Wenn Raumsonden durch das eisige Vakuum des Alls reisen oder Elektronik in der Krebstherapie intensiver Strahlung standhalten muss, sind besondere Technologien gefragt.
Genau für solche Extrembedingungen entwickelt und testet die FH Wiener Neustadt (FHWN) ab sofort elektronische Bauteile unter realitätsnahen Bedingungen – mit einem neuen Hochleistungskryostaten, der Bedingungen wie im Weltraum oder in kryogenen Forschungslaboren simulieren kann. Dadurch können anwendungsnahe Fragestellungen aus den Bereichen Raumfahrt, Quantenforschung und Strahlenhärtung von Elektronik untersucht werden.

„Mit dem neuen Kryostaten können wir elektrische, hochfrequente und optische Eigenschaften von Materialien und Bauteilen bei tiefen Temperaturen bis zu 3,5 Kelvin analysieren. Das entspricht -269,65°C – also nur knapp über dem absoluten Nullpunkt. Das eröffnet uns vielfältige Möglichkeiten in der angewandten Forschung“, erklärt Christian Koller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Electrical Engineering und CSCT-Kompetenzzentrum.
Funktionalität und Finanzierung
Der Kryostat, der von einem siebenköpfigen Team innerhalb von zwei Tagen aufgebaut wurde, besteht aus einem vakuumisolierten Bereich, in dem die Proben thermisch abgeschirmt und vor äußeren Wärmeeinflüssen geschützt sind. Durch ein spezielles Kühlsystem mit Heliumgas wird dieser Bereich schrittweise auf tiefe Temperaturen heruntergekühlt.
Das Verfahren ähnelt dem Prinzip einer Wärmepumpe: Helium wird expandiert und entzieht der Probe so Energie, bevor es in einem geschlossenen Kreislauf wieder kondensiert.
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Mehr InformationenFinanziert wurde das Gerät mit Unterstützung des Landes Niederösterreich im Rahmen der FTI-Infrastrukturinitiative der Gesellschaft für Forschungsförderung (GFF), ergänzt durch Mittel der FH Wiener Neustadt.
Der Kryostat steht künftig auch externen Partnerinnen und Partnern zur Verfügung: Bereits jetzt sind Kooperationsprojekte mit der TU Wien, MedAustron und dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Planung.
Extrembedingungen im Fokus
Der Kryostat eröffnet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Forschung: Er wird genutzt, um das Verhalten von Elektronik unter extremen Kältebedingungen zu analysieren – etwa für den Einsatz im Weltraum. Besonders spannend ist seine Rolle in der Quantentechnologie, denn viele Quanteneffekte zeigen sich erst bei tiefen Temperaturen.

„Quantencomputer könnten in Zukunft Berechnungen ermöglichen, für die herkömmliche Computer Jahrzehnte brauchen würden – und das in kürzester Zeit. Damit das funktioniert, braucht es Kontrollelektronik, die bei extremen Temperaturen zuverlässig arbeitet. Genau daran forschen wir mit dem Kryostaten“, unterstreicht Christian Koller.
Gleichzeitig ermöglicht der Kryostat die Untersuchung von Strahlenschäden an elektronischen Bauteilen, wie sie durch hochenergetische Teilchen entstehen – etwa im Rahmen von Raumfahrtmissionen oder in der Krebstherapie.
„Dank der niedrigen Temperaturen lassen sich kleinste Störstellen im Kristallgitter anregen und untersuchen – genau jene, wie sie durch Bestrahlung verursacht werden“, ergänzt Wolfgang Treberspurg, Leiter des CSCT-Kompetenzzentrums.
Praxisnahe Lehre
Auch im Unterricht soll das neue Gerät zum Einsatz kommen. Studierende aus dem Master-Studiengang „Aerospace Engineering“ sowie dem Bachelor-Studiengang „Mechatronik“ werden im Rahmen von Lehrveranstaltungen praxisnah an Themen wie Weltraumtechnologien und dem Einsatz von Elektronik unter extremen Temperaturbedingungen herangeführt – ein wichtiger Beitrag zur forschungsgeleiteten Lehre an der FHWN.
Durch inhaltliche Überschneidungen, etwa in der Messtechnik und Instrumentierung, wird der Kryostat auch für weitere technische Studiengänge eine Rolle spielen.