Die rasanten Energiepreissteigerungen der letzten Monatewachsen sich vor allem für die energieintensiven Bereiche in der Industrie zunehmend zu einer Existenzbedrohung aus. So haben sich beispielsweise die Gaspreise seit Beginn der Covidkrise vor zwei Jahren verfünffacht. Der Ukrainekrieg hat die Situation zusätzlich verschärft.
Produktionsstopps stehen im Raum
Zahlreiche Unternehmen agieren bereits im Krisenmodus. Sogar die Möglichkeit von Produktionstopps steht im Raum. Daher werden die Rufe nach einer sogenannten Strompreiskompensation immer lauter. Seitens der EU gibt es für dieses Steuerungsinstrument längst grünes Licht. Und in dreizehn Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland und Italien, wird diese Art der Beihilfe für stromintensive Unternehmen zur Kompensation indirekter CO2-Kosten auch bereits angewandt.
Was bringt eine Strompreiskompensation?
Wie die Strompreiskompensation dort funktioniert? Dafür braucht es einen kurzen Blick in die jüngere Vergangenheit. Um ihre Klimaschutzziele zu erreichen, legt die EU seit 2005 fest, wie viel Treibhausgasemissionen Unternehmen ausstoßen dürfen. Dafür werden entsprechende Zertifikate ausgegeben. Braucht ein Unternehmen mehr, kann es welche im Rahmen des Europäischen Emissionshandels zukaufen.
Strompreiskompensation
Dieser Handel folgt den Spielregeln des freien Markts. So fiel der Preis für Zertifikate zwischen 2011 und 2017 aufgrund von Überschüssen. Seither wurden die Vorgaben der EU aber verschärft. Als Folge stieg der Preis für die Zertifikate wieder und hat sich vervielfacht.
Dieser gestiegene CO2-Preis macht – wie beabsichtigt – Strom aus Kohle und Gaskraftwerken teurer. Als Folge geben die Betriebe diese CO2-Kosten an ihre KundInnen weiter – diese tragen damit „indirekt“ die CO2 Kosten. Unternehmen mit energieintensiven Produktionen wie Stahl-, Papier- oder Chemieindustrie, Maschinenbau und Metallverarbeitung, die im internationalen Wettbewerb stehen, trifft das besonders hart. Denn die Konkurrenz in anderen Staaten kennt diese politisch gewollten CO2-Kosten nicht.
Daher hat die Europäische Kommission Leitlinien erlassen, in deren Rahmen die Mitgliedsstaaten nationale Regelungen zur Kompensation dieser „indirekten CO2-Kosten“ erlassen können. Durch diese Strompreiskompensation kann die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen auf dem globalen Markt, die keine derartigen Kosten tragen müssen, erhalten bleiben. Auch Produktionsverlagerungen und somit ein Anstieg der CO2-Emissionen in Ländern außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (so genanntes Carbon Leakage) sollen dadurch verhindert werden.
In Deutschland gibt es eine derartige Strompreiskompensation in Form einer eigenen Förderrichtlinie für Beihilfen für Unternehmen aus energieintensiven Sektoren bereits. Diese Regelung könnte Vorbild für Österreich sein, drängt die heimische Industrie auf eine entsprechende Entlastung.
Reicht eine Strompreiskompensation überhaupt aus?
„Zusätzlich zu Herausforderungen, wie etwa Lieferkettenschwierigkeiten, fehlenden Rohstoffen und Personalengpässen, sehen sich die Betriebe jetzt mit überschießenden Energiekosten konfrontiert“, warnt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung. Die von der Bundesregierung angekündigte Senkung der Energieabgaben auf Gas und Strom auf die EU-Mindeststeuersätze stelle zwar kurzzeitig sicher, dass Betriebe Liquidität im Unternehmen halten können. „Damit allein ist es aber nicht getan“, unterstreicht der IV-Präsident seine Forderung nach einer Strompreiskompensation.
Zahlreiche Unternehmen stünden bereits mit dem Rücken zur Wand, wird gewarnt. Produktionsdrosselungen und Abschaltungen als letzter Ausweg sind bereits in einzelnen Fällen notwendig geworden. „Das hat direkte Auswirkungen auf die MitarbeiterInnen sowie die Regionen und belastet den Wirtschaftsstandort“, warnt Knill vor weitreichenden negativen Folgewirkungen.
Die Kosten für ein Strompreiskompensationsmodell nach deutschem Vorbild beziffert er mit rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Der Vorteil dabei: die Strompreiskompensation erhalten punktgenau jene Unternehmen, die sie am meisten brauchen und verteilt nicht Geld in Zeiten steigender Inflation mit der Gießkanne.
Darüber hinaus brauche es einen Dekarbonisierungsfonds zur Unterstützung der Transformation für Produktionsbetriebe. Er soll langfristig funktionieren und jährlich mit 300 Millionen Euro aus Einnahmen aus dem Emissionshandel gefüllt werden.
Autor: Klaus Höfler/Chefredakteur Fakt&Faktor
Erstveröffenlichung: Fakt&Faktor