Warum sich grüner Transport doppelt lohnt

Wer bei der Logistik auf Kooperation setzt, schont das Klima. Dass beim Überwinden von Firmen- und Ländergrenzen auch spannende neue Geschäftsfelder entstehen, ist allerdings in der Branche noch zu wenig bekannt. Doch der Gedanke zieht immer weitere Kreise.
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Warum sich grüner Transport doppelt lohnt

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KMU bilden das Rückgrat der Wirtschaft. Auch für das Erreichen der Klimaziele ist ihr Engagement unerlässlich. Da kleine Betreiber 99 Prozent der Unternehmen im europäischen Straßengüterverkehr ausmachen, spielen sie eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung von CO₂-Emissionen. Das zeigt eine Studie der Kühne Logistics University in Hamburg. In Zahlen ausgedrückt: In Europa gibt es mehr als 500.000 Transportunternehmen, 99 Prozent von ihnen sind KMU mit weniger als 50 Beschäftigten. Zwei Drittel dieser Spediteure betrachten die Dekarbonisierung des Güterverkehrs als prioritär, gleichzeitig sehen viele im Klimaschutz aber keinen Geschäftsvorteil. Der Handlungsbedarf aus Sicht des Klimaschutzes ist dennoch groß. Immerhin wird bis 2050 mit einer Zunahme des europäischen Straßengüterverkehrs um fast 50 Prozent gerechnet.

BRINGT KLIMASCHUTZ AUCH PROFIT?

Ist „grüne“ Logistik – wie viele Spediteure meinen – also nur ein Kostenfaktor? Lässt sich daraus wirklich kein profitables Geschäftsmodell entwickeln? Oder entstehen gerade erst durch nachhaltiges Agieren neue Verdienstchancen, die im Moment nur noch nicht für alle sichtbar sind? Michael Stockinger, verantwortlich für Sales, Marketing und Innovation bei der Stranzinger Gruppe, wird die dritte Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten. Denn in den nächsten vier Jahren arbeitet das Unternehmen mit Expertise in den Bereichen Logistik, Verpackung, Transport und Aufbewahrung daran, den Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent zu reduzieren und gleichzeitig die Effizienz in der Logistikkette um bis zu 30 Prozent zu steigern.

Dort, wo nicht kooperiert wird, entstehen Verluste. Michael Stockinger, Stranzinger Gruppe

Wie das funktionieren soll? „Wir geben den Sendungen eine eigene Identität, und sie suchen sich selbst den besten Weg von A nach B“, erklärt Stockinger. Und zwar mit der schnellsten Geschwindigkeit, den geringsten Kosten oder der höchsten CO₂-Einsparung. Was im Moment noch ziemlich futuristisch klingt, ist ein Projekt mit dem Namen „ PhysICAL“, welches die Forschungseinrichtung Fraunhofer Austria mit der Stranzinger Gruppe und weiteren 16 Partnern verfolgt.

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GEMEINSAM EFFIZIENTER

GEMEINSAM EFFIZIENTER

Der Schlüssel für diese fast revolutionäre Neugestaltung der Logistikketten liegt in der Kooperation der verschiedenen Dienstleister. „Denn dort, wo nicht kooperiert wird, entstehen Verluste“, weiß Stockinger. Derzeit würden viele Spediteure noch keine Infos über ihre Ladung teilen wollen. „Diese Nicht-Kommunikation wollen wir ändern und Transportwege auf einer offenen Plattform anbieten“, sagt Stockinger.

