Welche Immobilien braucht die Gesellschaft von morgen?

Im Rahmen unserer prominent besetzten Podiumsdiskussion ImmoLive warfen wir einen Blick in die Zukunft.
© Richard Tanzer
Flucht in die Sachwerte Walter Senk
Die TOP LEADER Stimme der Immobilienwelt: Walter Senk

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Unsere Gesellschaft verändert sich – einige sprechen sogar von einem kompletten Umbruch – neue Zeiten stehen uns bevor. In den vergangenen 18 Monaten hat sich jedenfalls viel getan. Wie wird sich das kurz- und vor allem langfristig bei den Immobilien zeigen?

Es diskutierten:

Evgeni Gerginski, Hawlik-Gerginski Architekten

Stefan Goigitzer, Coore Real Estate

Nikolaus Lallitsch, Raiffeisen Immobilien Österreich

Stefan Wernhart, EHL Gewerbeimmobilien

Ein „Glücksdorf“ in der Steiermark als Konzept für die Zukunft

Nikolaus Lallitsch eröffnet die Runde und erklärt das Konzept des „Glücksdorfs“, das auf seine Idee zurückgeht. Lallitsch sieht die Urbanisierung als „Megatrend“, als weltweite Bewegung. Aber: Parallel dazu gebe es eine Gegenbewegung „aus der Stadt hinaus in die grünen Ränder“, wo Menschen „das Echte, das Reine, das Beschauliche“ suchen und finden. Im Dreieck Lage-Leistbarkeit-Lebensqualität finden sich laut Lallitsch „viele Gegenden, gerade für junge Familien, auf der Suche nach dem Landleben“. Aber auch die ältere Generation, die „das tägliche eight-to-five“ nicht mehr brauche und „in dem Hamsterrad mitmachen“ wolle, werde in dem „Glücksdorf“ bedient: Keine Retortenstädte, sondern „neues Leben“ rund um bestehende Ortskerne, „rund um den Kirchenwirt und die Bank am Hauptplatz“, um der vorhandenen Infrastruktur neue Kraft zu geben. Die Raiffeisen habe in der Steiermark bereits einige Locations gefunden, wo dieses neue Konzept der Wohnmöglichkeit „als Hauptwohnsitz mit Lebensqualität“ greifen soll.

Welche Immobilien braucht die Gesellschaft von morgen? Walter Senk
„Immo-Inhaber wünschen sich in Büro-Gebäuden eine belebte Erdgeschoss-Zone, mit Co-Working-Cafes und Service-Office-Provider gleich innerhalb des Hauses”, so Stefan Wernhart.

Wie steht es um die Zukunft der Büro-Immobilien?

Stefan Wernhart analysiert die veränderte Nachfrage bei Büroflächen. Wernhart sieht durch die Pandemie einen „enormen Hemmschuh“, wobei sich gewisse Parameter in ihrer Bedeutung nicht ändern: „Die Lage war und bleibt wichtigstes Ausschlags-Kriterium. Von der Verkehrsanbindung bis zur Infrastruktur.“ Immer wichtiger werde der Nutzungs-Mix, sieht Wernhart: Immo-Inhaber wünschen sich in Büro-Gebäuden eine belebte Erdgeschoss-Zone, mit Co-Working-Cafes und Service-Office-Provider gleich innerhalb des Hauses. Die Tendenz gehe demnach weg vom „klassischen“ Büro-Immobilien-Gebrauch hin zu „flexiblen, lebendigen“ Gebäuden.

Kinderzimmer oder Extrazimmer fürs Home-Office?

Nikolaus Lallitsch zitiert Zahlen, wonach „jede Österreicherin, jeder Österreicher durchschnittlich auf 45 Quadratmetern“ wohnt. Das ist eine Herausforderung: Wohnen wird teurer, weil „wir mit dem Platz bestmöglich umgehen müssen“, das werde die Immo-Branche in der Zukunft definitiv begleiten.

Evgeni Gerginski ergänzt: Die Transformation der gewidmeten Gebäude – etwa neue Wohnungen in alten Bürobauten – finde bereits statt. Gerade in guten Lagen sei das „die logische Schlussfolgerung, daraus Wohnraum zu schaffen. Technisch ist das alles machbar.“

„Das ist tatsächlich das Gebot der Stunde: Städte innen verdichten, nach außen dünner werden“, sagt Nikolaus Lallitsch und nennt das Phänomen des „Schwimmreifens“, wo Speckgürtel-Zonen „sehr fett“ aufgerüstet würden. „Wir müssen die Idealnutzung von Innen nach Außen definieren, und aufhören die grüne Wiese zu betonieren“, appelliert Lallitsch.

