Rückgang bei den Insolvenzen schwächt sich ab. Ist die Talsohle erreicht?
Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat den aktuellen Trend bei den Firmeninsolvenzen für das 1. bis 3. Quartal 2021 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen ist um 29,4% und damit weiter zurückgegangen. Ein Blick in die Details zeigt aber, dass dieser Trend der letzten eineinhalb Jahre allmählich zu Ende gehen könnte. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist „nur“ mehr um 20% auf 1.234 gesunken. Im 1. Halbjahr hat der Rückgang bei den Eröffnungen allerdings noch 36,5% betragen. Betrachtet man nun allein das 3. Quartal 2021, so zeigt sich, dass die Zahl der eröffneten Verfahren um fast 30% angestiegen ist. Grund dafür dürfte das Auslaufen der Stundungen durch GKK und Finanzämter sein.
Dazu Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes Creditreform: „Aufgrund der verlängerten Hilfsmaßnahmen sind die Firmeninsolvenzen von einem historischen Tief zum nächsten gesunken. Jetzt zeigt sich, dass Österreichs Konjunktur sich nach dem starken Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie vor allem im 3. Quartal wieder sehr rasch erholt hat. Mit der Wiedereinsetzung der Insolvenzantragspflicht und der Beendigung der Stundungen kehrt man zur Normalität zurück und das führt auch wieder zu mehr Insolvenzen als in den Monaten zuvor.“
Die Insolvenzursachen liegen generell in Managementfehlern, im Wettbewerb (Preiskampf, sinkende Margen) sowie im Mangel an Kapital und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern. Wegen der bisher ausgebliebenen Großinsolvenzen sind sowohl die Insolvenzpassiva (ca. 440 Mio.) als auch die betroffenen Arbeitsplätze (ca. 4.200) stark rückläufig.
Bundesländervergleich
Den stärksten Rückgang verzeichneten Vorarlberg (-50,0%), Salzburg (-48,3%) und Kärnten (-46,9%).
Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit über 9 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit knapp 2 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten 5 von 1.000 Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten.
Branchenvergleich: Mehr Insolvenzen im Transportwesen
Am stärksten gingen die Insolvenzen im Tourismus („Beherbergungs- und Gaststättenwesen“) mit einem Minus von über 40% zurück, gefolgt von der Industrie („Sachgütererzeugung“) mit minus 38,1% und dem „Kredit- und Versicherungswesen“ mit minus 28,4%. Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit je 16 und im Transportwesen mit je 15 von 1.000 Branchenunternehmen.
Conclusio 1. bis 3. Quartal 2021 – Ausblick Gesamtjahr 2021
Die prolongierten staatlichen Hilfsmaßnahmen bremsen weiterhin die Insolvenzen ein und tragen viele Unternehmen durch die nach wie vor volatilen und herausfordernden Zeiten. Man merkt aber, dass es bei weitem nicht mehr alle Unternehmen schaffen und die Probleme, die diese vor der Pandemie hatten, nicht mehr durch billiges Geld und staatliche Hilfen übertünchen können. Sobald also die Corona-Unterstützungen beendet sind, werden die Insolvenzen langsam aber stetig wieder auf das in den letzten Jahren übliche Maß von rund 5.000 Verfahren im Jahr ansteigen.
Univ.-Prof. Walter Schwaiger von der TU Wien hat in einer Default Analyse für Creditreform über die Ausfallsrisiken der Unternehmen den so genannten Verhinderungseffekt – Insolvenzen, die durch die staatlichen Maßnahmen verhindert wurden – mit aktuell 0,68% der von ihm untersuchten Unternehmen beziffert. Umgerechnet auf die Gesamtzahl an heimischen Unternehmen bedeutet das, dass derzeit rund 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet wären, wenn die Unterstützungen beendet würden.
Neben der Ungewissheit einer neuerlichen Corona-Welle und eines Lockdown gibt es noch weitere wirtschaftliche Unsicherheiten. Die sprunghaft angestiegene Inflation und der Fachkräftemangel vor allem in der Industrie und im Tourismus könnten die Löhne ansteigen lassen, was wiederum einige Unternehmen in die Bredouille bringen könnte.
Für das laufende Jahr rechnet Creditreform mit einer etwas geringeren Zahl an Firmeninsolvenzen als im 1. Corona-Krisenjahr 2020, konkret mit rund 3.000 Verfahren. 2022 könnte allerdings angesichts der zuvor skizzierten Themen eine Entwicklung mit steigenden Firmeninsolvenzen nehmen.