Bis vor Kurzem war die Kreditdynamik in Europa trotz steigender Zinsen und schlechter Wirtschaftsprognosen günstig. Im September lag die Zahl der gewährten Unternehmenskredite bei +8,9 Prozent über dem Vorjahresniveau. Dies dürfte sich laut einer Studie von Kreditversicherer Acredia gemeinsam mit Allianz Trade (eine Marke von Euler Hermes) bald ändern.
„Unternehmenskredite werden voraussichtlich im ersten Halbjahr 2023 in Europa und damit auch in Österreich nicht nur teurer werden, sondern auch schwerer zu bekommen sein“, so Michael Kolb, Vorstand Acredia Versicherung AG.
Zinssätze der Unternehmenskredite steigen
Nach einem Jahr mit stabiler Vergabepolitik, zeigen sich die Banken in der aktuellen Umfrage der EZB zunehmend risikoscheu. Die steigenden Zinsen erhöhen die Kosten, in der Folge verschärfen die Institute ihre Vergaberichtlinien. Dieser Trend dürfte weiter anhalten und das Angebot an Unternehmenskrediten in den nächsten Monaten erheblich einschränken, ähnlich wie in der Anfangsphase der Covid-Krise.
„Zwar sehen wir noch keine Kreditklemme aber Unternehmen mit einem niedrigen Kreditrating oder einer hohen Schuldenquote werden es in den nächsten Monaten schwer haben“, erläutert Michael Kolb.
„Traditionell liegt die Quote, mit der Zinssteigerungen von den Banken weitergereicht werden, bei den Unternehmen höher als bei den Haushalten. Angesichts dessen gehen wir davon aus, dass die Unternehmenskredite in Europa im ersten Halbjahr 2023 um durchschnittlich 200 Basispunkte steigen werden, in Österreich liegt die Prognose bei 199 Basispunkten“, analysiert Michael Kolb.
Sollte es allerdings bis Mitte 2023 weitere Zinsschritte der EZB geben, könnten die Kreditzinsen für Europas Firmen um weitere 200 Basispunkte anziehen und dadurch die Margen um -3 Prozentpunkte schmälern (Österreich: -3,3 Prozentpunkte).
Gefahr der wirtschaftlichen Schieflage
Unternehmen mit unzureichender Kapitaldecke könnten in Folge in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. „Große Firmen haben die Finanzierung für das nächste Jahr bereits aufgestellt“, meint Michael Kolb. „Wenn ein Unternehmen aber von seinen Bargeldreserven zehren muss, dann funktioniert das nur, wenn die Rezession moderat bleibt und die Energiepreise nicht weiter steigen.“
Ein Frühindikator für wirtschaftliche Probleme ist eine Abnahme der Deckung der Zinskosten. So fiel die Deckung in der Eurozone von 5,6 im 3. Quartal 2021 auf 3,2 im 2. Quartal 2022, in Österreich sogar von 11 auf 5,7.
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