Key-Facts:
- Aufsichtsratstätigkeit in Österreich heute anspruchsvoller und professioneller
- Vitamin B nicht mehr so wichtig für die Bestellung
- Frauenanteil binnen zehn Jahren verdoppelt
- mehr Diversität gewünscht
- Nachhaltigkeit Teil der Strategien
Die Auswertung der Studie ergibt, dass etwa Beziehungen zum Eigentümer für die Bestellung in den Aufsichtsrat heute eine geringere Rolle spielt als noch vor zehn Jahren. Dennoch war dies immer noch bei 28 Prozent der Befragten der Hauptgrund – 2011 waren es im Vergleich noch 48 Prozent.
Professioneller und komplexer
Gleichzeitig zeigt die Studie von Werner Hoffmann, Professor am Institut für Strategisches Management der WU Wien und Partner bei EY-Parthenon, der Strategieberatungsmarke der globalen Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, und Thomas Maidorfer vom Institut für Strategisches Management aber auch, dass die Aufgaben von Aufsichtsräten vielseitiger geworden sind und im Schnitt zehn Prozent mehr Zeit in die Arbeit investiert wird: für die Autoren ein klares Zeichen zunehmender Professionalisierung. „Aufsichtsratsarbeit ist in den letzten Jahren professioneller, gleichzeitig aber auch wesentlich komplexer geworden. Demgegenüber steht eine Vergütung der Aufsichtsratstätigkeit, die im internationalen Vergleich noch immer gering ausfällt, wenngleich es allgemein eine höhere Vergütung als vor zehn Jahren gibt“, resümiert Hoffmann. Unterstützt wurde die Studie von der B&C Privatstiftung, die über ihre Holdinggesellschaften an den österreichischen börsennotierten Industrieunternehmen AMAG Austria Metall, Lenzing und Semperit beteiligt ist und sich seit Jahren für die Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit einsetzt.
Diversität als Schlüsselkriterium für erfolgreiche Unternehmen
Auch wenn der durchschnittliche Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien in den letzten zehn Jahren im Schnitt verdoppelt werden konnte, sehen die Befragten den größten Handlungsbedarf beim Geschlecht, um Diversität sicherzustellen – gefolgt vom Alter und der Internationalität der Mandatsträger. „Oft reicht die Internationalisierung nicht über den deutschsprachigen Raum hinaus. Hier besteht noch erhebliches Verbesserungspotenzial“, so Maidorfer. Zudem brauche es auch eine Alters-Durchmischung, um neue Impulse für die Strategieentwicklung sicherzustellen.
Nachhaltigkeit: Neue Herausforderung
Die aktuellen Zahlen zeigen auch, dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile mehrheitlich in der Unternehmensstrategie verankert, und zu einer relevanten Komponente der Aufsichtsratsarbeit geworden ist. 83 Prozent der Unternehmen haben Nachhaltigkeit in ihre Gesamtunternehmensstrategie integriert. Für Herbert Ortner, Vorstandsmitglied der B&C Privatstiftung, haben die ESG-Kriterien – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – einen bedeutenden Stellenwert: „Der Aufsichtsrat spielt für den strategischen Wandel oft eine entscheidende Rolle. Die ESG-Kriterien gemeinsam mit dem Vorstand zu diskutieren und umzusetzen, stellt künftig eine der größten Herausforderungen für heimische Aufsichtsräte dar. Hier muss das Gremium mit seiner Expertise punkten, um dem Nachhaltigkeitsbestreben der Industrie entsprechend nachzukommen.“
Evaluierung von Effizienz und Arbeitsweise noch ausbaufähig
Der österreichische Corporate Governance Kodex sieht die systematische Evaluierung der AR-Tätigkeit in Form von jährlicher Selbstevaluierung und dreijähriger Fremdevaluierung vor. Obwohl die Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass dies die Wirksamkeit der Unternehmensaufsicht verbessern würde, wird dies von der Hälfte der befragten Unternehmen noch nicht so gehandhabt.
Erfreulich ist, dass der Aufsichtsrat mehr in die Strategiearbeit der Unternehmen eingebunden wird und dafür auch verstärkt neue Formate genützt werden. Auch digitale Technologien werden vermehrt zur Unterstützung der Aufsichtsrats-Arbeit verwendet. So zeigt sich etwa, dass die Verwendung elektronischer Medien zur Beschlussfassung im Vergleich zu 2011 um 69 Prozent zugenommen hat.
In Krisenzeiten ist der Aufsichtsrat gefordert
Drei Viertel der Befragten gaben an, sich in Krisenzeiten stärker mit operativen Themen auseinanderzusetzen und sogar 85 Prozent sehen sich bzw. ihre Unternehmen gut auf exogene Krisen vorbereitet. Nicht verwunderlich ist die mehrheitliche Einschätzung, dass seit COVID-19 das Risikomanagement generell an Bedeutung gewonnen habe und neue Risikoarten stärker im Fokus stünden als früher. Jedoch gaben nur knapp die Hälfte der Studienteilnehmer an, dass sich ihre Einschaltungsintensität seit der Pandemie erhöht habe. Einig sind sich so gut wie alle Befragten, dass es in Krisenzeiten die Aufgabe des Aufsichtsrats sei, die Resilienz des Unternehmens zu thematisieren und mit dem Vorstand zu diskutieren.
Über die Studie
Zur Befragung eingeladen wurden die Aufsichtsratsvorsitzenden der TOP 500 Unternehmen Österreichs zwischen Jänner und Mai 2021. 108 Unternehmen nahmen teil – das entspricht einem Rücklauf von 22 Prozent. Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer haben als Rechtsform eine AG. In einem Drittel der Fälle gibt es einen dominanten Eigentümer. Der Anteil der Familienunternehmen beträgt ca. 50 Prozent und knapp 30 Prozent der Unternehmen sind börsennotiert bzw. über den Kapitalmarkt finanziert. Fast die Hälfte der Unternehmen erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 500 Mio. Euro. Die Studie wurde von der B&C Privatstiftung gefördert und zuletzt auch bei einer Veranstaltung von EY in Wien präsentiert und ausführlich diskutiert.