Allein in der EU werden pro Jahr 88 Millionen Tonnen noch essbarer Lebensmittel weggeworfen. Viele Initiativen sind aktiv, um diese Verschwendung zu verhindern, allerdings setzen die meisten dieser Bemühungen erst da an, wo es fast zu spät ist: sie finden Abnehmer, wenn sich das Lebensmittel bereits im Supermarkt und kurz vor dem Verderb befindet. Nun hat sich ein Forschungskonsortium mit Expertise in den Bereichen Supply Chain Management, Informations- und Kommunikationstechnik und Lebensmittelhandel zusammengetan, um gemeinsam ein Prognose-Tool zu konzipieren, welches einen Teil der Lebensmittelverschwendung bereits im Vorhinein abwenden soll. Eine Prognose-Methodik basierend auf Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) und der Verarbeitung unternehmensinterner sowie -externer Daten soll Angebot und Nachfrage auf regionaler Ebene besser in Einklang bringen und dafür sorgen, dass es erst gar nicht dazu kommt, dass sich große Mengen von Lebensmitteln zur falschen Zeit am falschen Ort befinden. Durch den frühen Eingriff in der Mitte der Lieferkette wollen die ForscherInnen die Verschwendung der Lebensmittel um bis zu 10% reduzieren.
Ostösterreich ist Pilotregion
Forschungspartner in dem von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft FFG für die nächsten drei Jahre geförderten Projekt „APPETITE“ sind die Fraunhofer Austria Research GmbH, TU Wien, WU Wien, Invenium Data Insights GmbH sowie IT-Power Services GmbH. Als Anwendungspartner aus dem Lebensmittelhandel, die ihre Daten zur Auswertung zur Verfügung stellen und den Algorithmus am Beispiel ihrer eigenen Lieferkette testen werden, sind die Handelsketten SPAR, Metro und Kastner mit im Team. Sie werden Daten aus der Region Ostösterreich bereitstellen, die von den ForscherInnen aufbereitet und analysiert werden. Für diese Pilotregion soll die Möglichkeit der Prognose durch datengetriebene Technologien demonstriert werden. Der Prototyp einer kollaborativen Prognose-Plattform, die Daten mittels KI in nahezu Echtzeit verarbeitet, ist das Ziel des Projekts.
Die Herausforderung
Die Grundlage des Datensatzes bilden die Kassa- und Logistikdaten der Projektpartner aus dem Lebensmittelhandel. So sehen die ForscherInnen, was in welchen Filialen verkauft wird. Allein auf Basis dieser Daten ließe sich zwar schon einiges für die Zukunft vorhersagen, jedoch hängen die zu erwarteten Verkäufe auch stark von externen Einflüssen, wie etwa dem Wetter, ab. Auch wenn sich viele Menschen an einem Ort aufhalten, beispielsweise wegen einer Veranstaltung. Um diese externen Faktoren zu berücksichtigen, wird das Konsortium auch Wetterinformationen und Mobilfunkdaten in das Modell mit einfließen lassen. Letztere verraten anonymisiert, wo sich große Menschengruppen bilden. Die Kombination dieser sehr heterogenen Daten ist dabei eine der größten Herausforderungen.
Rechtzeitig agieren
Erkennt die Handelskette rechtzeig den Bedarf, kann sie Lebensmittel dorthin umlagern, wo sie voraussichtlich gekauft werden und so vermeiden, dass sie an anderer Stelle übrigbleiben. „Das Prinzip der Prävention ist das, was das Projekt zu etwas Besonderem macht! Wir wollen schon im Vorfeld verhindern, dass es zu einer Verschwendung kommen wird und nicht dann erst Produkte retten, wenn es fast schon zu spät ist. Hierbei wollen wir insbesondere die Möglichkeiten neuartiger datengetriebener Technologien sowie die Berücksichtigung externer Daten prüfen. Das starke Konsortium ist hierbei ein wesentlicher Schlüsselfaktor“, erklärt Alexandra Birkmaier, die bei Fraunhofer Austria die Projektleitung innehat.
Lässt sich in der innerbetrieblichen Logistik nicht mehr rechtzeitig eingreifen, zum Beispiel, weil die Belieferung der Filialen für den Tag bereits abgeschlossen ist, so ist zumindest ein Informationsvorsprung gewonnen. Organisationen, die Lebensmittel retten, können dann bereits im Vorfeld informiert werden und die Ware bereits früher weitergeben.