Die Automobilwirtschaft steht wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig im Spannungsfeld zwischen den Anstrengungen zur Dekarbonisierung und dem Bestreben, Wohlstand durch starke Volkswirtschaften zu sichern – europaweit, wie auch hierzulande. Österreich darf zurecht als Autoland bezeichnet werden. Mehr als 350.000 Beschäftigte rund ums Auto zeigen, wie wichtig dieser Sektor für Beschäftigung und Wohlstand in Österreich ist.
„Wichtig dabei sind eine technologieoffene Forschung und Entwicklung, um Innovationen sicherzustellen und den Standort zu stärken. Die größten Herausforderungen für die Automobilindustrie sind strenge Klimaschutzziele der EU auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Dabei braucht es Rahmenbedingungen und Raum für alle alternativen Antriebsformen,“ betont Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, im Rahmen der Veranstaltung „Impulse für ein wettbewerbsfähiges Europa“.
Rahmenbedingungen und Technologieoffenheit
Im Zuge des Pressegesprächs diskutierten Europaministerin Karoline Edtstadler, Günter Kerle, Vorsitzender des Verbands der Automobilimporteuere in der Industriellenvereinigung, Karl-Heinz Rauscher, Obmann des Fachverbands der Fahrzeugindustrie der Wirtschaftskammer und Josef Honeder, Entwicklungsleiter des BMW Group Standortes Steyr, mögliche Lösungsansätze.
Dabei standen die europarechtlichen Rahmenbedingungen für Schlüsselindustrien besonders im Fokus. Das gemeinsame Ziel: ein wettbewerbsfähiges Europa sichern.
Einigkeit herrschte darüber, dass unterschiedliche Technologien nötig sein werden, um wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren, wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig die Dekarbonisierung der Mobilität voranzutreiben. Auch Wasserstoff im PKW sahen die Sprecher dabei als Teil der Lösung.
Green Deal und Transformationsoffensive
Der Fachverband der Fahrzeugindustrie regte vor allem die Fortsetzung der Transformationsinitiative um weitere vier Jahre an. Mit dieser Förderinitiative soll in den nächsten Jahren insbesondere die Transformation zu einer nachhaltigen, auf erneuerbaren Energien basierenden und digitalisierten Wirtschaft unterstützt werden.
Im Rahmen der Klima- und Transformationsoffensive investiert die Bundesregierung dafür bis 2030 insgesamt 5,7 Milliarden Euro. Davon fließen bis 2026 600 Millionen Euro in die Stärkung des österreichischen Forschungs- und Wirtschaftsstandorts.
Gleichsam ist der Green Deal der EU mit dem Verbrenner-Aus bis 2035 eine der größten Herausforderungen für die Fahrzeugindustrie:
„Die Fahrzeugindustrie, die in Österreich eine Schlüsselbranche ist, steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, wobei der Green Deal der Europäischen Union hier zweifellos hervorsticht. Dieser ambitionierte Plan will Verbrennungsmotoren bereits ab 2035 verbieten und fordert eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf null bis zum Jahr 2050. Das macht es erforderlich, neue Technologien zu erforschen und zu implementieren, Produktionsstätten umzubauen und Fachkräfte mit den nun benötigten Kenntnissen zu akquirieren bzw. bestehende Mitarbeiter damit auszustatten“, erklärt Karl-Heinz-Rauscher, Obmann des Fachverbandes der Fahrzeugindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
„Österreich muss dem gerecht werden und die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Die Automobilindustrie befindet sich in einer Transformationsphase. Elektrifizierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren sind die Schlagwörter der Zukunft in der Automobilindustrie. Wichtig sind dabei eine technologieoffene Forschung und Entwicklung, um Innovationen sicherzustellen und den Standort zu stärken. Alle Hersteller setzen auf elektrifizierte Antriebe und bringen immer mehr Zero Emissionen-Fahrzeuge auf die Straße, um die strengen CO2-Vorgaben der EU zu erfüllen. Uns ist aber auch wichtig, andere alternative Antriebsformen wie z. B. Wasserstoff nicht zu vergessen. Wasserstoff kann zusätzlich zur Elektromobilität eine sinnvolle Alternative bei der Dekarbonisierung sein. Vergleichsweise große Reichweiten, eine kürzere Betankungsdauer sowie witterungsunabhängiger Betrieb ohne CO2- und Schadstoffemissionen sind unbestrittene Vorteile“, konstatiert Günter Kerle, Vorsitzender des Verbands der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung.
Wie Technologieoffenheit und erfolgreiche Transformation funktionieren kann, macht der Standort Steyr vor. Hier werden – weltweit einzigartig bei der BMW Group – Forschung und Produktion an einem Standort betrieben. Von den über 4.700 Beschäftigten sind rund 700 in der Antriebsentwicklung tätig.
„Alleine im letzten Jahr wurden 356 Mio. Euro in die Transformation des Standorts investiert. Seit Werksgründung 1979 hat die BMW Group pro Arbeitstag eine Million Euro in Steyr investiert“, ergänzt Josef Honeder, Entwicklungsleiter des BMW Group Standortes Steyr.
Änderung des EU-Beihilferechts
„Wermutstropfen stellen für den Fachverband der Fahrzeugindustrie allerdings aktuell Verzögerungen im Bereich der für uns besonders wichtigen Investitionsförderung dar. Diese sind bedingt durch das EU-Beihilfenrecht und betreffen etwa auch das Programm ‚Twin Transition‘ innerhalb der Klima- und Transformationsoffensive“, verdeutlicht Karl-Heinz-Rauscher.
Begrüßt wird allerdings, dass die Bundesregierung eine Änderung des Beihilferechts auf EU-Ebene anstoßen möchte. Diese Änderung ist für heimische Betriebe von entscheidender Bedeutung, damit Österreich als attraktiver Standort für die Fahrzeugindustrie erhalten bleibt. Die Transformation hin zu grünen Produkten müsse förderbar sein.
„Europa darf nicht länger Weltmeister der Bürokratie und Überregulierung bleiben, sondern muss Champion der Wertschöpfung und Innovation werden. Die österreichische Automobilindustrie stellt eindrucksvoll unter Beweis, wie ein nachhaltiger Transformationsprozess gemeinsam mit der Innovationskraft von Unternehmen gelingen kann. Dabei ist die Offenheit gegenüber allen Technologien wichtig, um im Wettbewerb der besten Ideen die beste Lösung zu finden“, informiert Europaministerin Karoline Edtstadler abschließend.