Die neuerliche politische Krise in Frankreich, ausgelöst durch den Rücktritt von Premierminister Sebastien Lecornu, geht einher mit einer Phase extremer wirtschaftspolitischer Herausforderungen im Land. Die öffentliche Verschuldung und das Haushaltsdefizit steigen, während die anhaltende politische Instabilität Reformen erschwert.
„Schuldenkaiser“ Europas mit Ausgaben- und Einnahmenproblem
Die Staatsverschuldung Frankreichs zeigt seit 2021 eine deutliche Tendenz nach oben, betrug im ersten Quartal 2025 114 % und wird für heuer laut Schätzungen rund 116 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Indessen lag das Haushaltsdefizit 2024 bei etwa 5,8 % des BIP, nach 5,4 % im Jahr 2023.
Zum Vergleich: Die Schuldenlast Österreichs, gemessen am BIP, beträgt aktuell knapp 85 % und in Deutschland liegt sie leicht über 63 %. Frankreich gehört gemeinsam mit Italien und Griechenland zu den „Schuldenkaisern“ Europas. Allerdings schafft es Griechenland seit Jahren, den Schuldenberg sukzessive abzutragen.
„Frankreichs hat über Jahrzehnte ein umfangreiches Sozial- und Staatsleistungsmodell aufgebaut. Gesundheitsversorgung, Renten, Arbeitslosigkeit, öffentliche Dienste sind großzügig. Diese Leistungen belasten das Budget besonders in Zeiten schwächerer Konjunktur erheblich“, erklären die Experten Christian Sajowitz und Karl Freidl, Leiter Private Banking Wien sowie Graz, von der Steiermärkischen Sparkasse.
Wenn das Wachstum nicht stark genug ist, um zusätzliche Einnahmen zu generieren, etwa durch Steuern auf Einkommenszuwächse, steigen Schulden- und Defizitquoten, weil sich das Verhältnis von Ausgaben zu Steuereinnahmen verschlechtert. Um Schulden und Defizite zu senken, wären eine Reihe unpopulärer Maßnahmen nötig: Kürzungen, Steuererhöhungen oder tiefgreifende Strukturreformen.
Steigende Fremdkapitalkosten
Wenn Märkte das Risiko einer anwachsenden Verschuldung sehen, fordern sie höhere Zinsen. Frankreichs Anleiherenditen sind unter Beobachtung – und die Spreads gegenüber deutschen Bundesanleihen steigen. Höhere Zinsen steigern wiederum die Zinslast, was den Schuldendienst verteuert und weniger Spielraum für andere Ausgaben lässt.
Ein großer Teil des Staatshaushalts fließt in Zinszahlungen für bereits bestehende Schulden. Das limitiert die Möglichkeiten für öffentliche Investitionen oder soziale Ausgaben.

Die in den letzten eineinhalb Jahren wechselnden Regierungen unter Staatspräsident Emanuel Macron versuchten Sparmaßnahmen oder Steuererhöhungen zu initiieren. Die Folge war aber immer wieder massiver Widerstand von Oppositionsparteien, Gewerkschaften oder Teilen der Bevölkerung. Es weht also ein heftiger politischer Gegenwind, weil die geplanten Maßnahmen – ähnlich wie in Österreich – Mehrbelastungen für Bürger und Verminderungen öffentlicher Dienstleistungen bedeuten. Die politische Unsicherheit erschwert außerdem eine langfristige Planung.
Zudem steht Frankreich unter dem Druck der EU-Fiskalvorgaben. Die Europäische Union hat gegen Frankreich und weitere sechs Länder im Juni 2025 ein Defizitverfahren eingeleitet. Diese müssen nun konkrete Sparmaßnahmen vorlegen. Das fordert Disziplin, birgt aber das Risiko, dass notwendige Investitionen oder Reformen unterlassen werden, um kurzfristige Zielvorgaben zu erfüllen.
Auswirkungen auf den Euroraum
Frankreich ist nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft im Euroraum. Probleme in Frankreich haben daher Effekte auf den Euroraum. Wenn Investoren das Vertrauen in Frankreichs Fähigkeit zur Schuldenkontrolle verlieren, könnten die Risikoaufschläge für das Land weiter steigen – was wiederum das Zinsniveau in Frankreich und eventuell auch in anderen Ländern mit schwächeren Bewertungen erhöhen kann.
Höhere Zinsunterschiede innerhalb des Euroraums, etwa zwischen Frankreich und Deutschland, können zu Spannungen in der Geldpolitik führen.
Wenn zum Beispiel Frankreich stärker belastet wird, während Deutschland geringere Zinssätze hat, entsteht Druck auf gemeinsame Mechanismen zur Risikoabschirmung wie den Europäische Stabilitätsmechanismus ESM. Dieser hat die Aufgabe, überschuldete Mitgliedstaaten der Eurozone durch an Reformbedingungen geknüpfte Kredite und Bürgschaften zu unterstützen. Er ist damit Teil des Euro-Rettungsschirms.
Außerdem kann das Beispiel Frankreichs bei anderen Ländern als Referenz dienen – entweder als Warnsignal oder als Ausrede, eigene Reformen zu verschieben. Auch europäische Banken, die französische Staatsanleihen halten, sind indirekt betroffen. Steigende Renditen, Abwertungen oder Kreditrating-Herabstufungen könnten deren Bilanz belasten.
