Kurt Seinitz: Donald Trumps Amerika auf dem Weg zur Diktatur

Willkür ersetzt das Verfassungsrecht und freie Bahn für die Herrschaft der Superreichen.
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Kurt Seinitz: Donald Trumps Amerika auf dem Weg zur Diktatur
Kurt Seinitz, österreichischer Journalist und Buchautor.

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Jeden Tag einen neuen Hasen aus dem Zylinder ziehen oder die Öffentlichkeit mit Präsidentendekreten zuschütten, so dass Gegner nicht mehr wissen, worauf sie sich konzentrieren sollen: Präsident Trump übertrifft alle Befürchtungen. Man hatte sich zwar auf Turbulenzen eingestellt, doch das schwindelerregende Tempo, mit dem der Mann im Weißen Haus die Axt an Demokratie und Verfassungssystem anlegt, sendet Schockwellen aus.

Trump ist erst wenige Wochen im Amt und Kritiker warnen bereits, Amerika stehe vor dem „Tod der Demokratie“ und dem „Anfang einer Diktatur“. Der 78-Jährige handele wie ein „Despot“ und steuere das Land in eine Autokratie, mahnen sie. Rechtsexperten sehen das Land zumindest in einer schweren Verfassungskrise.

„Ein Präsident steht über dem Gesetz“

Gerade erst sorgte der Präsident mit einer Ansage für Aufsehen, die verrät, was er von Demokratie und Rechtsstaat hält. Über das digitale Netzwerk X verbreitete Trump ein berüchtigtes Zitat, das dem selbst gekrönten französischen Kaiser Napoleon zugeschrieben wird: „Wer sein Land rettet, verletzt kein Gesetz.“

Auch der norwegische Rechtsterrorist und Massenmörder Anders Behring Breivik schrieb das Zitat in ein langes Manifest, bevor er 2011 bei zwei Attacken 77 Menschen tötete. Dass der US-Präsident zu dem Zitat greift, hat eine besondere Qualität und befeuert schlimmste Befürchtungen seiner Kritiker.

Das gilt umso mehr, da Trump durch eine historische Entscheidung des Supreme Courts „Rückendeckung“ erhält. Der entschied im Sommer mit seiner rechtskonservativen Mehrheit, dass der Präsident für gewisse Amtshandlungen Immunität genießt. Das gibt Trump zwar keinen Blankoscheck, aber doch gefährlichen Spielraum. Im Wahlkampf hatte der Republikaner damit kokettiert, Diktator wolle er „nur am ersten Tag“ sein. Tatsächlich ließen schon seine ersten Stunden im Amt tief blicken. Er begnadigte alle Straftäter der Kapitol-Attacke vom 6. Januar 2021 – darunter Gewalttäter und prominente Rechtsradikale. Als Erstes jene auf freien Fuß zu setzen, die angetrieben von ihm selbst mit Gewalt versucht hatten, den Machtwechsel zu sabotieren, setzte den Ton für Trumps zweite Amtszeit.

Trump zerschlägt die alte Ordnung und versucht, die Gewaltenteilung in den USA auszuhebeln. Er startete einen radikalen Umbau des Staatsapparates und ließ im großen Stil Mitarbeiter feuern, die nicht auf seiner Linie sind. Trumps Team drängte Zehntausende Bundesangestellte dazu, selbst zu kündigen – im Gegenzug für eine Weiterbezahlung für mehrere Monate. Ob er das ohne Zustimmung des Kongresses darf, ist fraglich. All das wird vor Gericht angefochten. Die Demokratin Ilhan Omar mahnte: „So sieht der Anfang einer Diktatur aus.“ Auch Rechtsexperten äußern sich besorgt. „Wir befinden uns gerade mitten in einer Verfassungskrise“, sagte etwa der Rechtswissenschaftler Erwin Chemerinsky der „New York Times“. In den ersten Wochen von Trumps Amtszeit habe es schon „so viele verfassungswidrige und illegale Handlungen“ gegeben. „So etwas haben wir allerdings noch nie erlebt“.

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© PantherMedia / kanzilyou (YAYMicro)

Elon Musk zerstört für Trump die alte Ordnung

Treibende Kraft bei diesen drastischen Kürzungen ist ein Mann, der keinerlei politisches Mandat hat: Elon Musk. Trump hat den Tech-Milliardär und reichsten Mann der Welt an seine Seite geholt, damit dieser die Regierungsausgaben zusammenstreicht. Musks Truppe hat erstaunliche Zugänge zu vertraulichen Regierungsdaten, was Demokraten im Kongress sehr besorgt. Dass der schwerreiche Musk, der Trump im Wahlkampf mit viel Geld unterstützte nun, neben seinem Job als Chef mehrerer großer Unternehmen, Berater des Präsidenten ist und den Regierungsapparat aus dem Inneren umkrempelt, ist für viele Demokraten ein Tabubruch und ein Beleg für das Aufkommen einer Oligarchie.

Parlamentarisches Versagen

Die Kontrolle der Republikaner über beide Kongresskammern verschafft Trump politisch viel Handlungsspielraum. Das an sich ist nicht ungewöhnlich. Doch Trump dominiert seine Partei wie nie zuvor. So hat er Widersacher im Parlament systematisch aus dem Weg geräumt. Nennenswerten Widerstand aus den eigenen Reihen hat er dort jedenfalls nicht mehr zu befürchten.

Der Protest der Demokraten im Kongress kommt bislang eher hilflos daher. Sie melden sich mit dramatischen Warnungen zu Wort, haben aber noch keinen politischen Weg gefunden, sich Trump entgegenzustellen. Widerstand gibt es bisher vor allem vor Gericht. Es laufen etliche Klagen gegen Trumps bisherige Entscheidungen im Amt. Das Schicksal ereilt jeden Präsidenten. Was diesmal aber anders ist: Trump und seine Leute zweifeln die Rolle von Gerichten an – und stellen damit die Gewaltenteilung im Land offen infrage.

Trumps Vize Vance schrieb auf X: „Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren.“ Trumps Sprecherin, Karoline Leavitt, warf Richtern „Machtmissbrauch“ vor, wenn sie versuchten, die Politik des Präsidenten zu blockieren. Das bezieht sich allein auf unliebsame Gerichtsentscheidungen.

Sanktionen gegen Medien

Sind dies schon die Vorboten für das Undenkbare? Dass Trumps Regierung eines Tages Gerichtsentscheidungen einfach ignoriert? „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass wir gerade den Tod der Demokratie vor uns sehen“, mahnte der demokratische Senator Chris Murphy. „Das Herzstück unserer Demokratie ist, dass wir uns an Gerichtsentscheidungen halten.“

Trump geht auch scharf gegen Medien vor. Er schloss zum Beispiel die Nachrichtenagentur AP aus dem Weißen Haus aus: „Sie tut uns keinen Gefallen und wir tun ihr keinen Gefallen“. Pressefreiheit hat allerdings nicht mit Gefallen zu tun.

Auch die Kultur knöpft sich Trump vor. Der Präsident verkündete, dass er das renommierte Kennedy Center unter seine Kontrolle bringt und den Vorsitz selbst übernimmt. Es ist die größte Kultureinrichtung der US-Hauptstadt und auf nationaler Ebene eine echte Institution. „Uns gefiel nicht, was dort gezeigt wurde,“, sagte Trump zur Begründung.

Erstveröffentlichung Kronen Zeitung

Autor: Kurt Seinitz

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