Weswegen gibt es immer noch so wenig Frauen in Führungspositionen?

Wie kann das Arbeitsumfeld frauenfreundlicher gestaltet werden und was können Frauen tun, um ihre Chancen auf einen Führungsjob zu erhöhen?
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Weswegen gibt es immer noch so wenig Frauen in Führungspositionen?
Martina Huemann, wissenschaftliche Leiterin des Vienna Executive MBA Strategic Project Mangement der WU Executive Academy.

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Martina Huemann, wissenschaftliche Leiterin des Vienna Executive MBA Strategic Project Management, Doris Hofmeister, Partnerin bei Mercuri Urval, und die Gehalts- und Karriereexpertin Martina Ernst haben sich dieses Thema gemeinsam mit dem Female Leaders Netzwerk der WU Executive Academy genauer angesehen.

Dabei zeigen sie nicht nur die Hauptgründe auf, warum viele Frauen ihre Karrieren nicht so vorantreiben, wie sie könnten, sondern liefern auch konkrete Handlungsvorschläge – für weibliche Führungskräfte selbst, aber auch für ihre Arbeitgeber.

Diversität als Faktor für den Unternehmenserfolg

In der öffentlichen Diskussion zum Thema geht es oft darum, dass Frauen in der Opferrolle dargestellt werden, sie gegenüber Männern im beruflichen Kontext weitgehend benachteiligt sind und daher dringend unterstützt und gefördert werden müssen.

„Diese Sichtweise ist nicht nur völlig veraltet, sondern auch falsch“, sagt Martina Huemann, wissenschaftliche Leiterin des Vienna Executive MBA Strategic Project Management.

Was nämlich häufig außer Acht gelassen wird, ist der positive unternehmerische Aspekt von diversen Teams: steigt der Frauenanteil in (Führungs-)Teams, steigt auch die Performance und Produktivität der Teams, wie zahlreiche internationale Studien belegen. Mehr Frauen in Führungspositionen, Vorständen und Gremien bedeutet also: mehr Produktivität, mehr Umsatz und häufig auch ein größerer Fokus auf Nachhaltigkeit.

Diversität wird somit zum Faktor für den Unternehmenserfolg – und sollte dringend als zentraler betriebswirtschaftlicher KPI ernst genommen und als solcher auch in den wichtigsten Reportings verankert werden“, erklärt Martina Huemann.

Doch was hält Frauen immer noch davon ab, in Führungspositionen zu gelangen bzw. dort zu bleiben? Welche „Pain Points“ verhindern eine erfolgreiche Führungskarriere?

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Gemeinsam mit dem Female Leaders Netzwerk der WU Executive Academy sind die drei Expertinnen dieser Frage auf den Grund gegangen und haben im Folgenden die Haupt-Hürden identifiziert:

1. Gläserne Decke: die unsichtbare Grenze ins Top-Management

In unserer von Männern dominierten Wirtschaftswelt müssen Frauen gefördert und empowert werden – hier sind sich sogar viele traditionell denkende Männer inzwischen einig und unterstützen die Förderung ihrer Kolleginnen. Allerdings: das gilt in der Regel nur bis zur mittleren Managementebene. Sobald Frauen ins Top-Management aufsteigen (wollen), sehen Männer sie als Konkurrentinnen und machen ihnen ab hier das Leben schwer (siehe auch „glass cliff“). Viele Frauen, die es an die Spitze geschafft haben, berichten, dass der Gegenwind so stark ist, dass sie sich selbst aus dem Spiel nehmen und nach beruflichen Alternativen Ausschau halten. Bis Juni 2026 müssen laut EU-Richtlinie alle börsennotierten Unternehmen einen Frauenanteil von 40 Prozent in den Vorständen aufweisen.

„Diese Konzerne geraten deshalb unter Zugzwang: Sie bestellen in jedem Fall eine Frau in den Vorstand. Andere umgehen die Richtlinien indirekt, indem sie ihre Vorstandsgremien von drei auf zwei Vorstände reduzieren – das hat allerdings einen Bumerang-Effekt und kommt weder bei Kundinnen noch bei der jüngeren Generation gut an“, erörtert Martina Ernst, im Vorstand des Female Leaders Network an der WU Executive Academy und Expertin für Karriere- und Gehaltsthemen mit langjähriger Führungserfahrung.

