Reisen in Zeiten von Corona


Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Erwarte das Unerwartete
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Goethe soll einst gesagt haben: „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“. Sein Zeitgenosse Adolph Freiherr von Knigge formuliert da schon etwas griffiger: „Zum Reisen gehört Geduld, Mut, guter Humor … und dass man sich durch widrige Zufälle, Schwierigkeiten … und dergleichen nicht niederschlagen lässt.“ Und das beantwortet wohl die Frage, was das späte 18. Jahrhundert mit den 2020er Pandemiejahren gemein hat.

In Wirklichkeit fehlt es vielen von uns seit Monaten: das Gefühl, sich nach Herzenslust frei von hier nach dort bewegen zu können. Die lokale Bewegungsfreiheit scheint in Österreich schrittweise wieder hergestellt zu werden, aber „reisen“? Gar ins Ausland? Geht das überhaupt? Ist das „sozial verträglich“?

Wir wollen uns hier weniger den philosophischen Fragen widmen, etwa was wohl die Nachbarn denken werden, wenn sie erfahren, dass wir einen österreichischen Lockdown auf den Malediven verbringen, sondern vielmehr der Frage, wie sich das grenzüberschreitende Reisen seit Anfang letzten Jahres verändert hat und wie wir uns darauf einstellen können.

Tempora mutantur (nos et mutamur in illis)

„Die Zeiten ändern sich – und wir mit ihnen …“ Eines zeichnet sich bereits deutlich ab: Reiseplanung und -erlebnis haben sich verändert. Wie nachhaltig? Das wird die Zeit zeigen. Wer früher schon Monate im Voraus jedes Detail seiner Reise geplant hatte, wird bald merken, dass in Zeiten von COVID-19 selbst eine Woche schon ein sehr langer Zeithorizont sein kann, innerhalb dessen sich noch viel ändert: Grenzöffnungen & -schließungen, Flugplanverschiebungen und Umbuchungen, Ein- & Ausreiseformulare, QR-Codes, Testerfordernisse, Dienstleistungen in Hotels & Gastronomie, Ausgangssperren, Öffnungszeiten, Quarantäneregelungen und vieles mehr.

Eines jedoch ist fix: Erwarten Sie Überraschungen, die Sie nicht kommen sehen haben. Wir haben festgestellt, dass sich manches gar ein wenig verbessert hat, vieles aber ist wesentlich aufwendiger geworden. Und wir haben bemerkt, dass es keine Regel gibt, die nicht durch viele Ausnahmen bestätigt wird.

Ach ja, und bitte: Wundern Sie sich nicht! „Corona“ ist die derzeit wohl beliebteste Begründung für so ziemlich jede – oft sinnvolle, mitunter aber auch ausgesprochen skurrile – Maßnahme: Von der Reduktion des Menükartenumfangs auf etwa 10% des vorpandemischen Umfangs oder der Streichung von Willkommensgetränken im vorderen Kabinenteil der Boeing, über verbeulte Mietwägen mit starkem Marihuana-Geruch bis hin zur Verpflichtung, die Betten nach dem Hotelaufenthalt selbst abzuziehen.

Auf hoher See

Um es vorauszuschicken: über das Reisen zu Wasser lässt sich noch nicht gar so viel sagen, denn Kreuzfahrten sind erst jetzt wieder langsam am Start. Manche Reedereien haben bereits angedeutet, vorerst nur „vollständig geimpfte“ Passagiere an Bord zu nehmen. Jene Kreuzfahrtunternehmen, die in den vergangenen zwei Jahren Gutschriften für stornierte Reisen – durchaus auch mit Bonus – ausstellten, versuchen nun scheinbar wieder etwas an Land zu gewinnen, indem sie ihre Kabinen teurer als zuvor verkaufen, aber man hat ja schließlich noch den Gutschein, also was soll‘s.

