Gesundheitskrise, Energiekrise, Lieferkettenengpässe, Inflation und ein Krieg in Europa prägen derzeit das Tagesgeschehen. All diese Krisen haben zahlreiche Auswirkungen auf das derzeitige Wirtschaftsleben und Marktgeschehen, sie sind aber auch eine Herausforderung für die Lern- und Weiterentwicklungsfähigkeit der Wirtschaft, des Rechts und ihrer Institutionen.
„Gerade Krisenzeiten sind insbesondere auch Zeiten der Aufsichtsräte. Aufsichtsratsmitglieder sind deutlich stärker als sonst gefordert, sich unterstützend kritisch-konstruktiv und korrigierend einzubringen und das Unternehmen voranzubringen. Denn Krisen sind auch immer Chancen zur Strategiekorrektur und Überprüfung der bisherigen Unternehmensregelungen auf ihre dauerhafte Belastbarkeit“, versichert Susanne Kalss, WU-Professorin und Leiterin des Instituts für Unternehmensrecht.
Werner H. Hoffmann, Leiter des WU-Instituts für Strategisches Management ergänzt: „Hier sind Aufsichtsräte aktuell und weiterhin stark gefordert, ihren Beitrag zu leisten, um das Innovationspotenzial von Krisen zu nutzen und beizutragen, ihre Unternehmen langfristig widerstandsfähiger zu machen. Krisen als Entdeckungsverfahren für bisher unbekannte Fallkonstellationen können die dauerhafte erfolgreiche Transformation eines Unternehmens unterstützen.“
Die Krisen als Chance für Europa
Zu diesem Thema diskutierten beim „13. Österreichischen Aufsichtsratstag“ an der Wirtschaftsuniversität Wien insgesamt mehr als 350 Teilnehmer mit zahlreichen Experten, wie Aufsichtsräte die Krise als Chance nutzen können, ohne diese Perspektive zum Schlagwort verkommen zu lassen.
Ziel war es, Best Practices aufzuzeigen und gemeinsam zu rekapitulieren, wie Krisen mit Elan, Kreativität und Mut zu neuen, innovativen Ideen und Gestaltungen genutzt werden können. Die Vortragenden belegten mit innovativen Beispielen, wie sich die europäische Wirtschaft bzw. Gesellschaft künftig weiterhin ihre Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sichern und aus Krisen langfristig lernen kann.
Die Initiatoren der Veranstaltung Susanne Kalss und Werner H. Hoffmann, begrüßten u. a. Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der WU Wien, Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, Michael Strugl, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, Peter Löscher, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Telefonica Deutschland Holding AG, u.v.m..
Engere Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand
Wie der Aufsichtsrat die Transformation zu einem lösungsorientierten Krisenmanagement begleiten kann, damit setzten sich auch Susanne Kalss, Julia Nicolussi und Anne d’Arcy in ihren Workshops zu den drei Kernbereichen „Familienunternehmen“, „Öffentliche Unternehmen“ und „Börsennotierte Unternehmen“ auseinander.
Der Aufsichtsrat – darin war sich das Podium einig – muss gemeinsam mit dem Vorstand Lösungswege in der Gesamtstrategie des Unternehmens verankern, die sowohl den Weg aus der Krise und gleichzeitig die zukünftige Unternehmenstransformation unterstützen.
Diversität, Sinnhaftigkeit und Entscheidungskraft
Diversität ist ein wichtiges Thema, wenn es um die Zusammensetzung und Leistungskraft eines Aufsichtsrats geht. Um Frauen bei ihrem Werdegang zu unterstützen, bietet sich der Austausch mit erfahrenen Aufsichtsratsmitgliedern und der Aufbau eines Netzwerks an. Dazu stellte Sabine Herlitschka, MBA, Vorstandsvorsitzende der Infineon Austria Technologies AG, in ihrem Vortrag das neue Sparring-Programm „Netzwerk Aufsichtsrat“ der Industriellenvereinigung vor.
Alwine Mohnen veranschaulichte in ihrem Vortrag, welche Auswirkungen die Unternehmensführung mit einem nachvollziehbaren und sinnstiftenden Zweck („Purpose“) auch in Krisenzeiten hat und Peter Löscher führte anhand seiner Erfahrungen aus, dass der Umgang und die Bewältigung von Krisen Entscheidungskraft, Koordination und Geschlossenheit eines großen Teams und klare Kommunikation gegenüber den maßgeblichen Personen (Behörden, Kunden und Markt) und schließlich stringente Umsetzung durch Motivation verlangen.
Michael Strugl, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG und Mag. Martin Ohneberg, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Verbund AG zeigten in ihrem Beitrag „Energiekrise – Wie gehen die Organe einer Gewinnerin damit um?“ auf, wie eine klare Rollenverteilung und ein gutes Maß an Kontrolle und Vertrauen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand die Arbeit in der Krise effizienter gestaltet.
Veränderungen in Zeiten der Krise
Abschließend diskutierten die Teilnehmer im durch Susanne Kalss moderierten Gespräch über Lösungswege und Vorgehensweisen, wie Krisen langfristig dazu beitragen können, Unternehmen für die Zukunft resilienter aufzustellen und welchen Beitrag die Aufsichtsräte hier leisten können.
Gertrude Schatzdorfer-Wölfel, Mitglied des Aufsichtsrats der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Aktiengesellschaft und der Energie AG Oberösterreich, sprach von ihren persönlichen Erfahrungen im Familienunternehmen in der Krise und dass sie ihre Lehrjahre in der Finanzkrise 2008/2009 hatte, wodurch sie für heute deutlich besser gerüstet war. Schatzdorfer-Wölfel sieht Krisen als idealen Zeitpunkt, um Veränderungen umzusetzen. Als wichtige Basis dient das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führung.
Optimismus und eine gute Vertrauensbasis sind auch für Günther Ofner, Vorstandsmitglied der Flughafen Wien AG, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) und der HYPO NÖ Landesbank, ausschlaggebende Punkte für die Zusammenarbeit. Ebenso zeigte Ofner auf, dass eine angemessene Risikobereitschaft während einer Krise große langfristig wirkende Erfolge mit sich bringen können.
Michèle F. Sutter-Rüdisser, Direktorin, Netzwerk für Innovative Corporate Governance (NICG) und Mitglied des Aufsichtsrats der Erste Group Bank AG illustrierte anhand ihrer Erfahrungen den Unterschied mit dem Umgang der Pandemie in Österreich und der Schweiz. Aufsichtsräte und Vorstand müssen auch in „Nicht-Krisenzeiten“ gemeinsam an einem Strang ziehen. Wenn diese Einstellung im Unternehmen gelebt wird, sind Änderungen und Neuerungen für die Mitarbeiter glaubwürdig und werden eher akzeptiert.