Martina Ernst ortet aber ein Umdenken: Immer mehr Unternehmen erkennen den Mehrwert diverser Vorstandsbesetzungen.

  • Die Auswirkungen eines altmodischen Management-Stil

Frauen sind häufig auf C-Level mit traditionelleren Management-Ansätzen konfrontiert, die es ihnen schwerer machen, sich erfolgreich in die männlich dominierte Welt zu integrieren. Anders als beispielsweise in Schweden ist es hierzulande unüblich, dass Frauen im Top-Management arbeiten, während ihre Männer zuhause in Elternkarenz sind.

Frauen werden also nach wie vor abgeschreckt, diesen Schritt in Richtung Management auch tatsächlich zu wagen, denn: „Wenn sie ein Umfeld vorfinden, in dem sie als Frauen allein sind und das Gefühl haben, wie ein Mann agieren zu müssen, dann holt dies Frauen nicht ab. Auch wenn keine bewusste Ausgrenzung passiert, fühlt man sich ausgeschlossen“, unterstreicht Martina Ernst.

Frauen würden tendenziell eine offene Diskussionskultur bevorzugen. Finden sie diese Offenheit nicht vor, dann werden sie sich bald nach Alternativen umsehen. Das zeigt sich auch immer wieder in Abgängen von Top-Managerinnen.

  • Der Broken-Rung-Effekt – die defekte Karriereleiter für Frauen

Trotz bescheidener Fortschritte sind Frauen in Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert: Je weniger Frauen es in den unteren Führungspositionen gibt, desto weniger können in höhere Positionen aufsteigen. Das größte Hindernis für weibliche Führungskräfte liegt in der ersten Sprosse der Karriereleiter („broken rung“), weil sie noch immer seltener befördert werden als Männer. Das Ergebnis: Es gibt zu wenige Frauen, die in leitende Positionen aufrücken können, da sie bereits in ihren frühen Karrierestufen unterrepräsentiert sind.

Rund 46,3 Prozent aller Erwerbstätigen in der Europäischen Union waren 2023 Frauen. Insgesamt war in allen Führungsetagen – Vorstände, Gremien, Aufsichtsräte, Geschäftsführer und Abteilungsleiter in Dienstleistung, Industrie, Gewerbe– nur jede dritte Führungskraft (34,8%) weiblich. In Deutschland waren 28,7 Prozent aller Führungspositionen von Frauen besetzt, in Österreich waren immerhin 35,3 Prozent der Führungskräfte weiblich. (Siehe hier)

Deutschland erreichte mit 128 Frauen im Vorstand in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax, MDax, SDax) einen neuen Rekord, er beträgt aber immer noch nur 18,4 Prozent. Auch Österreich erreichte zu Beginn des Jahres einen neuen Höchststand an weiblichen Vorstandsmitgliedern von 12 Prozent bei den börsennotierten Unternehmen – der Frauenanteil in den Aufsichtsräten stieg auf 31 Prozent.

  • Die gläserne Klippe

Ein weiteres Hindernis für Frauen in Führungspositionen ist – sicher deutlich seltener als die gläserne Decke, aber doch – die gläserne Klippe, über die sie, einmal erreicht, tief fallen. Immer wieder berichten Frauen, dass ihnen Führungschancen in aussichtslosen Positionen angeboten wurden. Beispielsweise fehlten die Ressourcen für ein komplexes Projekt und das Scheitern war vorprogrammiert.

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Auch Martina Ernst konnte das öfter beobachten: „Dann wurden Menschen in einen Job befördert, in dem sie heiße Eisen anpacken mussten und die Chancen 50:50 standen, ob sie es hinkriegen oder floppen würden. Oft werden High Potentials für solche Jobs eingesetzt, oder Menschen, für die eine Beförderung überfällig war.

