Jeder vierte Österreicher besitzt bereits Wertpapiere. Am beliebtesten sind ETFs gefolgt von Aktien. Das ergab das aktuelle “Aktienbarometer” (Umfragesample 2.000, Schwankungsbreite +/- 2,2%), in dem Marktforscher Peter Hajek im Auftrag von Aktienforum, Industriellenvereinigung (IV) und Wiener Börse im Jänner das Anlageverhalten in Österreich erhob. Österreich ist zwar nach wie vor eine starke Sparbuch-Nation, es wird aber immer stärker diversifiziert. Vor drei Jahren lag der Anteil der Wertpapierbesitzer bei einer Kapitalmarktumfrage von Hajek noch bei lediglich 14 Prozent. Und: Fast ein Viertel jener, die noch keine Wertpapiere besitzen, haben grundsätzlich Interesse an einem Investment signalisiert und 80 Prozent der Aktienbesitzer wollen in weitere Papiere investieren.
Entgegen dem Klischee
Spannend ist auch die Frage nach dem typischen Wertpapierbesitzer in Österreich. So legen 32 Prozent der Männer ihr Geld auf diese Weise an, aber auch schon fast jede fünfte Frau. Das Klischee, dass Wertpapiere nur für Menschen mit sehr hohem Einkommen interessant sind, bestätigte sich in der Befragung nicht. Rund die Hälfte der Befragten gab an, monatlich weniger als 3000 Euro netto zu verdienen. Abgefragt wurden erstmals auch die Präferenzen hinsichtlich politischer Parteien. Besonders viele Aktienbesitzer finden sich demnach unter den Wählern der Grünen und der NEOS. Im Bundesländervergleich sticht mit Oberösterreich ein Bundesland mit starker Industrielandschaft und vielen börsennotierten heimischen Unternehmen hervor. “Das Aktienbarometer 2023 zeigt deutlich, dass Wertpapiere in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind – um diese positive Entwicklung weiter zu fördern, braucht es jetzt deutliche Anreize, denn es gilt in der Altersvorsorge und in der grünen Transformation zwei große Herausforderungen zu meistern”, sagt Robert Ottel, Präsident des Aktienforums.
Wertpapiere als Vorsorge
Österreich wird immer älter und das wird nicht nur für den Arbeitsmarkt die zentrale Herausforderung für die kommenden Jahre. Es ist auch ein großes Problem für das Umlagen finanzierte Pensionssystem. „Hier gilt es jetzt alle Register zu ziehen, denn eine Altersvorsorge ist klarerweise immer ein Langzeitinvestment. Insbesondere bei Frauen ist private Altersvorsorge eine zentrale Säule, denn derzeit liegt die Höhe der Pensionsbezüge durchschnittlich rund 41 Prozent unter jener der Männer, was unter anderem auch der hohen Teilzeitquote geschuldet ist”, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. „Dass auch immer mehr Frauen ihr Geld in Wertpapieren anlegen, ist insofern eine sehr positive Entwicklung, die unterstützt werden sollte. Auch gesamtgesellschaftlich ist die stärkere Beteiligung der Bevölkerung am Aktienmarkt eine gute Sache, da sie eine aktive Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung ermöglicht und so auch das Verständnis für Unternehmertum stärkt”, so Neumayer.
Financial Literacy
Die Rezepte, die diese Entwicklung fördern würden, liegen längst am Tisch. Heuer haben beim Aktienbarometer wieder 72 Prozent jener, die noch keine Wertpapiere besitzen, angegeben, zu wenig über den Markt zu wissen. „Mit der besseren Integration von Finanzbildung in die Lehrpläne der Schulen und einem breiten außerschulischen Angebot kann man hier gezielt gegensteuern und die Ergebnisse des Barometers zeigen, wie groß der Bedarf ist”, sagt Ottel.
Steuerliche Anreize
Gleichzeitig ist die Kapitalertragssteuer, die auf Aktiengewinne anfällt, mit derzeit 27,5 Prozent im internationalen Vergleich sehr hoch. Österreich gehört laut einer Economica-Studie aus 2022 zu einem sehr kleinen Kreis an Staaten, die Wertzuwächse ohne Ausnahmebestimmungen besteuern. „Österreich ist praktisch das einzige Land, das gar keine Anreize auf Kapitalerträge setzt. Gerade in Hinblick auf die Altersvorsorge ist das nicht mehr zeitgemäß”, sagt Ottel und pocht auf die rasche Umsetzung der von der Regierung bereits angekündigten steuerlichen Begünstigung von Wertpapiergewinnen für die Altersvorsorge. Die Idee: Werden Aktien einen bestimmten Zeitraum gehalten, entfällt bei einem Verkauf nach dieser Frist die Kapitalertragssteuer auf die Gewinne. Vergleichbare Modelle gibt es bereits in Ländern wie Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Slowakei, Slowenien, Tschechien, den USA oder Japan. „Das würde langfristige Anlagestrategien zur finanziellen Vorsorge unterstützen, kurzfristiges, spekulatives Verhalten aber weiterhin besteuern”, erklärt Ottel.
Grüner Kapitalmarkt
Das wachsende Interesse an Wertpapieren in Österreich ist nicht zuletzt auch eine gute Nachricht für große Zukunftsfragen. Die grüne Transformation und entsprechende Innovationen erfordern hohe Investitionen, die der öffentliche Sektor und der Bankensektor nicht alleine stemmen können. Der Stärkung des Eigenkapitals innovativer Unternehmen kommt daher eine entscheidende Rolle zu und die Basis dafür ist ein selbstbewusster europäischer Kapitalmarkt mit ausreichender Liquidität. „Bei Nachhaltigkeitskriterien nimmt Europa eine Vorbildfunktion für die ganze Welt ein. Um die Industrie bei der notwendigen und teuren Transformation entsprechend zu unterstützen, ist es aber wichtig, nicht nur bereits in allen Aspekten grüne Werte zu berücksichtigen”, sagt Neumayer. Wenn es gelinge, sich hier in der EU auf einen gesamtheitlichen Ansatz zu verfolgen, trage der Kapitalmarkt in Europa entscheidend zur Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Standortes bei.
Mehr Informationen zum Aktienbarometer finden Sie unter iv.at