Reisen in Zeiten von Corona

Über den Wolken

Begeben wir uns zunächst zum Flughafen. Bereits in den Tagen vor unserer Abreise haben wir wahrscheinlich wiederholt verifiziert, ob alle Vorbereitungen getroffen sind und ob wir halbwegs verstehen, was nicht nur am Abflugort und am Reiseziel, sondern auch am Transitflughafen zu dokumentieren ist – und wie. Zuvorkommende Airlines erinnern 1-2 Tage vor Abflug an alles Nötige. Mitunter kann man sogar alle Dokumente vorab hochladen, um optimal vorbereitet zu sein. Und in manchen Fällen kann man sogar – wie in den guten „alten“ Zeiten – seine Bordkarte vorab online beziehen.

Sind wir dann am Flughafen angekommen, ist alles möglich: Gepäckabgabe, Dokumentencheck, Passieren der Security und Passkontrolle Montag früh in 4-5 Minuten „all inclusive“ – und das ohne jeden Vielfliegerstatus oder Priorität! Da sind auch freundliche Airline-MitarbeiterInnen, die die Extrameile gehen, um gerade noch vor Abflug dem desorientierten Passagier zu helfen, auf seinem Mobilgerät einen fehlenden QR-Code für das Zielland zu beantragen. Aber da ist auch die zweistündige Wartezeit, nur um die Buchstaben „DOCS OK“ auf die ausgedruckte Bordkarte geschrieben zu bekommen, nachdem die MitarbeiterIn all jene Dokumente inspiziert hat, die man Tags zuvor auf dem Onlineportal hochgeladen hat („ach so, ja, das funktioniert leider nicht richtig“).

(Un-)Möglichkeiten

Statuskunden auf internationalen Flügen sind durchaus gut beraten, vor dem Durchschreiten der Passkontrolle zu prüfen, ob sich nicht möglicherweise die einzige geöffnete Lounge noch vor ebendieser befindet. Dort angekommen ist das Spektrum der (Un)Möglichkeiten ebenfalls ein großes:

  • Ein Schild mit der Aufschrift „Open“ heißt nicht unbedingt, dass gerade heute und um diese Uhrzeit tatsächlich die Tore geöffnet sind. Falls doch, dann wiederum bedeutet das nicht zwangsläufig, dass bisher Zutrittsberechtigte auch in diesen besonderen Zeiten Eingang finden, denn die Spielregeln ändern sich mitunter so schnell, dass bisher einfach noch niemand „das Internet“ informiert hat.
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Geöffnete Vielflieger Lounge in Pandemiezeiten
  • Manch geöffnete Lounge ist wirklich ein Ort der Ruhe – aber auch der Besinnung auf das Wesentliche: das Sitzen. Selbst in gewissen Priority Lounges, wo sich früher heiße Speisen, kalte Getränke, alkoholische Drinks und ein Hauch von Überfüllung vermischten, findet sich heute unter Umständen nur mehr eine Abstellfläche mit kleinen Chips-Packungen und Oreos (einzeln verpackt) sowie ein Kühlschrank mit kleinen Wasserflaschen – zur freien Entnahme. Nicht mehr und nicht weniger.
  • Aber der Fairness halber: Es gibt durchaus auch Flughäfen, wo eine Lounge à la carte serviert, mehrere Getränke anbietet oder Grab & Go–Pakete mit Tee oder Kaffee anbietet. Diese dürfen erst nach Verlassen der Lounge konsumiert werden – 5 Meter weiter am Gang, oder 500 Meter weiter im Flugzeug. Das Einzige, was wir schon seit langem – und das mit gutem Grund – nicht mehr gesehen haben, sind lange Buffettische zur Selbstbedienung.
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  • Die Flughäfen selbst sind mitunter wahre Geisterstädte. Vor dem Abflug durch Gänge mit geschlossenen Rollbalken alleine zum Abfluggate? Eher eine Erinnerung an den letzten Sommer, aber bis heute nicht auszuschließen. Zur Hauptverkehrszeit buchstäblich alleine in der Ankunftshalle? Ein Erlebnis der anderen Art, aber möglich. Internationale Einreise in den USA an einem der Großflughäfen in 2 Minuten und ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen? Realistisch.
  • Wer sich nunmehr darauf freut, ein Flugbegleiter-Passagier-Verhältnis von 1:1 an Bord vorzufinden, der irrt allerdings gewaltig. Natürlich gibt es Flüge, deren Auslastung die 50%-Marke nicht erreichen und sogar unentgeltliche inneramerikanische Vielflieger-Upgrades in die First Class am Tag vor dem Abflug sind möglich. Doch die Maßnahmen der Airlines zeigen, dass die Flugfrequenz wieder steigt: Freigehaltene Mittelplätze werden wieder besetzt, die monatelang stillgelegten Teile der Flotte wieder aktiviert, die ersten Freiwilligen gesucht, die sich umbuchen lassen, weil die Flüge überbucht sind.
  • Wie immer in der Dienstleistungsbranche reicht auch während COVID-19 die Betreuung an Bord von teilnahmslosem Desinteresse über professionelles Abarbeiten der Aufgaben bis zur hingebungsvollen Betreuung. Auf manchen Flügen hat man gar das Gefühl, die Belegschaft freut sich darüber, endlich wieder ihrer Arbeit nachgehen zu können, insbesondere da, wo sie ohne von Kopf bis Fuß in Plastik gehüllt zu sein, tätig sein können.
  • Die Erlebnis- und Ergebnis-Bandbreite ist aber groß und was heute an einem Ort gilt, sieht morgen schon ganz anders aus. Das Fliegen mit Mund-Nasen-Schutz dürfte uns noch eine Weile begleiten, ob FFP2-Maske oder nicht, ob mit „maskierten Kleinkindern“ oder nicht, ob getestet oder nicht, ob mit oder ohne Catering – mit viel Plastik rundherum oder nicht … hier gibt es eine Menge an Spielvarianten.
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Zu sicherer Erd‘