  • Das fehlende Netzwerk

Während Männer von Männern über ihre Netzwerke und Seilschaften ins Management rekrutiert werden, sind die Frauen häufig gar nicht Teil des Netzwerks und somit „unsichtbar“. Männer haben somit einen Wettbewerbsvorteil. Das sieht auch Doris Hofmeister, Partner und Lead Board & CEO Practice von Mercuri Urval, so: „Häufig versucht man, nicht die beste Person für die Führungsposition auf dem (auch internationalen) Markt zu gewinnen, sondern stellt jene ein, die man aus dem eigenen Netzwerk kennt.“

Bei Netzwerk-Aktivitäten wie Golf oder Happy Hour Events bleiben berufstätige Frauen allzu oft außen vor. Nicht selten müssen sie wegen familiärer Verpflichtungen passen. Umgekehrt verpassen berufstätige Frauen die Gelegenheit, Beziehungen aufzubauen, die für die eigene Karriere wichtig sind. Frauen haben im Gegensatz zu Männern häufig nur begrenzten Zugang zu etablierten Netzwerken. Dies macht Frauen zu Außenseiterinnen und behindert ihre Fähigkeit, mit ihren männlichen Kollegen und Chefs zu kommunizieren, dazuzugehören und sich als gleichberechtigte Partner zu etablieren. Untersuchungen zeigen, dass trotz der großen Aufmerksamkeit, die diesem Thema gewidmet wird, qualifizierte Kandidatinnen häufig sowohl bei der Rekrutierung als auch bei der Entwicklung von Führungskräften ausgeschlossen werden, weil sie nicht Teil der bereits bekannten Netzwerke sind. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass der Auswahlprozess nicht immer frei von Vorurteilen ist und häufig der Einzigartigkeit einzelner (weiblicher) Führungskräfte und ihrer jeweiligen Lebensumstände nicht Rechnung trägt.

  • Kein oder zu wenig Mentoring

Frauen haben häufig weniger direkten Zugang und Kontakt zu Entscheidungsträgern im Unternehmen. Sich aktiv Mentoren zu suchen, kann sie sehr in ihrer Karrierestrategie bestärken. Auch Coaching kann dabei unterstützen.

„Früher sagte man, was stimmt mit dir nicht, dass du Coaching brauchst. Heute ist das ganz anders. Bei Mercuri Urval haben wir weltweit 80 nach ICF – International Coach Federation zertifizierte Business Coaches, und der positive Effekt von Coaching ist inzwischen ganz klar nachweisbar“, meint Doris Hofmeister.

2. Westliche Sozialisation und Bildung

Frauenrollen und somit auch Frauen in Führungspositionen sind ein Ergebnis der gesellschaftlichen Sozialisation – und der kulturellen Prägungen. In südosteuropäischen Ländern war es im Sozialismus üblich, dass Frauen und Männer berufstätig waren und auch Führungspositionen bekleidet haben. Dort gibt es heutzutage fast genauso viele Frauen wie Männer im Management. Tatsächlich wirken die geschlechtsspezifische Sozialisation und Erziehung sich nach wie vor bis ins Berufsleben vieler Frauen aus.

  • Gender Bias und andere Vorurteile

Von Kindesbeinen an werden Mädchen im analytischen und mathematisch-technischen Bereich weniger gefördert.

„Mädchen glauben bereits im Alter von sechs Jahren, dass sie in Mathe und analytischen Technologien nicht so gut sind wie Jungs“, konstatiert Martina Ernst.

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Auch das Fehlen weiblicher Vorbilder verstärkt dieses Problem: Nur 30 Prozent der HTL-Schüler sind Mädchen und nur 25 Prozent der MINT-Studierenden sind Frauen. Dies führt zu einer geringeren Präsenz von Frauen in MINT-Berufen.

Vorurteile und Diskriminierung am Arbeitsplatz können die Chancen für Frauen stark einschränken: sie werden als weniger kompetent als ihre Kollegen wahrgenommen, ihre Leistung wird weniger anerkannt und sie schauen bei Beförderungen eher durch die Finger. Im schlimmsten Fall erleiden Frauen am Arbeitsplatz Mikroaggressionen, die ihre Autorität untergraben und ihnen signalisieren, dass es für sie schwieriger sein wird, aufzusteigen. Weibliche Führungskräfte geben auch häufiger an, dass ihr Geschlecht oder ihre Rolle als Mutter ein Grund dafür waren, eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung nicht erhalten zu haben.

  • Überlastet, zu wenig anerkannt und unterbewertet

Weibliche Führungskräfte sind aufgrund ihrer privaten Care-Arbeit oft überlastet. Gleichzeitig wird ihre Leistung im traditionellen Management-Umfeld nicht selten unterschätzt und weniger gut bewertet, da Frauen tendenziell ihre Arbeit selbst weniger „verkaufen“ als Männer.

