2020 war das Rekordjahr der Umsätze im Online-Handel. Die Umsätze in Österreich registrierter ausländischer Versandhandelsunternehmen sind laut BMF 2020 von 3,4 auf rund 4,4 Milliarden Euro gestiegen. Das entspricht einer Steigerung von rund 30 Prozent. Auch heimische Händler, die online vertreiben, konnten mit rund 14 Prozent ein starkes Umsatzwachstum verzeichnen. Dies wurde vom Finanzministerium bilanziert und bestätigt damit exakt die Prognosen des Handelsverbandes.
Das Problem dabei ist die Ungerechtigkeit auf allen regulatorischen Ebenen:
Während heimische Händler mit Betriebsstätte in Österreich nicht „nur“ Steuern, sondern auch Abfallgebühren korrekt begleichen, sieht die Situation bei Online-Giganten ohne heimische Betriebsstätte vielfach anders aus.
„Österreichische Händler müssen zahlreiche Zwangsabgaben, Gebühren und hohe Lohnnebenkosten stemmen, die europaweit ihresgleichen suchen“, kritisiert HV-Geschäftsführer Rainer Will. „Im Endeffekt führt dies dazu, dass österreichische Händler im Vergleich weniger Werbebudgets und auch weniger Gelder für Investitionen in ihr digitales Geschäftsmodell zur Verfügung haben. Das Ergebnis dieser Fehlentwicklungen sehen wir nun schwarz auf weiß.“
Tausende Geschäfte müssen schließen
Akuter Handlungsbedarf besteht, da mehr als jeder Vierte Händler zahlungsunfähig ist und weiterhin hunderttausend Arbeitsplätze gefährdet sind. Eine neue Studie von RegioPlan bestätigt die Befragungsergebnisse des Handelsverbandes: Demnach müssen in den nächsten zwei Jahren bis zu 5.000 Geschäfte schließen.
Der Handelsverband hat österreichische Händler aller Größenklassen umfassend befragt. Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Fast 50 Prozent aller heimischen Händler leiden unter Existenzängsten und 42 Prozent können eingehende Rechnungen nicht mehr bezahlen. Daher ist die Politik jetzt zu konsequentem Handeln aufgefordert.
Wettbewerbsfairness herstellen
Der heimische Handel müsste sofort und umfassend von überbordenden Gebühren und Abgaben befreit werden. Denn dabei handelt es sich um Kosten, die internationale Onlinehändler zum jetzigen Zeitpunkt nicht tragen müssen. „Wir danken dem Finanzminister für die transparente Veröffentlichung der Umsatzsteuerdaten im ersten Schritt“, sagt Will. „In einem zweiten Schritt muss jetzt der Kampf für die ebenbürtige Behandlung aller Marktteilnehmer im Handel oberste Priorität haben. Ob Comeback-Plan oder Neustart, das Ergebnis und der Zeitfaktor zählen.“
Steuergerechtigkeit muss vor allem auch zwischen digitalen und analogen Geschäftsmodellen herrschen. Damit geht beispielsweise auch die Abschaffung der Mietvertragsgebühr Hand in Hand.
Seit Jahren wird auf OECD-Ebene über einen Umbau des Steuersystems verhandelt. Unternehmen werden derzeit dort besteuert, wo sie physisch präsent sind und nicht, wo die Konsumenten der Unternehmen sitzen. Eine Mindeststeuer für große multinationale Konzerne in Höhe von 21 Prozent wurde von der US-Regierung erst kürzlich in den Ring geworfen. Eine Einigung auf OECD-Ebene muss spätestens in diesem Jahr erfolgen.
Hoffnung auf „Digital Deal“
„Online-Giganten wie Amazon dürfen sich Jahr für Jahr über Rekordgewinne freuen, die jedoch gegen null optimiert werden, damit keine Steuerleistungen anfallen“, ärgert sich Will. „Es braucht endlich einen Digital Deal, sonst gefährden wir auch alle analogen Geschäftsmodelle und deren Beschäftigte.“
2019 hat etwa der größte Onlinehändler der Welt in Europa einen Umsatz von 32 Milliarden Euro erwirtschaftet – und dafür eine Steuergutschrift von unfassbaren 300 Millionen Euro erhalten. Darüber hinaus müssen sich Versandhändler aus Drittstaaten nicht mit österreichischen Gebühren und Zwangsabgaben herumschlagen. Im ersten Quartal 2021 konnte Amazon seinen Globalumsatz um satte 44 Prozent auf mehr als 108 Milliarden Dollar steigern und den Gewinn verdreifachen. Will: „Es ist höchste Zeit, diese Milliardengewinne endlich fair zu besteuern!“