Die Firmeninsolvenzen steigen weiter um 10% auf 2.661 Verfahren und erreichen das Vor-Pandemie-Niveau des Jahres 2019. Die Zahl der eröffneten Verfahren steigt dabei um 9,2% auf 1.559. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen erhöhen sich um 10,1% auf 1.102.
„Der Corona-Nachholeffekt wirkt nur mehr bedingt. Hinzukommen aber die Herausforderungen Fachkräftemangel, Teuerung, schwacher Binnenkonsum und das Kränkeln von Österreichs wichtigstem Handelspartner Deutschland. Der Corona-Nachholeffekt wirkt nur mehr bedingt. Hinzukommen aber die Herausforderungen Fachkräftemangel, Teuerung, schwacher Binnenkonsum und das Kränkeln von Österreichs wichtigstem Handelspartner Deutschland“, analysiert Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform und TOP LEADER Kolumnist, den aktuellen Insolvenztrend.
Laut einer Creditreform Umfrage vom Frühjahr unter 1.400 österreichischen Unternehmen berichten 39% der heimischen Unternehmen von sinkenden Erträgen. Die Auftragslage der kommenden Monate ist negativ, die Umsätze stagnieren. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 1,1 Mrd. Euro. 10.000 Arbeitsplätze und über 29.000 Gläubiger sind betroffen. Geprägt war das 1. Halbjahr von einigen bekannten Firmeninsolvenzen wie kika/Leiner, Forstinger und Tally Weijl.
1. Halbjahr 2023 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung absolut | Veränderung in % | |
Unternehmensinsolvenzen – Gesamt | 2.661 | 2.429 | +232 | +9,6 |
Eröffnete Insolvenzen | 1.559 | 1.428 | +131 | +9,2 |
davon eröffnete Konkursverfahren | 1.339 | 1.276 | +63 | +4,9 |
davon eröffnete Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung | 18 | 10 | +8 | +80,0 |
davon eröffnete Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung | 202 | 142 | +60 | +42,3 |
Mangels Vermögen abgewiesene Insolvenzverfahren | 1.102 | 1.001 | +101 | +10,1 |
Bundesländervergleich
Den stärksten Zuwachs verzeichnen Kärnten (+50,4%), die Steiermark (+12,5%) und Salzburg (+11,5%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrscht in der Bundeshauptstadt mit 11 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit 3 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit müssen rund 7 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.
1. Halbjahr 2023 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung absolut | Veränderung in % | Insolvenzen je 1.000 Unternehmen | |
Wien | 916 | 850 | +66 | +7,8 | 11,1 |
Niederösterreich | 536 | 511 | +25 | +4,9 | 8,1 |
Burgenland | 88 | 86 | +2 | +2,3 | 7,4 |
Steiermark | 289 | 257 | +32 | +12,5 | 5,8 |
Kärnten | 173 | 115 | +58 | +50,4 | 7,1 |
Oberösterreich | 275 | 262 | +13 | +5,0 | 5,0 |
Salzburg | 155 | 139 | +16 | +11,5 | 5,5 |
Tirol | 175 | 158 | +17 | +10,8 | 5,1 |
Vorarlberg | 54 | 51 | +3 | +5,9 | 3,3 |
Gesamt | 2.661 | 2.429 | +232 | +9,6 | 7,2 |
Branchenvergleich: Starke Zuwächse im Tourismus und in der Industrie
Am stärksten steigen die Insolvenzen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen, i.e. Tourismus (+24,5%) und in der Sachgütererzeugung (+20,2%). Trotz des großen Zuwachses in Prozent ist die Industrie nach wie vor relativ betrachtet krisenresistenter als die anderen Branchen. Die Industrie kämpft aber mit sinkenden Aufträgen, hohen Löhnen und Energiekosten sowie einem Fachkräftemangel. Der Tourismus scheint heuer die Pandemie endgültig überwunden zu haben, die Ausfälle während der letzten Jahre wirken aber im Ergebnis nach und führt zu zahlreichen Aufgaben.
Die meisten Insolvenzen werden im Handel (455), im Bauwesen (451) und in den Unternehmensbezogenen Dienstleistungen (418) angemeldet. Der Handel leidet durch die inflationsbedingte neue Sparsamkeit, der Bau durch die Verschärfungen bei der Immobilienkreditvergabe. Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrscht im Bau mit fast 19 von 1.000 Branchenunternehmen und ist damit 2,5-mal so hoch wie der österreichweite Durchschnitt.
Rückgänge verzeichnen hingegen die Branche Verkehr- und Nachrichtenübermittlung, i.e. Transport (-10,7%) und das Kredit- und Versicherungswesen (-6,7%).
1. Halbjahr 2023 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung absolut | Veränderung in % | Insolvenz-quote | |
Sachgütererzeugung | 101 | 84 | +17 | +20,2 | 3,5 |
Bauwesen | 451 | 413 | +38 | +9,2 | 18,7 |
Handel | 455 | 432 | +23 | +5,3 | 5,9 |
Beherbergungs- und Gaststätten-wesen | 340 | 273 | +67 | +24,5 | 7,7 |
Verkehr- und Nachrichtenüber- mittlung | 259 | 290 | -31 | -10,7 | 17,6 |
Kredit- und Versicherungswesen | 56 | 60 | -4 | -6,7 | 10,0 |
Unternehmensbezogene Dienstleistungen | 418 | 416 | +2 | +0,5 | 5,6 |
Übrige | 581 | 461 | +120 | +26,0 | k.A. |
Gesamt | 2.661 | 2.429 | +232 | +9,6 | 7,2 |
Conclusio und Ausblick 2023: Unsichere Zeiten erfordern mehr Risikomanagement
Die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs sowie der Lieferkettenproblematik sind halbwegs gemeistert. Daher steigen die Insolvenzen „nur“ mehr um knapp 10% anstatt um 60% wie im vergangenen Jahr. Die s.g. Nachholeffekte dieser „alten“ Krisen wirken nur mehr bedingt nach. Dafür schlagen Inflation und höhere Zinsen vor allem in Österreich und Deutschland zu. Schon spricht man über Österreichs wichtigsten Wirtschaftspartner wie zuletzt vor 20 Jahren wieder vom „kranken Mann in Europa“.
Das Geschäftsklima hat sich angesichts des schwierigen Konjunkturumfelds spürbar eingetrübt. On top kommen die Kosten der grünen Transformation, die nach der Pandemie auf angespannte Staatskassen treffen, die sich zudem nicht mehr zum Nulltarif refinanzieren können. Die EU-Politik zu ESG, Lieferkettensorgfaltspflichten etc. macht es den Unternehmen auch nicht einfacher. Der Binnenkonsum ist geprägt von Sparsamkeit und Zurückhaltung trotz stabilem Arbeitsmarkt.
„Das neue Normal für Unternehmen ist die laufende, nie enden wollende Bewältigung neuer, vielschichtiger Krisen und Herausforderungen. Dafür braucht es ein professionelles Risikomanagement und eine sorgfältige Liquiditätsplanung. Für das Gesamtjahr 2023 rechne ich mit rund 5.500 Firmeninsolvenzen“, konstatiert Gerhard Weinhofer abschließend.
Autor: Gerhard Weinhofer