der Schlüssel zum Erfolg: Gesundheit nicht mehr nur als Krankheitsbehandlung zu verstehen, sondern als aktives, vernetztes Lebensmanagement“, ergänzt Thomas Solbach.

Nähere Informationen zur vollständigen Studie finden Sie hier.

https://www.strategyand.pwc.com

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