Markus Mair: Medien und Artificial Intelligence – wie verträgt sich das?

Was kann oder soll Künstliche Intelligenz (KI) im gegenwärtigen Journalismus bewirken?
© Marija Kanizaj
Markus Mair: Die Welt ist ein Dorf – „Global“ gibt es nicht ohne „regional“
Die TOP LEADER-Stimme der Medien: Markus Mair.

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In der Vergangenheit – und zwar nicht nur in der jüngsten – haben wir immer wieder erlebt, wie sich neue, bahnbrechende Technologien mit einer schier unglaublichen Dynamik in der Gesellschaft etabliert haben. Künstliche Intelligenz reiht sich hier nahtlos ein.

Noch ist nicht absehbar, welche Wucht AI entfalten, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf uns alle haben wird. Aber wir können es in etwa erahnen. Denn in vielen Bereichen des Lebens haben Algorithmen schon wichtige Aufgaben übernommen, denkt man an Spracherkennung oder Textanalysen.

Boston Dynamics hat etwa mit dem Roboter „Atlas“ eine Maschine erschaffen, der unvorhergesehenen Hindernissen ausweicht, variabel auf Situationen reagiert und komplexe Bewegungsmuster umsetzen kann. Wenn man sich dieses Konstrukt ansieht, wie es ohne Zutun, fast spielerisch Stufen erklimmt und von Holzkisten hüpft, stellt man sich die Frage: Was ist das nun? Erschreckend menschlich oder bewundernswert künstlich?

© Boston Dynamics
Atlas® – humanoider Roboter von Boston Dynamics.

Was heißt das für arbeitende Menschen? Für ganze Geschäftsbranchen? Für Medien?

Sam Altman, der CEO von Open AI, jenem Unternehmen, von dem der Bot „ChatGPT“ stammt, sprach jüngst in einem Interview mit dem Start-up-Investor Azheem Azhar von einer technologischen Revolution. Davon, dass AI das Potenzial habe, Produktivität enorm zu steigern, neues Wissen und neue Ideen zu entdecken, und zwar in unglaublicher Geschwindigkeit. Er gibt in dem Interview aber auch zu bedenken, dass das Thema Desinformation und Manipulation eine immer größere Herausforderung werde, denkt man etwa an anstehende US-Wahlen – und dass es in dieser Hinsicht für Open AI „noch viel zu tun gibt“.

Altman glaubt nicht, dass AI das Ende der Arbeit im herkömmlichen Sinne bedeutet. Im Gegenteil, meint er, würden durch die Technologie viel mehr Jobs entstehen. Es werde sich die Wertschätzung gewisser Arbeiten verändern und vor allem jene, wo es um menschliche Verbindungen geht, enorm an Bedeutung gewinnen.

Wenn man Altman so hört, könnte man denken, die Welt könne von AI langfristig enorm profitieren, vor allem ärmere Regionen durch den Zugang von günstigen KI-generierten Dienstleistungen. Aber so einfach ist es nicht. Denkt man an die Medienbranche, wird AI nicht erst in der Zukunft zu massiven Disruptionen führen. Sie tut es bereits. Und das betrifft bei weitem nicht nur das automatisierte Erstellen von Content, wie etwa Matchberichte, die KI-gestützte Produktion von Grafiken oder die Radiostimme, die nicht von einer echten Person stammt, sondern ein Avatar ist. Es geht wohl noch viel tiefer.

© PantherMedia / ramirezom
Markus Mair: Medien und Artificial Intelligence – wie verträgt sich das?

Wie weit, das kann man nicht sagen. Was man sicher sagen kann: AI wird ein wesentlicher Teil unserer beruflichen und privaten Existenz sein und wir werden lernen müssen, damit zu leben und auszukommen, ob wir wollen oder nicht. Aber sehen wir uns einmal das Positive im Medienbereich an: AI ist eine Stütze in Sachen Effizienz. Sie hilft bei der Personalisierung von Inhalten, beim Generieren von Keywords, bei der Servicierung und beim Gewinnen von Abonnent:innen oder beim Umgang mit Daten und ihrer Archivierung. Aber auch beim Erstellen von Anzeigentexten, einer Landingpage oder Postings. Redakteur:innen können sich Zeit bei der Recherche und Nachbearbeitung sparen, können fokussierter arbeiten, sich im kreativen Schaffensprozess unterstützen lassen und damit ihrer Arbeit noch besser nachgehen.

Aber eines kann die KI jedenfalls nicht: Exklusive Interviews oder Reportagen schreiben, bei Veranstaltungen live vom Geschehen berichten und dabei eine persönliche Note einbringen. Bei Terminen wichtige Fragen stellen. Missstände mit Hartnäckigkeit aufdecken. Denn die Arbeit, die Journalist:innen erbringen, ist die Quelle, aus der sich der Output von Chat GPT und anderen Applikationen speist. Es ist menschlicher Content, der die Algorithmen trainiert.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Nicht alles, keine Maschine kann das menschliche Wesen ersetzen. Es braucht klare rechtliche und ethische Regeln, die der KI einen Rahmen geben, indem sie uns nützlich sein kann, aber nicht mehr. Ein entmenschlichtes Unternehmen, eine Zeitung, ein Radiosender, der mehr oder weniger ohne die Empathie, Inspiration oder auch sozialer Interaktion auskommt, stellt keine Brücke zu Kund:innen, Leser:innen, User:innen oder Hörer:innen mehr her. Es würde die Nähe zum Produkt fehlen, weil die menschliche Nähe fehlt.

Und das Wichtigste: Journalistische Sorgfaltspflicht, das klare Erkennen und Unterscheiden von Fake News und Fakten, der direkte Kontakt und ehrliche, wenngleich auch durchaus kritische und glaubwürdige Meinungen – das alles kann eine AI nicht bieten. Journalistinnen und klassische Medien werden also durch Künstliche Intelligenz nicht überflüssig werden. Ganz im Gegenteil.

Autor: Markus Mair

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