Schon in früheren Krisen hat sich gezeigt, dass es vor allem die Fähigkeit zur Innovation ist die Unternehmen resilient gegenüber Krisen macht. Das bestätigt auch die brandaktuelle Studie „Innovation und Digitalisierung für die Zukunftsfähigkeit von KMU“. Darin haben sich ACR (austrian cooperative research) die Innovationsleistung und das Innovationsverhalten von KMU genauer angesehen.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben ihre Innovationsaktivitäten in den vergangenen Jahren messbar erhöhen können. Doch nicht immer erfolgen Innovationen auf Basis von Forschung und Entwicklung (F&E). Auch Unternehmen – häufig KMU –, die selbst keine F&E-Aktivitäten aufweisen, können erfolgreich innovieren. „Gerade in Krisenzeiten ist es für Unternehmen wichtig, in ihre eigene Zukunftsfähigkeit zu investieren und sich anzupassen“, sagt ACR-Präsidentin (und Unternehmerin) Iris Filzwieser.
Spezifische Problemlösungen
KMU mit technologischen Innovationsaktivitäten ohne systematische, interne F&E sowie KMU mit nicht-technologischen Innovationen stellen die größten Gruppen innovativer KMU dar. Innovationen basieren dabei häufig auf informellen Lern- und Erkenntnisprozessen, auf anwendungsnahem Erfahrungswissen, und entstehen aus dem normalen Produktionsprozess heraus sowie in Interaktion mit Kunden und Zulieferern. Es handelt sich meist um schrittweise Optimierungen und sehr spezifische Problemlösungen.
„Erfreulich ist, dass der Anteil der kleinen Unternehmen (zehn bis 49 Beschäftigte) mit Innovationsaktivitäten kontinuierlich angestiegen ist: von 49 Prozent im Jahr 2012 auf 58 Prozent im Jahr 2018“, sagt Studienautor Thomas Oberholzner von der KMU Forschung Austria. „Sie betreiben für ihre Innovationen jedoch weniger Forschung und Entwicklung und kooperieren seltener mit Forschungseinrichtungen als größere Unternehmen.“
Digitalisierung als Innovationsmotor
Die überwiegende Mehrheit aller Innovationen in KMU weist eine digitale Komponente auf: 75 Prozent bei Produktinnovationen und 94 Prozent bei Marketing & Vertriebsinnovationen.
Allerdings ist die Digitalisierung bzw. die digitale Technologie meist nicht der Hauptaspekt oder -Bestandteil der Innovation, sondern ist sehr häufig mit anderen Technologien oder Methoden verschränkt oder unterstützt diese. Die Digitalisierung steht also meist in Verbindung mit anderen Innovationsinhalten und muss jedenfalls einen konkreten wirtschaftlichen Nutzen haben.
84 Prozent der Klein- und Mittelunternehmen sind strategische Digitalisierer – diese zielen mit ihren Digitalisierungsmaßnahmen auf einen konkreten strategischen Wettbewerbsvorteil wie z.B. auf die Steigerung der Kosteneffizienz oder den Zugang zu neuen Kunden und Märkten ab. In Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wird die Relevanz digitaler Innovationen weiter steigen.
Ohne Innovationskultur keine Innovationsleistung
„Will man Innovationen, muss man sie ermöglichen, und zwar mit einem effektiven Innovationsmanagement“, unterstreicht ACR-Präsidentin Iris Filzwieser. Dies umfasst die Planung, Organisation und Steuerung der internen Prozesse für die Entwicklung und Verwertung von Innovationen sowie die Förderung der Kreativität, Motivation und Teamkooperation in Unternehmen.
Um die Innovationsperformance und Digitalisierung von KMU zu forcieren, muss das Fördersystem KMU vor allem bei jenen Innovationsarten unterstützen, bei denen diese Betriebe ihr Potenzial nicht vollständig ausschöpfen, ausreichend Unterstützung in den Bereichen Finanzierung und Qualifizierung bereitgestellt sowie die Zusammenarbeit zwischen KMU und Forschungseinrichtungen bzw. Hochschulen gestärkt werden.
Zwei Vorzeigebeispiele: Hirschmann und Rotax
Apropos Digitalisierung. Hirschmann Automotive – ein international tätiger Automobilzulieferer mit Hauptsitz in Rankweil (Vorarlberg) – setzt schon seit einigen Jahren digitale Technologien in der Fertigung ein. Das Unternehmen produziert und entwickelt Steckverbindungen, Kontaktierungs- und Sensorsysteme, Spezialkabel-Lösungen sowie Kunststoff-Um Spritzungen von diversen Kfz-Bauteilen und hat Werke in Österreich, Tschechien, Rumänien, Marokko, China, Mexiko und Deutschland.