Während man sich in Österreich dieser Tage nach langer Abstinenz wieder der Caféhäuser, Schanigärten und Wirtshäuser erfreut und sich überlegt, wie viel persönliches Datenmaterial man hierfür preiszugeben bereit ist, ist das lokale Lokal im Ausland nicht immer genormt. Fast überall achtet man zurzeit noch auf mehr oder weniger Abstand zwischen den Gästen, doch ob der Zutritt nur nach Voranmeldung erfolgen kann, über ein Eingangsportal mit Kette und Wachpersonal, nach Wartezeiten in dichtgedrängten Warteschlangen auf der Straße, ob mit oder ohne Maske (und ab wann sie abgenommen werden darf – etwa erst, wenn ein Getränk auf dem Tisch steht), ob mit oder ohne Temperatur- und Dokumentencheck, das könnte genauso gut in den Sternen stehen. Diversität statt Homogenität.

Wer im Ausland essen gehen möchte wird sich in vielen Fällen zuerst darum kümmern müssen, ein Mobiltelefon mit intakter Internetverbindung sein Eigen zu nennen, denn QR-Codes als Menükarte sind offenbar die neue Norm, wenngleich mitunter auch einige Speisen vom Servicepersonal aufgezählt werden können – so man der Sprache mächtig ist. Besonders gestresste Restaurantmitarbeiter weisen bereits in Aushängen beim Eingang darauf hin, dass es zu langen Wartezeiten kommen wird, weil man „extrem unterbesetzt“ sei.

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Distanzierte Hotelregistrierung

Ähnlich verhält es sich mit Hotels und deren Serviceangeboten. Tanzende Mitarbeiter sieht man im Allgemeinen nur auf Instagram. Mehr als sonst zahlt es sich aus, schon bei der Buchung mehr als früher auf das Kleingedruckte zu achten. Häufig finden sich neben den Umbuchungs- und Stornierungsoptionen auch Hinweise auf die (nicht) angebotenen Dienstleistungen, die unabhängig von der Bezahlung möglicherweise nicht angeboten werden. Aus dem umfangreichen Buffet wird dann schon leicht einmal ein Gutschein für einen Café und Croissant im Fastfood-Lokal um die Ecke. Oder ein bei der Rezeption zu beziehender Mikrowellensnack für das Zimmer. Oder es gar keine Speisen mehr–vorübergehend oder länger.