Was noch dazu kommt: Im Vergleich zu Männern auf demselben Niveau kümmern sich weibliche Führungskräfte mehr um das Wohlbefinden der Mitarbeiter und fördern Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration – eine Arbeit, die die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit erheblich verbessert, aber in den meisten Unternehmen nicht formell belohnt wird. Wenn sie Zeit und Energie für eine Arbeit aufwenden, die nicht anerkannt wird, ist es für weibliche Führungskräfte schwieriger, aufzusteigen. Daher ist es wenig überraschend, dass sich weibliche Führungskräfte weitaus häufiger ‚overworked and undervalued‘ fühlen als Männer in ähnlichen Führungspositionen.

Was die Führungskompetenz anbelangt, so traut man Frauen diese nicht unbedingt weniger zu, aber sie bewerben sich seltener auf Führungspositionen.

„Bewusstsein, dem Team etwas Gutes tun zu wollen, und möchten ein gutes Einvernehmen mit dem Chef bewahren. Sie scheuen sich, Risiken einzugehen und ‚ihren Kopf aus dem Fenster zu hängen‘”, berichtet Martina Ernst.

Diese Zurückhaltung trägt zur anhaltenden Geschlechterkluft in Führungspositionen und beim Gehalt bei. Ernst betont, dass Unternehmen daher proaktiv auf Frauen zugehen und sie unterstützen müssen, wenn sie sich als Führungspersönlichkeiten herauskristallisieren. Es ist wichtig, ein Klima zu schaffen, in dem Frauen sowohl können als auch wollen, ohne dass sie sich an männliche Maßstäbe anpassen müssen. Dazu gehört auch, dass das Unternehmen von sich aus das Gehalt an die erweiterte Verantwortung anpasst, ohne dass Frauen darum bitten müssen.

  • Der Unterschied im „Alter“

„Grundsätzlich sind Frauen in jedem Alter mit Vorurteilen konfrontiert. Bevor sie Kinder haben, wenn sie Kinder haben, nach den Kindern in der Menopause: es gibt immer einen vorgeschobenen Grund, warum Frauen benachteiligt werden“, informiert Martina Huemann.

Frauen über 50 werden immer noch nicht so behandelt wie Männer. Während ein Mann für sehr hohe Positionen als geeignet angesehen wird, ist dies bei Frauen nicht immer der Fall (sie werden oft abgelehnt). Eine weitere Beobachtung in diesem Zusammenhang ist, dass ältere Männer oft als “vornehm” und “erfahren” gelten, während ältere Frauen als “schwierig” und “schlecht gelaunt” angesehen werden.

Außerdem haben viele Frauen über 50 das Gefühl, dass sie bei Fortbildungs- und Weiterbildungsangeboten übergangen werden, da der Großteil der Investitionen der Arbeitgeber in die Fortbildung jüngerer Arbeitnehmer fließt. Daher ist es so wichtig, dass Ältere von Arbeitgebern unbedingt wieder als wichtige und erfahrene Gestalter im Unternehmen gesehen werden – und nicht nur als teure, langsame Mitarbeiter, die man loswerden will. Der Kündigungsschock ist im Alter für alle groß.

„Die Golden Handshakes ab 58 Jahren, wie in der Vergangenheit üblich, wird es künftig nicht mehr geben. Frauen finden sich damit vielleicht eher zurecht, weil sie schwierigere Bedingungen und die zugehörige Lösungsfindungen gewöhnt sind“, veranschaulicht Martina Huemann.

  • Mangelnde Selbstdarstellung

Viele Frauen schätzen sich selbst als weniger kompetent ein als sie sind. Gleichzeitig neigen Männer in der Praxis dazu, sich auf offene Stellen zu bewerben, wenn sie 80 Prozent der Stellenanforderungen erfüllen. Frauen hingegen zögern selbst dann, wenn sie die Anforderungen übertreffen oder überqualifiziert sind.

„Die meisten Frauen sind erstaunt, wenn wir sie für eine offene Management-Position kontaktieren. Wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten – viele Frauen hadern mit ihrer Entscheidung. Männer dagegen rufen uns an und fragen uns, warum wir sie nicht bereits kontaktiert haben, weil sie ja so gut auf die Position passen würden“, erzählt Doris Hofmeister über ihre Erfahrungen aus der Praxis.

