Der Handelsstreit zwischen Peking und Washington steht auf der einen Seite, Chinas Vorreiterrolle in Sachen Elektromobilität, Halbleiter und Technologie auf der anderen. Und Investoren stehen im Zwiespalt. Die Komplexität der Lage verdeutlichen diverse Analysen und Umfragen:
Für Österreich ist China gemeinsam mit Deutschland und Italien einer der wichtigsten Handelspartner und die Direktinvestitionen betrugen 2022 laut der Nationalbank drei Milliarden Euro. Bloomberg berichtet wiederum, dass ausländische Anleger zwischen Dezember 2021 und Juni 2023 chinesische Aktien und Anleihen im Wert von 188 Milliarden US-Dollar abgestoßen haben. Dazu gesellt sich eine Umfrage der Bank of America unter Fondsmanagern, laut der sich diese aus China und Schwellenländern stark zurückziehen und ihre Aktivitäten in die USA verlegen. Wie sollen private Investor:innen nun handeln?
USA schützen High-Tech-Sektor
Im August verhängte die US-Regierung ein Verbot bestimmter Investitionen aus den Vereinigten Staaten nach China, um sensible Technologien zu schützen. Betroffen sind der Halbleitersektor, Quanteninformationstechnologien und spezielle KI-Systeme.
„Privatanleger sind von diesem Verbot nicht direkt betroffen, aber sie können indirekt betroffen sind, wenn sie in Unternehmen investiert sind, die unter diesen Erlass fallen. Wer beispielsweise in ein Joint Venture mit einem chinesischen Unternehmen investiert, dem könnte das zukünftig untersagt werden“, erklärt Shanna Strauss-Frank, Network Development Managerin bei Freedom Finance Europe.
Besonders heikel könnte es diesbezüglich in der Halbleiterbranche werden: China gilt als einer der wichtigsten Halbleiterproduzenten, beide Länder kämpfen um die Vorherrschaft im High-Tech-Sektor.
Chinesische Aktien weiterhin beliebt
„Während die geopolitischen und handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China intensive Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sollten Anleger bei Investitionen in asiatische Märkte allgemein vorsichtiger sein“, warnt Shanna Strauss-Frank.
Doch schoss kürzlich inmitten des Konflikts und während des Konsumrückgangs die Alibaba-Aktie in die Höhe. Warum?
„Der chinesische E-Commerce-Markt wächst nach wie vor schnell. Außerdem baut Alibaba intensiv sein Cloud-Computing-Geschäft aus, die Wachstumsrate übersteigt sogar jene des E-Commerce-Business. Der Konzern investiert auch viel in KI und Logistik, was für viele Anleger sehr vielversprechend klingt“, konstatiert die Expertin.
Die Alibaba-Aktie ist nun dennoch wieder gesunken. Zudem hat China angekündigt, nach der Verlängerung des Kreditanreizes für Immobilienentwickler, zusätzliche wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen durchzuführen. Investor:innen rechnen also damit, dass die Maßnahmen die Konsumausgaben in der zweiten Jahreshälfte ankurbeln werden. Auch der Markt für Elektroautos ist in der Volksrepublik mit den Branchenführern BYD, NIO, XPeng Motors und Li Auto gigantisch.
„Die E-Mobilität wird in China staatlich unterstützt und das Land gilt als sehr innovativ, wenn es um neue Elektrolösungen geht. Weil die Arbeits- und Produktionskosten sehr gering sind, hat China definitiv auch einen Kostenvorteil“, erörtert Shanna Strauss-Frank.
Aktien aus dem Sektor sind auch bei ausländischen Investoren beliebt, dass die EU nun mit Strafzöllen auf chinesische E-Autos droht, könnte zu einem Stimmungswechsel an der Börse führen.
Schwellenländer als Alternative
Anleger sind zwiegespalten, einige Experten sehen den Mittelweg darin, in westliche Unternehmen, die Teile ihrer Geschäfte in China tätigen, zu investieren.
„Nike zum Beispiel hat in China eine bedeutsame Einzelhandelspräsenz und sponsert aktiv chinesische Sportveranstaltungen. Auch Starbucks oder McDonald’s sind in China weitläufig beliebt“, weiß die Finanzexpertin.
Auch der Anlegerklassiker Apple ist mit seinem iPhone hier populär, Gerüchte über ein iPhone-Verbot in chinesischen Behörden führten aber zu einem Verlust von 200 Milliarden US-Dollar innerhalb von zwei Tagen. Das Konglomerat aus regulatorischen Maßnahmen, den Handelsstreit mit den USA und der Abschwächung der Binnenwirtschaft macht China derzeit eher zu einem angespannten Investmentumfeld.
„Japan und Indien gelten für viele Anleger nun als Alternativen in Asien. Japan ist nach wie vor ein stabiler Markt mit etablierten Branchen. Das politische Risiko ist im Vergleich zu den Schwellenländern gering“, hält Shanna Strauss-Frank fest.
Indien hingegen gelte als eine der am schnellsten Volkswirtschaften der Welt – besonders den Technologiesektor haben die Investoren hier im Blick. Es drängen sich immer mehr US-amerikanische Unternehmen auf den indischen Markt, weil sie ihre Produktionsstätten aus China hierher verlagern. Abschließend merkt die Expertin noch an: „Man sollte dennoch bedenken, dass es in Indien einige Hürden gibt, darunter komplexe Vorschriften und verschiedene Infrastrukturmängel.“