Wie lassen sich die Erdgeschosse beleben?

Evgeni Gerginski sieht das „Aufwerten des Grätzls“ durch Zwischen- bzw. Neunutzung der Erdgeschosslokale nicht zwingend gebunden an die Architektur des jeweiligen Hauses. „Flexibilität“ und die Lage seien oft genannte Schlagworte, aber sie treffen den Kern, was die Nachfrage und die tatsächliche Nutzbarkeit betrifft.

Stefan Wernhart sieht eine „absolute Transformation der Bürofläche“. Der Begriff Home-Office alleine sei für sich genommen zu wenig. Der Bedarf an Bürofläche werde nicht sinken; vielmehr streben Unternehmen und Arbeitgeber jetzt nach vielfältig nutzbaren Flächen. Wernhart wirbt für das Verständnis des „hybriden Arbeitens“, mit modernen Raumkonzepten. Mitarbeiter wollen nicht grundsätzlich zuhause arbeiten – „als Arbeitgeber muss ich die Qualität meiner Flächen steigern, muss meinen Leuten Anreize bieten, wieder ins Büro zu kommen.“  Darin steckt sehr viel Potenzial für Immo-Entwickler, Eigentümer und Investoren, „leiwande Büros“ zu gestalten, sagt Wernhart.

Wernhart sieht bei Investoren einen klaren Trend: „Der Mitarbeiter und seine Gesundheit rückt immer stärker in den Fokus.“ Es brauche flexible Immobilien, deren Anpassung rasch umsetzbar sei müssen.

Was kommt auf das Immobilien-Management zu?

Nikolaus Lallitsch erkennt eine „sehr starke Solidarisierung“ in der Gesellschaft seit Ausbruch der Pandemie, nämlich ein „Aufpassen aufeinander“. Leider gebe es eine kleine Gegenbewegung jener, die „sich in die Hängematte legen“ und die Hand aufhalten. Lallitsch appelliert an die „Ideologie des Miteinander statt Egoismus“.

Lallitsch ergänzt: Der großvolumige Wohnbau der vergangenen Jahre ohne entsprechende Durchmischung („Stichwort Vorsorgewohnung“) habe Gottseidank ein Ende gefunden: „Es geht nicht mehr ums Bauen für die Vorsorge. Es geht ums Bauen fürs selbst-gerne-dort-Wohnen.“ Alleine in Graz, sagt Lallitsch, sei zu beobachten: Die „kleine und Kleinst-Wohnung“ als Ein-Zimmer-Immobilie werde vom Markt verdrängt und kaum noch gefragt.

„Bei den Gemeinnützigen sehen wir diese Durchmischung sehr wohl“, sagt Evgeni Gerginski und verweist auf Baupläne für neue Wohnungen („Stichwort ‚Village im Dritten‘), mit einem Wohnungsgrößen-Mix von Ein- bis Vierzimmer-Wohnung. „Die Stadt Wien geht hier mit gutem Beispiel voran“, lobt Gerginski die Stadtverwaltung und ihre Vorgabe in der Bauordnung, für gemixte Wohnformen zu sorgen.

Was kann die Immobilie von morgen?

„Welche Eigenschaft muss die Immobilie der Zukunft haben?“ – so lautet die Schlussfrage in die Runde.

Stefan Goigitzer meint für Handelsimmobilien: „Flächen sind ja grundsätzlich vorhanden. In diesen Häusern muss ich größtmögliche Flexibilität schaffen“ – dabei seien aber vorrangig die Eigentümer gefragt. „Mehr gemeinsam, mehr fürs gesamte Grätzl“, appelliert Goigitzer für weniger Alleingänge.

Stefan Wernhart fasst sich kurz: „Smart, Community-fähig und nachhaltig“ müsse das Haus von morgen sein.

Nikolaus Lallitsch erinnert an das Dreieck aus „guter Lage mit Erreichbarkeit und gesunder Umgebung, Leistbarkeit und Lebensqualität“ – nur jene Immobilie, welche diese Kriterien erfüllt, werde künftig gefragt sein.

Evgeni Gerginski schließt: Zukünftige Gebäude müssen „klimafit und energetisch autark“ gebaut werden – da brauche es „sehr viel starke Überzeugungsarbeit“ Richtung Investoren und Vorgaben des Gesetzgebers. „Die kommen, da bin ich mir sicher.“

Weitere interessante Artikel zum Thema Immobilien sowie die gesamte Podiumsdiskussion in schriftlicher Form finden Sie auf www.immobilien-redaktion.com.

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