„In den vergangenen Jahren sind die Reisekosten – auch durch unsere Expansion in verschiedensten Ländern und Regionen – enorm gestiegen“, erklärt COO Markus Ganahl. „Es hat viel Aufwand und Zeit gekostet, das nötige Experten-Know-how an Ort und Stelle zu bringen. Nicht zuletzt die Pandemie und die Reisebeschränkungen haben eine Remote-Lösung dringend notwendig gemacht.“
Mit NTT Austria hat man für die Realisierung eines Augmented Reality Projektes einen verlässlichen Partner gefunden. Zunächst lag dabei der Fokus auf dem Ausbau der vorhandenen Cisco-Collaboration-Infrastruktur und der Verwendung von Videokonferenztools im Unternehmen. Es wurde jedoch schnell klar, dass der Einsatz von Augmented-Reality-Lösungen vor allem in der Produktion notwendig ist. Die Entscheidung fiel schließlich auf eine Anwendung, welche den Cisco Webex Expert on Demand mit einer Datenbrille verbindet.
Höchst komplex tätig – rund um den Globus
„Oberste Priorität war es, mit der Brillentechnologie direkt an der entscheidenden Maschine arbeiten zu können“, erklärt Ganahl. Damit können nun komplexe Arbeiten an unterschiedlichsten Orten weltweit ausgeführt werden. Der jeweilige Experte kann so via Video Conferencing direkt mit dem Techniker in der Fertigungshalle Kontakt aufnehmen und ihn über die Datenbrille anleiten. Dadurch werden nicht nur immense Kosten eingespart, es werden auch die Reaktionszeiten beim Beheben von Fehlern erheblich gesenkt. „Mit der Datenbrille bleiben beide Hände des Technikers frei und die Geräuschkulisse ist durch den Einsatz von Headsets vernachlässigbar“, erläutert der Hirschmann Automotive COO. „Ein Mitarbeiter schließt sich mit den entsprechenden Experten kurz und kann gemeinsam mit Kollegen Fehlersymptome auswerten.“
Das Projekt ist durch die Kombination der Hardware „RealWear“ und Software von Cisco europaweit einzigartig. Durch das gemeinsame Erarbeiten einer passenden Lösung konnten die Experten von NTT schon zu einem frühen Zeitpunkt Software-Versionen im Beta-Stadium testen und gemeinsam mit Hirschmann Automotive laufend weiterentwickeln. Die Lösung ist nun schon seit mehreren Monaten im Einsatz und hat sich – trotz oder gerade wegen der pandemischen Einschränkungen – bewährt. „Ein weiterer Vorteil der Technologie ist es, Live-Bilder anderer Datenbrillen im Feld jederzeit abrufen und Erkenntnisse daraus gewinnen zu können“, sagt Dieter Ferner, Vice President Sales & Marketing bei NTT Ltd. in Österreich. „Es können auch Wartungspläne und Betriebsanleitungen direkt in die Brille projiziert werden. Dieses Projekt zeigt, dass es nicht immer hohe Investments und große Personalressourcen benötigt, um ein innovatives Projekt umzusetzen. Das kann auch für kleinere Unternehmen ein großer Anreiz sein, sich mit Augmented Reality Lösungen auseinanderzusetzen.“
Die Kooperation mit Hirschmann Automotive ist mit diesem erfolgreichen Rollout noch nicht zu Ende. Ferner: „Wir sehen noch sehr großes Potential in diesem Projekt und viele mögliche Anwendungsgebiete. Augmented Reality könnte auch im HR-Bereich noch gut eingesetzt werden, oder auch im Marketing, der Produktentwicklung und im Design. Von dieser Technologielösung kann nur profitiert werden. Wir freuen uns darauf, hier weitere Ideen zu entwickeln und gemeinsam aufzuzeigen, wie man Innovation in Industrieunternehmen umsetzen kann.“
Das erste Jahrhundert für Rotax
1920 mit einer innovativen Freilaufnabe für Fahrräder gestartet, hat sich das oberösterreichische Vorzeigeunternehmen BRP-Rotax heute als führender Hersteller von Hochleistungsantriebssystemen für den Powersportbereich fest am Weltmarkt etabliert. Im Februar des Jubiläumsjahres wurde ein Meilenstein in puncto Nachhaltigkeit präsentiert: das erste emissionsfreie Konzept-Schneefahrzeug auf Wasserstoffbasis, der Lynx HySnow. Kurz danach erreichte die Corona-Pandemie Österreich und aufgrund des Lockdowns kam es zum ersten Mal in der jüngeren Unternehmensgeschichte kurzfristig zu einem Produktionsstopp. Das Jahr der geplanten Feierlichkeiten wurde so – wie für viele heimische Betriebe – zum Ausnahmejahr.
