Wie stark beeinflussen emotionale Faktoren die Aktienmärkte?

Stimmungsindikator “CNN Fear and Greed Index” fungiert als Basis für viele Anlageentscheidungen.
© Margit Kundigraber / Steiermärkische Sparkasse
Wie stark beeinflussen emotionale Faktoren die Aktienmärkte?
Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse.

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In die Zukunft zu schauen, ist für Anleger:innen nicht möglich, weshalb ein breit gestreutes, ausgewogenes Portfolio mittel- und langfristig die beste Variante für ein solides Investment ist. Dennoch werden weltweit zahlreiche Indikatoren berechnet, die als Signale für die Entwicklung an den Märkten gelten und aus denen Investor:innen ihre Schlüsse für Anlageentscheidungen und -strategien ziehen.

„Einer dieser Indices ist der „CNN Business Fear and Greed Index“ des US-Nachrichtensenders CNN, der anhand verschiedener Kennzahlen eine relative Bewertung des Aktienmarktes auf Basis der Emotionen Angst und Gier vornimmt“; verdeutlichen die Experten der Steiermärkische Sparkasse Private Banking.

„Fear“ aktuell dominant

Aktuell verzeichnet der Index einen niedrigen Wert und liegt im Bereich „Fear“, was wohl der neuerlich unruhigen geopolitischen Lage geschuldet ist. Die schwere Krise im Nahen Osten hat die Öl- und Gaspreise in die Höhe getrieben. Hohe Energiepreise könnten die weltweite Wirtschaft an einer raschen Erholung hindern und die Inflation anhaltend auf einem zu hohen Niveau halten, was wiederum die Notenbanken bewegen könnte, die Zinsen nochmals zu erhöhen oder jedenfalls nicht zu senken. All diese Entwicklungen werden derzeit an den Aktienmärkten mit Argusaugen beobachtet.

© Carolina Frank
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Alexander Eberan, Leiter Private Banking Wien, Steiermärkische Sparkasse.

Emotionen und Aktienmärkte

Der „Fear and Greed Index“ wurde im Jahr 2012 von CNN entwickelt, um zwei der wichtigsten Emotionen, also Furcht und Gier, an der Börse zu messen. Dahinter steht die Annahme, dass beides starke Emotionen sind, die das Verhalten von Anlegern beeinflussen können. Dies wiederum kann sich auf die Aktienkurse auswirken. Daher könnte der Index theoretisch dazu verwendet werden, um festzustellen, ob der Aktienmarkt derzeit fair bewertet ist.

Die Theorie basiert auf der Logik, dass übermäßige Angst dazu veranlasst, die Aktienkurse nach unten zu treiben, und zu viel Gier den gegenteiligen Effekt hat. Der Index ist eine Zusammenstellung von 7 verschiedenen Indikatoren und ihren Abweichungen von den Durchschnittswerten. Er gewichtet jeden Indikator gleich bei einer Punktzahl von 0 bis 100, wobei 100 für maximale Gier und 0 für maximale Angst steht:

1. Stock Price Momentum

Der Stock Price Momentum Indikator vergleicht den aktuellen Stand des breiten US-Aktienindex S&P 500 mit seinem 125-Tage Durchschnittskurs.  Steht der Kurs S&P 500 nah an seinem 125-Tages-Durchschnitt, so würde dies ein „Neutral“ ergeben. Steht er über dem 125-Tages-Durchschnitt, so würde dies zu einer Tendenz in Richtung „Gier“ führen, während ein Kurs unterhalb des 125-Tage-Durchschnitts als „Angst“ gewertet wird.

2. Stock Price Strength

Der Stock Price Strength Indikator vergleicht die Anzahl der Aktien, die an der New Yorker Börse ein neues 52-Wochen-Hoch erreicht haben, mit der Anzahl der Aktien, die ein neues 52-Wochen-Tief erreicht haben. Ein neutrales Ergebnis wird bei einem ungefähren Gleichgewicht zwischen neuen Höchstständen und neuen Tiefständen erzielt. Dementsprechend würde eine erhöhte Anzahl an Höchstständen im Verhältnis zu neuen Tiefständen zu „Greed“ führen und umgekehrt.