Alles desinfiziert

Dass es weltweit zu weitreichender Personalreduktion in Gastronomie und Hotellerie gekommen ist, wird nicht überraschen, wie man das zu kompensieren versucht vielleicht schon: Zahlreiche Hotels auch der 4- und 5-Stern-Kategorie setzen auf „Nummer sicher“ und vermeiden das Betreten der Gästezimmer während des Aufenthalts. Was benötigt wird – vom Entleeren des Mülleimers über Verbrauchsartikel bis zu Textilien – kann telefonisch bestellt werden und anschließend im Zimmer mittels “Do-It-Yourself“-Aktivitäten seiner Verwendung zugeführt werden. Im Gegenzug legt man Wert auf umfangreiche Desinfektion vor Ankunft. Je nach besuchter Institution kann dies allerdings recht stark variieren – von glaubhaft versiegelten Zimmern mit entsprechendem Geruch bis hin zu „alles desinfiziert“-Zetteln, die neben den Brotkrümeln der vorherigen Gäste auf dem Tisch liegen.

© PantherMedia/asiandelight
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Reisen in Zeiten von Corona

Bewegungsfreiheit

Ein Wort noch zu Mietwägen. Gerade im Land der unbegrenzten Mobilität, den Vereinigten Staaten, wurde man offenbar von der schnellen Rückkehr zur Reisenormalität etwas überrascht. Zahlreiche Mietwagenunternehmen haben ihre Flotte und ihr Personal massiv reduziert, weshalb es zusehends zu Engpässen in der Verfügbarkeit kommt. In Las Vegas beispielsweise hat einer der größten Anbieter sämtliche Niederlassungen in der Stadt geschlossen und alle Fahrzeuge am Flughafen konsolidiert. Fahrzeug- und Personalengpässe können hier dennoch zu stundenlangen Wartezeiten auch für reservierte Fahrzeuge führen, und dann muss man nehmen, was gerade verfügbar ist.

Getreu dem marktwirtschaftlichen Prinzip sind damit Tagesraten für Mietfahrzeuge zu entrichten, die durchaus das 15fache der früheren Preise erreichen können. Bauernschläue hilft bis zu einem gewissen Grad, wie die Situation auf Hawaii gezeigt hat, doch irgendwann sind auch Umzugs-LKWs und Kleinbusse restlos vermietet. U-Haul Truck statt Cabrio ist also ein durchaus realistisches Ferienszenario geworden.

Auf Nummer Sicher?

Selbstverständlich gibt es große Unterschiede zwischen beruflichen und privaten Reisen – bei Notwendigkeit, Dringlichkeit, verfügbarem Budget, Anforderungen während der Reise, aber auch bei Ein- und Ausreiseregeln, die durchaus abweichende Erfordernisse und Quarantäne-Restriktionen mit sich bringen können. Und wer denkt, trotz bestehender Reisewarnung im Falle einer COVID-19 Erkrankung im Ausland dank seiner allumfassenden Reiseversicherung abgedeckt zu sein, der möge das detailliert prüfen. Anfang April 2021 fand sich nicht eine österreichische Reiseversicherung, die bei detaillierter Nachfrage nicht doch eine Vertrags-Ausstiegsklausel hatte. In Deutschland fand sich immerhin eine, die ihre Gültigkeit behielt – zu einem entsprechenden Preis.

Fazit

Ampelsysteme und Registrierungspflichten, Ein- und Ausreiseformalitäten, Distanzregelungen und Massenansammlungen, Dienstleistungseinschränkungen und menschenleere Attraktionen … Reisen bleibt spannend, mitunter spannender und zeitaufwendiger als uns lieb sein mag. Wer mit Flexibilität so seine Probleme hat, der ist wahrscheinlich daheim am besten aufgehoben, wer sich auf das Abenteuer Reisen einlässt, der ist wieder im Spiel. Und die eine Konstante bleibt – frei nach Reinhard Fendrich: Nix is fix.

Autor: Markus Kakavis

Mag. Markus Kakavis, BA ist selbständiger Unternehmensberater aus Wien mit Schwerpunkt internationales Projekt- & Veränderungsmanagement.

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