MEHR EFFIZIENZ IM E-COMMERCE

Die Stranzinger Gruppe ist in „PhysICAL“ mit dem eigenen Use Case „Supply Chain 3.0“ vertreten, eine der wesentlichen Säulen des Forschungsprojektes. Lagerung, Transporte und IT-Lösungen für produzierende KMU sollen gemeinsam abgewickelt und der E-Commerce dadurch wesentlich effizienter gestaltet werden. Damit verspricht man sich eine Effizienzsteigerung in der gesamten Logistikkette um bis zu 30 %. Doch grüne Logistik ist bereits jetzt mehr als Zukunftsmusik. Wie klimaschonende Zustellung funktioniert, zeigt etwa die Österreichische Post. „Seit 2011 stellen wir alle Briefe, Werbesendungen, Zeitschriften und Pakete in Österreich CO₂-neutral zu. Bis 2030 wollen wir auf der letzten Meile sogar komplett CO₂-frei sein“, betont Post-Generaldirektor Georg Pölzl. Einen großen Anteil am Erfolg der Klimaschutzmaßnahmen der Post hat die E-Flotte, die mit mehr als 2.100 Fahrzeugen die größte E-Flotte Österreichs ist. In Graz wird damit schon heuer die letzte Meile der Zustellung emissionsfrei. Bis 2030 soll das in ganz Österreich umgesetzt sein.

Auch Gebrüder Weiss hat zu Beginn des Jahres ein Pilotprojekt gestartet. Mit einem Wasserstoff-Lkw, der in der Schweiz zum Einsatz kommt, spart das Unternehmen rund 80 Tonnen an CO₂-Emissionen pro Jahr. „Wir wollen mit dieser Technologie Erfahrungen sammeln, um einen möglichen breiten Praxiseinsatz vorzubereiten“, sagt Wolfram Senger- Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Gebrüder Weiss. Der Wasserstoff- Lkw ist für den Transport von rund 25 Tonnen Ware ausgelegt, die Reichweite beträgt rund 600 Kilometer.

DAS POTENZIAL DER WASSERSTRASSEN HEBEN

Eine Transportmöglichkeit mit beachtlichem CO₂-Einsparungspotenzial fristet, zumindest in Österreich, derzeit ein Schattendasein. Die Rede ist von der Binnenschifffahrt. „Während ein Lkw zwischen acht und zehn Pkw transportieren kann, passen auf ein Binnenschiff bis zu 550 Autos. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich durch die Verwendung der Binnenwasserstraße für den Transport von Pkw bis zu 70 Prozent der Emissionen einsparen lassen“, erklärt Lisa Maria Putz, Leiterin des Kompetenzfelds „Sustainable Transport“ am Logistikum der Fachhochschule Oberösterreich. Im Rahmen des EU-Projektes „IW-NET“ forscht sie derzeit gemeinsam mit 26 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus neun EU-Nationen daran, wie Verkehr von der Straße auf den Wasserweg verlegt werden kann. Der Vorteil der Binnenschiffe liegt vor allem in der großen Transportkapazität und der Umweltfreundlichkeit. Ein Binnenschiff kann die Last von bis zu 280 Lkw transportieren und gilt – gemeinsam mit der Bahn – als das umweltfreundliche Transportmittel für den Gütertransport. „Binnenschiffe eignen sich zum Beispiel auch besonders für Spezialtransporte, also für große und schwere Güter. Auf der Straße ist dafür eine Vorlaufzeit von ein bis zwei Jahren nötig. Binnenschiffe mit ihrer Länge von 110 Metern können diese sogenannten „High and Heavy“- Transporte problemlos durchführen“, sagt Putz.

Das Potenzial der umweltfreundlichen Wasserstraße ist enorm, da derzeit maximal 15 Prozent der vorhandenen Kapazitäten an der Donau auch tatsächlich genutzt werden. Ein Grund, warum der Wasserweg in Österreich nicht verstärkt genutzt wird, ist die komplexere Organisation von Transporten und das dafür notwendige Wissen. „Die Zukunft für eine Entwicklung der Donau sehe ich im Containertransport. Deutschland ist dafür schon fit, an der Donau stecken Containertransporte noch in den Kinderschuhen“, meint die Expertin. In europäischen Städten wie Paris oder Amsterdam verteilen Binnenschiffe sogar innerstädtisch Waren und beliefern Supermärkte. Ein Beispiel, das auch in Wien für Furore sorgen könnte.

Autor/in:
MARKUS MITTERMÜLLER

Ersterscheinung: https: //www.die-wirtschaft.at

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