Die moderne Wirtschaft basiert auf dem Hebel also auf der Finanzierung mit Fremdkapital. Staaten, Unternehmen und Privatpersonen nehmen Schulden auf, um Sozialausgaben, Investitionen oder den Konsum zu finanzieren. Diese Finanzierung steigert die Nachfrage und ist somit ein wesentlicher Motor des Wirtschaftswachstums.
Das ergibt aus gesamtwirtschaftlichen Wachstumsüberlegungen Sinn, und das Vorgehen stellt auch kein Problem dar, wenn die Schulden nicht zu hoch und vor allem die Zinsen niedrig sind – oder wie in der vergangenen Dekade in Kerneuropa sogar negativ. Mit einem Blick über den Atlantik in die USA, wo die Staatsverschuldung durch wenig kontrollierte Staatshaushalte ein Ausmaß erreicht hat, das weit jenseits der jährlichen Wirtschaftsleistung liegt, wird aber deutlich, dass steigende Zinsen dort bei den Verantwortlichen Sorgenfalten hervorrufen.

Überdies steht das US-Treasury im aktuellen Jahr vor der Situation, einen sehr hohen Teil seiner Anleihen „rollen“ zu müssen: also die endfälligen Anleihen mit teilweise noch niedriger Verzinsung der Vergangenheit durch neue Anleihen mit höheren Zinsen ersetzen zu müssen.
Für Anleger:innen gilt Spiegelbildliches: Renteninvestor:innen blicken auf mehr als zehn magere Jahre zurück, sie können im aktuellen Umfeld aber wieder mit ansprechenden Veranlagungsergebnissen rechnen. Das gilt vor allem dann, wenn sie das Jahr 2022 gut gemanagt haben: Damals erfolgte der größte Teil der dramatischen Zinsanstiege. Wer sich günstig also mit kurzen Laufzeiten, Inflationsanleihen und dergleichen – positionierte, konnte Kursverluste geringhalten. Bei Anleihen entstehen Kursverluste immer bei steigenden Renditen.
Seit 2023 ist bei Anleihen eine Seitwärtsbewegung auf interessanten Niveaus festzustellen. In den vergangenen beiden Jahren ist es den Anlageexpert:innen der Schoellerbank gelungen, mit einer konservativen Vermögensverwaltung (also ohne Aktienbeimischung) die Inflation wieder zu übertreffen. Das allgemeine Zinsniveau, eine Übergewichtung von Unternehmensanleihen sowie eine kleine Beimischung von Schwellenländeranleihen haben dieses Ergebnis ermöglicht. Auch die aktuellen Renditen zeichnen ein positives Bild für die Zukunft.
Jüngste Marktverwerfungen
Meldungsgetriebene Märkte sorgten vor allem seit der Inauguration des neuen US-Präsidenten für Unruhe und Unberechenbarkeit an den Börsen. Die Wellen schlugen von den Aktienmärkten auf die US-Zinsmärkte über. In den USA hingegen scheinen vor allem internationale Anleger:innen ein geringeres Vertrauen in die US-Politik zu haben: Die 10-jährigen Renditen waren zuletzt vorübergehend wieder auf über 4,5 % angestiegen, eine Situation, die der Regierung im Zusammenhang mit den bald nötigen neuen Anleihen-Emissionen wohl Unbehagen bereitet.
In Europa sorgte vor allem die Ankündigung des deutschen Sonderbudgets für einen Sprung der Renditen nach oben. Zwar steht die Mehrheit der Volkswirt:innen und auch der Bevölkerung hinter diesen Maßnahmen, Anleger:innen müssen aber dennoch die plötzlich angekündigten Mehrausgaben der Staatshaushalte erst verdauen. Angesichts des schwachen konjunkturellen Umfeldes macht sich zuletzt wieder eine leichte Abwärtsbewegung bei den Renditen bemerkbar.
Jedenfalls bewies die jüngste Aktienmarkt-Korrektur, dass Rentenpositionen im Portfolio wieder als Puffer dienen können: Während globale Aktien seit Jahresbeginn ein zweistelliges Minus verzeichnen, notieren europäische Anleihen – gemessen am Gesamtmarkt – sogar leicht im Plus.
Anleihen werden also ihrer Rolle als Stabilisierungsfaktor in einem gemischten Portfolio wieder gerecht. Diese Funktion hatten sie vorübergehend eingebüßt, was den niedrigen oder sogar negativen Renditeniveaus geschuldet war.
