Wir alle sehen das neue Mediennutzungsverhalten direkt bei uns selbst: Der Shift von Print hin zu Digital, vom Papier hin zum Smartphone – mit einer Zwischenstation vor dem Computerbildschirm – hat die vergangenen Jahre geprägt. Unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter, sie ist zweifellos eine andere geworden. Das war lange vor Corona, Krieg und Inflation.
Immer schneller und schneller dreht sich das News-Karussell, eine Nachricht jagt die nächste, schnelle Infos auf einen Wisch, 24/7, wir sind „always on“. Klar, dass hier eine gedruckte Nachricht nicht mithalten kann. Dort steht etwas, Schwarz auf Weiß, und was liegt, das pickt – so heißt es nicht umsonst. Print allerdings hat andere Qualitäten, die wir jetzt und in Zukunft dringend brauchen. Es gewährt eine (innere) Einkehr, gibt uns Zeit, Dinge zu verstehen. Da flimmert nichts, es bewegt sich nicht, es ist leise. Print beleuchtet Hintergründe, die nicht mit ein paar kurzen Sätzen dargelegt werden können. Print bietet Nach- und Seitenberichterstattung und macht damit umfassende Meinungsbildung und Horizonterweiterung erst möglich. Print ist ein deutlicher Kontrast zur Schnelllebigkeit, zur Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit unserer Zeit.
Der viel beanspruchte Begriff des Qualitätsjournalismus ist ein Kind des Print-Mediums, denn echte Qualität ist erst durch gut organisierte Prozesse zu gewährleisten. Schnell-schnell funktioniert Qualität nur bedingt – und genau deshalb ist diese Umstellung von Print hin zu Digital, bei gleichbleibendem Qualitätsanspruch inhaltlich wie formal ohne Zweifel eine riesige Herausforderung für unsere Redaktionen. Ein neues Arbeiten an unseren (neuen) Produkten, immer neue Technologien und Tools, grundsätzlich ein neues Selbstverständnis werden dem Journalismus abverlangt. Ja, das ist ungewohnt und wird nicht immer begrüßt. Aber: Es ist absolut notwendig, wenn wir weiterhin unseren Auftrag als vierte Gewalt im Staat wahrnehmen wollen.
Das ist aber nur ein Aspekt. Die schier ständig steigenden Gas-, Energie- und Papierpreise wirken sich auf das Printmediengeschäft besonders stark aus. Das beginnt beim Papiereinkauf über den Druckereibetrieb bis hin zur Distribution durch unsere Zusteller:innen. Die Inflation tut ihr übriges. Hier sind alle Bereiche der Wirtschaft betroffen. Zählt man Lesen zur Kultur, so fällt also die Printzeitung genau in jenen Bereich, bei dem die Menschen als erstes einzusparen gedenken. Dies ist nicht zuletzt auch für unseren Leser:innenmarkt – hinsichtlich Abonnements – eine echte Challenge. Gleichzeitig wird die Produktion, die gesamte Herstellungskette aus bereits genannten Gründen immer teurer.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen wirken sich natürlich auch auf den Werbemarkt aus, gerade in Österreich, wo wir knapp 70 Prozent der Revenue immer noch aus Print erzielen: Die Preise für Printinserate und Co. sind mit den Erlösen aus digitalen Werbemöglichkeiten nicht vergleichbar. Der Apparat dahinter, der Nachrichten macht und Content produziert, bleibt aber derselbe: Es schreiben immer Journalist:innen. Und Redaktionen kosten natürlich Geld; Qualität hat ihren Preis. Das heißt: Das digitale Geschäft für Medienhäuser ist gut konzipiert und vorbereitet, kann das Geschäft aus Print aber derzeit noch deutlich nicht aufwiegen. Das ist Fakt.
Was also tun? Ist es mit einer möglichen Reduktion der Seitenanzahl getan? Werden aus gedruckten Tages- womöglich Wochenendzeitungen? Zumindest hinsichtlich Corporate Social Responsibility von Medienhäusern ist ein digitales Produkt natürlich auf den ersten Blick leichter argumentierbar als der Werdegang eines gedruckten Produkts (Papierverbrauch, Druckerfarbe, Energieaufwand, Zustellung etc.). Die Umwälzungen sind damit aber nicht am Ende – der Lebenszyklus der Zeitung schließt auch die Abfallwirtschaft mit ein: Wenn beispielsweise der Seitenumfang einer Zeitung reduziert wird, wie das etwa zu Corona-Zeiten schon der Fall war, dann bleibt auch drastisch weniger Altpapier für die Weiterverwertung übrig.
Andererseits: Eine Bereinigung auf dem Printzeitungsmarkt ist schwer vermeidbar. Durch eben diese sind jene Produkte, die weiterhin auf dem Markt bleiben, kostbarer. Print gewinnt damit in der Wahrnehmung und weiteren Nutzung definitiv an Wert, für den man auch weiterhin zu zahlen bereit sein wird. In Printprodukten können wir unserem Auftrag besser nachkommen und die Medienkompetenz unseres Publikums weiter stärken. Wer Print liest, liest mit Genuss. Weil die Menschen zu schätzen wissen, was sie im wahrsten Sinne in ihren Händen halten – ein hochwertiges Produkt. Eine Chance, zwischendurch auch wieder einmal wirklich offline zu sein und sich in ein bestimmtes Thema vertiefen zu können. Dazu geben Printprodukte eine ideale Gelegenheit. Das wird sich halten. Davon bin ich überzeugt.
Autor: Markus Mair