Frailty-Syndrom und Sarkopenie – der unbemerkte und schleichende Prozess

Präventive Maßnahmen und gezielte Therapieansätze erhöhen die Lebensqualität um ein Vielfaches.
© Klinikum Wels-Grieskirchen / Nik Fleischmann
Frailty-Syndrom und Sarkopenie – der unbemerkte und schleichende Prozess
Alexander Skreiner, Leiter des Instituts für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation am Klinikum Wels-Grieskirchen.

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Die beiden Fachausdrücke sind in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Das Bild vom gebrechlichen älteren Menschen, der nach und nach an Selbstständigkeit verliert, ist hingegen jedem ein Begriff. Allerdings setzt der altersbedingte Muskelabbau bereits ab einem Alter von 30 Jahren ein. Der Schlüssel zur verbesserten Lebensqualität liegt dazu einmal mehr im regelmäßigen körperlichen Training.

„Das Frailty-Syndrom beschreibt einen Zustand allgemeiner Schwäche mit erhöhter Sturzgefahr und Infektanfälligkeit, der häufig ältere Menschen betrifft. Menschen reagieren dann stark auf Stressfaktoren von außen, zum Beispiel auf Erkrankungen und starke Belastung. Typische Anzeichen sind ein ausgeprägtes Erschöpfungsempfinden, ungewollte Gewichtsabnahme und verminderte Handkraft“, erklärt Alexander Skreiner, Leiter des Instituts für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation am Klinikum Wels-Grieskirchen.

Die Handkraft spielt auch beim Erkennen der Sarkopenie eine entscheidende Rolle. Dass der altersbedingte Muskelabbau bereits ab einem Alter von 30 Jahren schleichend beginnt, ist vielen nicht bewusst.

„Durch die Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft verliert man über die Jahrzehnte zunehmend an Mobilität und Selbstständigkeit“, betont Michael Pfob, Sportwissenschaftler und Trainingstherapeut am Medifit Wels.

Die Folgen sind ein erhöhtes Sturzrisiko und eingeschränkte Lebensqualität. Das Rezept dagegen ist einfach: Krafttraining. Die Diagnostik von Sarkopenie umfasst unter anderem die Messung der Handkraft sowie eine spezielle Sturzrisiko- und Muskelkraftanalyse.

„Eine einfache Handkraftmessung kann viel über den Zustand des Bewegungsapparates verraten. In der Therapie setzen wir auf Krafttraining inklusive ausreichender Kalorien- und Proteinzufuhr, Physiotherapie und Koordinationsübungen, um den Muskelabbau zu verlangsamen oder gar zu stoppen“, unterstreicht der Sportwissenschaftler.

Krafttraining als einfaches Lösungskonzept

Ein Leben in Bewegung ist heute länger möglich als je zuvor. Galt der Oberschenkelhalsbruch bei älteren Patienten früher oft als Anfang vom Ende, ist ein Kunstgelenk heute oftmals ein Neustart in Richtung Aktivität.

„Nach der operativen Versorgung starten wir mit den Patienten rasch in ein der Konstitution angepasstes körperliches Training, um ihre Fitness zu erhalten beziehungsweise wieder aufzubauen“; erörtert Alexander Skreiner.

Auch bei Patienten nach schweren Erkrankungen wie Krebs können sich die beiden Beschwerdebilder bemerkbar machen. Tumorpatienten entwickeln nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung durch Veränderungen im Blutbild und vermehrte Infekte eine zunehmende Schwäche. Kommt Müdigkeit hinzu, wird es sehr schwer, den Patienten zur Aktivität zu motivieren. Ist der Schritt zum regelmäßigen Training allerdings geschafft, kommt es rasch zur Ausschüttung von Endorphinen.

Myokine und Muskelkommunikation

Regelmäßiges Training gilt also als der Schlüssel zur Prävention von Muskelschwäche und Gebrechlichkeit.

„Der Grundsatz ‚Use it or lose it‘ verdeutlicht, wie entscheidend körperliches Training beziehungsweise Muskelkrafttraining für den Erhalt der Muskulatur ist. Zum Glück hat das Klischee der ‚Muckibude‘ ausgedient. Heute trainieren viele Senioren, um gesund und mobil zu bleiben. Wer bereits in jungen Jahren mit dem Krafttraining beginnt, ist im Vorteil, doch für einen Neustart sei es nie zu spät. Denn die Muskulatur ist nicht nur für die Bewegung verantwortlich, sondern kommuniziert aktiv mit dem restlichen Körper“, informiert Michael Pfob.

Frailty-Syndrom und Sarkopenie – der unbemerkte und schleichende Prozess
Alexander Skreiner (links im Bild) und Michael Pfob, Sportwissenschaftler und Trainingstherapeut am Medifit Wels.
© Klinikum Wels-Grieskirchen / Nik Fleischmann

Durch Krafttraining und körperliche Belastung werden sogenannte Myokine freigesetzt. Diese Botenstoffe, die wichtige Signale aussenden – zum Beispiel an den Knochen – sowie gezielte mechanische Zug- bzw. Druckbelastungen während der Bewegung sind für den Erhalt und die Stärkung der Knochenstruktur essenziell.

Zukunftsaussichten

Mit einer älter werdenden Bevölkerung werden die Beschwerdebilder des Frailty-Syndroms und der Sarkopenie zunehmend an Bedeutung gewinnen.

„Wir müssen unsere Gesundheitsvorsorge in den kommenden Jahren weiter ausbauen“, fordert Michael Pfob.

Gezielte Trainingsprogramme für ältere Menschen und die Integration von Krafttraining in den Alltag sind entscheidend, um für viele Menschen gute Lebensqualität zu erhalten. Auch in der Patientenversorgung wird die individualisierte Betreuung eine immer größere Rolle spielen. Physiotherapie und speziell angepasste Trainingsmethoden können ältere Menschen dabei unterstützen, ihre Mobilität und Selbstständigkeit so lange wie möglich zu bewahren. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Muskelkrafttraining im Alter und nach schweren Erkrankungen sollte ebenso gestärkt werden.

„Betriebliche Gesundheitsvorsorge ist hier ein weiterer wichtiger Aspekt. Investitionen in die Gesundheit der Belegschaft können langfristig teure Krankheitsausfälle reduzieren“, ergänzt Alexander Skreiner abschließend.

https://www.klinikum-wegr.at

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