USA – quo vadis?
Alles hängt an den USA – das galt zumindest in der Vergangenheit. Die US-amerikanische Notenbank Fed gibt die Linie vor, der Rest der entwickelten Welt folgt. Kein Geheimnis ist, dass die Fed mittlerweile eine andere Auffassung einer angemessenen Geldpolitik als die US-Administration hat: Während die Regierung niedrige Zinsen zur Konjunkturbelebung und Erleichterung des Staatshaushaltes sogar lautstark einfordert, scheinen die Währungshüter:innen den Fokus momentan stärker auf die Inflationsbekämpfung zu legen. Damit scheinen Zinssenkungen in die Zukunft aufgeschoben.

Als eines der Erfolgskriterien unseres westlichen Wirtschaftssystems gilt, dass eine Notenbank unabhängig, also frei von Staatseinfluss, agieren kann. Während sich der Konflikt zwischen Fed und US-Regierung zuspitzt, scheint die Fed ihren Weg beharrlich zu verfolgen. Es bleibt abzuwarten, welchen Ausgang diese Entwicklung nimmt. Fest steht aber, dass bei einer Verlangsamung der Konjunktur und damit auch einem Anstieg der Arbeitslosigkeit das Pendel der Fed etwas weg von Inflationsbekämpfung und hin zur Wirtschaftsförderung ausschlagen wird. Die Gefahr steigender Zinsen dürfte aktuell begrenzt sein, denn die Wachstumsaussichten in der gesamten (entwickelten) Welt erscheinen nicht überbordend.
Im Gegenteil auch in Europa zwingen viele aktuelle Entwicklungen dazu, in die Konjunktur stützend einzugreifen. Das jüngste deutsche Sonderbudget ist so ein konjunkturunterstützender Faktor, von dem auch Österreichs Konjunktur profitieren könnte. Höhere Zinsen könnten solche Fiskalmaßnahmen jedoch wieder konterkarieren.
Wandel auf dem US-Anleihenmarkt
Ein weiterer Faktor, den Anleger:innen beachten sollten, ist die Zusammensetzung internationaler Investoren als Halter von US-Staatsanleihen. Der US-Dollar gilt als Weltreserve und viele staatliche Anleger wie Notenbanken halten langfristige Positionen in US-Staatsanleihen. Diese strategischen Positionen stabilisieren die Zinsen. In den vergangenen Jahren sind solche strategischen Positionen nicht mehr angewachsen, wohingegen private Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen die Mehrverschuldung der Vereinigten Staaten aufgekauft haben. Diese Positionen der Privaten haben mittlerweile jene der staatlichen Investoren überholt. Für viele Private war auch der Zinsvorteil im US-Dollar gegenüber dem Euro und anderen Währungen reizvoll. Doch private Investoren agieren oft weniger strategisch, was die Zins-Volatilität in Zukunft erhöhen könnte.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Zinsveranlagungen jedenfalls wieder sehr interessant, sie sollten jedoch auch aktiv gemanagt werden. Selbst deutsche Bundesanleihen zahlen als sicherstes europäisches Zinsinvestment aktuell höhere Renditen als die vom Markt eingepreiste zukünftige Inflation. Damit ist mit einem Qualitätsrentenportfolio mehr als ein realer Werterhalt möglich. Eine Situation, die Anleger:innen an den Märkten viele Jahre vergeblich suchen mussten.
Fazit
Lange galt, dass der Vermögenserhalt ohne Aktieninvestments nicht sicher gelingen kann – in manchen Perioden nicht einmal nominell. Heute ist die Anlagewelt wieder eine andere und Anleger:innen können mit weniger Risiko erfolgreich investieren. Bei der Auswahl von Anleihen kommt es wie bei sämtlichen Veranlagungen – auf eine strenge Qualitätsprüfung an.
„Anleger:innen sollten sich auch bewusst sein, dass die Welt im Umbruch ist. Ein für lange als fix gewähntes Umfeld wird gerade grundlegend neu geordnet: ökonomisch, sicherheitspolitisch, demokratiepolitisch. Für Europa ergeben sich in der Gemengelage Chancen und Risiken. Gerade in so einem Umfeld ist ein aktiver Investmentansatz Trumpf, denn nur so kann bei geänderten Rahmenbedingungen rasch agiert werden“, ergänzt Felix Düregger, Leiter Anleihen und Währungen – Investment Strategy Schoellerbank AG.