3. Stock Price Breadth

Der Stock Price Breadth Indikator analysiert die Handelsvolumina von aktuell steigenden und fallenden Aktien. Höhere Handelsvolumina bei Kursanstiegen bedeuten einem Ausschlag des Indikators in Richtung „Gier“, hohe Volumina in fallenden Aktien deuten auf den Faktor „Furcht“ hin. Sollte keine Tendenz erkennbar sein, so ist das Ergebnis neutral.

© PantherMedia / eamesBot
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4. Put and Call Options

Der Put and Call Options Indikator setzt die Anzahl an offenen Put-Optionen (Verkauf) mit der Anzahl an offenen Call-Optionen (Kauf) ins Verhältnis. Herrscht am Markt einen hoher Absicherungsbedarf vor, drückt sich dies in einer steigenden Anzahl an Put-Optionen aus. Somit würde eine erhöhte Anzahl an Put-Optionen zu „Furcht“ führen, während eine erhöhte Anzahl an Call-Optionen zu dem Ergebnis der „Gier“ führen. Neutral ist der dieser Wert dann, wenn es keine eindeutige Tendenz gibt.

5. Junk Bond Demand

Der Junk Bond Indikator analysiert die Differenz zwischen den Renditen von Anleihen mit geringerer Bonität, sogenannten Junk Bonds, und den Renditen von Anleihen mit guter Bonität (Investment Grade). Ein besonders hoher Spread zwischen den Renditen zeigt die Tendenz zu „Fear“, da Investoren einen höheren Risikoaufschlag als üblich für Anleihen minderer Bonität verlangen. Das Gegenteil würde zu dem Ergebnis „Greed“ führen, wohingegen ein moderater Spread das Ergebnis „Neutral“ bedeutet.

6. Market Volatility

Der Market Volatility Indikator vergleicht den CBOE Volatilitätsindex (VIX), der die Volatilität der Aktien des S&P 500 misst, mit seinem 50-Tages-Durchschnitt. Steht der Index deutlich über diesem Durchschnitt, bedeutet dies, dass eine erhöhte Volatilität am Markt herrscht, was für „Angst“ spricht. Ein neutrales Ergebnis würde bei einem Stand knapp unter oder auf dem 50-Tages-Durchschnitt erreicht, wohingegen ein sehr geringer VIX das Pendel in Richtung „Greed“ ausschlagen lässt.

7. Safe Haven Demand

Der Safe Haven Demand-Indikator vergleicht die Performance von Aktien mit der Performance der US-Staatsanleihen in einem Zeithorizont von 20 Tagen. Bei einer Outperformance der Aktien gegenüber den US-Bonds wird dem Markt eine allgemeine „Gier“ zugeschrieben, während eine Outperformance der Treasuries für „Angst“ am Markt spricht. Bei einer leichten Outperformance von Aktien oder einer Parität wird als Ergebnis „Neutral“ ausgewiesen.

Erfolg?

Indices wie der „CNN Fear and Greed Index“ haben durchaus ihre Fans und können in Kombination mit anderen Messzahlen eine Basis für die Einschätzung über künftige Entwicklungen an den Finanzmärkten geben.

Einige Skeptiker lehnen aber den Index als solides Anlageinstrument zur Gänze ab, da er dazu ermutigt, stets auf der Basis von Emotionen den richtigen Kauf- oder Verkaufszeitpunkt (Market Timing) zu finden.

Beim sogenannten Rebalancing, zum Beispiel, werden Anlageklassen, die stark an Wert gewonnen haben, anteilig verkauft und Anlageklassen, die an Wert verloren haben, zugekauft. So werden Emotionen und der sogenannte Herdentrieb vermieden und die strategische Vermögensstruktur, für die man sich entschieden hat, wird beibehalten.

https://www.sparkasse.at/steiermaerkische

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