Am Standort Gunskirchen produziert BRP-Rotax Antriebssysteme für den Powersportbereich – wie etwa für Schneeschlitten, Wasserfahrzeuge, Onroad- und Offroad-Fahrzeuge, Leicht- und Ultraleichtflugzeuge sowie Karts. Nordamerika, Europa und Australien zählen zu den wichtigsten Hauptmärkten, auch in Asien und Südamerika werden die Produkte immer stärker nachgefragt.
„Ganz im Sinne der letzten 100 Jahre war auch unser Jubiläumsjahr 2020 geprägt durch technologische Pionierleistungen und Erfolg“, sagt General Manager Wolfgang Rapberger. „Gleichzeitig stellte Covid aber natürlich auch unser Unternehmen vor neue, unerwartete Herausforderungen. Als Team Rotax blicken wir aber mit neuesten Technologien, höchster Agilität und vor allem rund 1.500 hochqualifizierten Mitarbeitern selbstbewusst in die Zukunft.“
Digitale Steuerung und kollaborative Robotik
Die Weichen für eine langfristig positive Umsatzentwicklung legte BRP-Rotax bereits 2012. Damals wurde mit „Gunskirchen 2020“ eines der größten Innovations- und Modernisierungsprogramme des Unternehmens gestartet. Sieben Jahre lang wurde massiv in den Ausbau des Standorts Gunskirchen und in die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung der Belegschaft investiert. Heute ist BRP-Rotax bestens vorbereitet für industrielle Produktionssysteme mit digitaler Steuerung und kollaborativer Robotik.
„Wir verfolgen weiterhin eine ambitionierte Wachstumsstrategie und sehen besonderes Potenzial in der weiteren Entwicklung von nachhaltigen Antriebstechnologien, der Digitalisierung und Agilität sowie in der kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter“, beschreibt Rapberger die Zukunftspläne des Unternehmens. Mit Leuchtturmprojekten wie dem Lynx HySnow samt Wasserstoff-Ökosystem baut der Betrieb bereits jetzt Kompetenzen für Antriebssysteme der Zukunft auf. Auch in Sachen „Elektromobilität“ konnte das Unternehmen 2020 Erfolge feiern: Die Deutsche Elektro-Kart Meisterschaft wurde Action-geladener Schauplatz für das neue E-Kart Projekt E20, mit dem innovativen Elektroantrieb von BRP-Rotax.
Von der Fahrrad-Freilaufnabe zum Marktführer im Powersport
1920 in Dresden gegründet, wurde die Freilaufnabe für Fahrräder zum ersten Erfolgsprodukt. Mit dieser Innovation mussten Radfahrer beim Bergabfahren nicht mehr in die Pedale treten. 1943 übersiedelte das Werk nach Oberösterreich und leistete nach dem Zweiten Weltkrieg mit Motoren für die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes. Die leistungsstarken und leichten Antriebssysteme wurden weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. In den 1960er Jahren stieß der kanadische Unternehmer Joseph Armand Bombardier auf der Suche nach passenden Motoren für seine Produkte auf das Gunskirchner Unternehmen. 1970 folgte die Übernahme durch den gleichnamigen Konzern. Seitdem wurde das Produktportfolio laufend erweitert und umfasst heute Antriebssysteme für Powersportfahrzeuge an Land, im Wasser und in der Luft.
2007 gründete BRP-Rotax zudem, in Kooperation mit dem Land Oberösterreich und der Oberbank, am Standort das Regionale Innovation Centrum – RIC. Als Innovations- und Forschungszentrum steht das RIC mit eigener ROTAX Academy für hochwertige und praxisorientierte Wissensvermittlung im Bereich der Digitalisierung und Robotik. Mit zahlreichen öffentlichen Aus- und Weiterbildungsprogrammen fungiert das RIC als Bildungsmotor der Region und ist zugleich Impulsgeber für innovative Produktions- und Antriebslösungen der Zukunft.