Am 6. Jänner 2021 hatten seine Anhänger das Kapitol gestürmt, weil „die Wahl gestohlen wurde“. War das nur ein Vorgeschmack auf den 6. Jänner 2025, wenn der Kongress das Wahlresultat bestätigen muss? Trumps schwer bewaffnete “Proud Boys“ („Stolze Kerle“) stehen wieder bereit.
Trump warnt vor einem „Blutbad für das Land“. Präsident Biden dazu: „Er meint, was er sagt mit all dem Gerede über ein Blutbad, wenn sie verlieren“. Der Präsident warnt vor Trumps bekanntem Rachedurst und seiner Neigung zu Gewalt.
Mit dem Wahlakt am 5. November bestimmt das Volk nur die „Elektoren“ (Wahlmänner, -frauen), die im Dezember den Präsidenten wählen.
Nicht minder wichtig ist danach der 6. Jänner. Dann muss der Kongress die Wahl bestätigen. Der 6. Jänner 2025 könnte so ein Schicksalstag der USA werden.
Was sich vier Jahre zuvor am 6. Jänner 2021 abspielte, hat in der Nation tiefe Narben hinterlassen. Der blutige Sturm auf das Kapitol, um diese Bestätigung zu verhindern, war der schwerste Anschlag auf die Demokratie seit dem großen Bürgerkrieg gewesen.
Und genau dieses Wort „Bürgerkrieg“ fällt jetzt immer öfter, je näher die Entscheidung über den nächsten Präsidenten rückt. Der 6. Jänner 2021 könnte nur ein Wetterleuchten am Horizont gewesen sein – jenes Unwetters, welches am 6. Jänner 2025 kommen könnte.
Je besser die Umfragewerte für Kamala Harris stehen, desto häufiger peitscht Donald Trump seine Anhänger auf mit der Behauptung, dass ihm die Wahl „schon wieder“ gestohlen wird. Schon für die kritischen Tage nach dem 5. November werden Wut-Exzesse befürchtet. Ist für die Hardcore-Trumpisten schon eine Frau an der Spitze der USA als Oberbefehlshaberin der Armee eine unerträgliche Zumutung, so ist sie noch dazu eine „Person of Color“.
Alternder Hollywoodstar: „Krieg unserer Lebenszeit“
Der nach Rechtsaußen abgerutschte US-Filmstar John Voigt ist überzeugt, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen würde. In einer wirren, pseudoreligiösen Video-Predigt an die Amerikaner erklärt er:
„Das ist jetzt der Krieg unserer Lebenszeit… Wir sind in Schwierigkeiten, wenn diese Nation diese kackige Hyäne Kamala Harris wählt… Wir müssen verstehen, dass Gott uns schützen und Trump Amerika retten will… Wir sind in Gefahr… Die Dunkelheit… Wir müssen Trump wählen.“
Trumps Miliz sind die hochgerüsteten „Proud Boys“ (Stolze Kerle). Ihre – im wahrsten Sinne des Wortes – Schlagkraft stellten sie Trump am 6. Jänner 20021 zur Verfügung.
Der damalige Bandenführerführer Enrique Tarrio wurde danach zu 22 Jahren Haft verurteilt. Aus dem Gefängnis heraus beschwerte er sich, dass man den Proud Boys Bürgerkriegsgelüste unterstellt: „Wir werden keinen Bürgerkrieg beginnen – aber jedenfalls einen beenden.“
Eine andere militante und staatsfeindliche Organisation sind die „Oath Keepers“ (Eid-Wächter). Das FBI beschreibt die Oath Keepers als eine mit Sturmgewehren ausgerüstete Truppe von Verschwörungsanhängern, die glauben, dass die kommunistisch verseuchte Regierung in Washington Patrioten im Auftrag Chinas entwaffnen, in Konzentrationslager sperren oder gegebenenfalls mit Kampfdrohnen töten will.
Schon 2016 sagten sie, ein Wahlsieg von Hillary Clinton würde zum Bürgerkrieg führen. Joe Biden haben sie nie als Präsident anerkannt. Dem scheidenden Präsidenten Trump empfahlen sie 2020, er solle „zuverlässige Armeeverbände“ einsetzen, um die „heimischen Verräter“ zu bekämpfen, die die Wahl gestohlen hätten. Notfalls werde das Volk einen Bürgerkrieg führen müssen, um den „tiefen Staat“ in Washington abzuschütteln.
Sowohl die Proud Boys als auch die Oath Keepers sehen sich als Verteidigungsliga der Weißen, die in den USA bald die Mehrheit verlieren werden. Dafür sei auch die „Verweichlichung der weißen Männer verantwortlich“. Sie rufen sie dazu auf, „ihre Männlichkeit zurückzuerobern“.
Eine weitere rechtsextremistische Bewegung sind die „Boogaloo Boys“. Die schwerbewaffnete Miliz gibt an, sich auf einen „zweiten amerikanischen Bürgerkrieg“ vorzubereiten. Eine Untergruppe der „Boogaloo Boys“ wurde im Oktober 2022 unter dem Vorwurf verhaftet, die Entführung der liberalen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, vorbereitet zu haben.
Spaltung in den USA: Parteien sind Stammesverbände
Der Wildwuchs an schwerbewaffneten rechtsextremistischen Milizen ist Ausdruck der tiefen Spaltung der USA. Parteien sind nicht mehr politische Gegner, sondern feindliche Stämme. Es geht nicht mehr um politische Programme, sondern um Identitäten: Wohin gehörst Du? Früher waren weiße Eltern entsetzt, wenn die Tochter enthüllte, eine „Person of Color“ heiraten zu wollen. Heute sind sie entsetzt, wenn der künftige Schwiegersohn einer „vom anderen Stamm“ sein soll.
Trumps Tochter Lara, die heute Generalsekretärin der Republikaner ist, meinte kürzlich, es gehe heute nicht mehr um die Frage Republikaner oder Demokraten, sondern um Gut oder Böse.
Bei so viel pseudomoralistischem Fundamentalismus muss man das Schlimmste befürchten.
Erstveröffentlichung Kronen Zeitung
Autor: Kurt Seinitz