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„Frauen tendieren außerdem dazu, sich schlechter zu vermarkten und nicht so stark in die Sichtbarkeit zu gehen wie Männer. Sie trauen sich weniger zu und haben weniger Selbstvertrauen. Allerdings kann man hier auch nicht pauschalisieren. Die jungen Frauen sind deutlich selbstbewusster, in unserer Zielgruppe ab 40 Jahren ist das leider noch nicht der Fall. Ich empfehle stärker mit den eigenen Themen nach außen zu gehen, sich auf Podiumsdiskussionen einzubringen, „unter dem Motto: ,build your own brand‘“, ergänzt die Expertin.

3. Familie und (andere) Betreuungspflichten

Noch immer tragen Frauen die Hauptverantwortung für unbezahlte Care-Arbeit – und das gilt im Übrigen bei weitem nicht nur für die eigene Familie: Auch wenn es darum geht, andere Verwandte oder der Familie nahestehende Personen zu versorgen oder zu pflegen, leisten Frauen den Löwenanteil.

„Frauen arbeiten 2,5 bis 5 Stunden mehr pro Woche als Männer in der unbezahlten Arbeit. Sogar wenn sie beruflich mehr Stunden als der Mann arbeiten, machen sie mehr als 50 Prozent der Hausarbeit“, analysiert Martina Ernst.

Selbst wenn Frauen genauso viele Stunden pro Woche wie ihre Partner arbeiten, übernehmen sie laut einer Erhebung der Statistik Austria immer noch 64 Prozent der Hausarbeit und 63,8 Prozent der Kinderbetreuung. Dieser zusätzliche Aufwand bleibt oft unsichtbar und wird in der Gesellschaft zu wenig anerkannt.

Martina Ernst sieht auch in den Arbeitsbedingungen einen entscheidenden Faktor. Viele Frauen wollen Kinder und lehnen Führungspositionen ab, weil sie glauben, Familie und Beruf nicht vereinbaren zu können, sagt sie: „Es muss mehr getan werden, um für Führungskräfte Job-Sharing-Modelle oder Teilzeit-Positionen zu ermöglichen. Hier braucht es definitiv mehr Role Models.“

Martina Huemann sieht auch eine positive Entwicklung in die richtige Richtung: „Die aktuelle junge Generation an Vätern ist da schon sehr motiviert, ihren Teil bei Kinderbetreuung beizutragen – es ist aber immer noch nicht so selbstverständlich wie in skandinavischen Ländern, in denen es nach 16 Uhr defacto keine Meetings mehr gibt.“

Auch in Sachen Mental Load seien Frauen stark gefordert, was die Koordination von Kindern, Schule und Familienleben betrifft. Das wirkt sich auch auf den Job aus.

  • Schuldgefühle als Mutter

All das führe auch zur sogenannten „Mom Guilt“ – Schuldgefühlen als Mutter weder den Kindern noch dem Job wirklich gerecht zu werden.

„Frauen haben aber oft auch selbst ein schlechtes Gewissen, die Rabenmutter zu sein – hier ist es auch wichtig, am eigenen Selbstbild zu arbeiten und sehr wohl an den Partner und die Kinder zu delegieren“, bekräftigt Martina Huemann.

Diese Schuld- oder Unzulänglichkeitsgefühle können Frauen massiv belasten, da sie sich zwischen ihren beruflichen und privaten Verpflichtungen hin- und hergerissen fühlen. Die Folgen können verminderte Arbeitszufriedenheit, geringere Produktivität und chronischer Stress bis hin zu Burnout-Symptomen sein. Auch hier sind Unternehmen gefordert, eine familienfreundliche Kultur einzuführen und gleichzeitig Kinderbetreuungsangebote auszubauen.

  • Akuter Zeitmangel und „Rush-Hour-of-Life“-Situation

Die Betreuung der Kinder, die Partnerschaft, oft auch die Pflege älterer Familienmitglieder, lässt den Frauen kaum genügend Zeit für sich selbst. Darüber hinaus befinden sich weibliche Führungskräfte zwischen Ende 20 und Mitte 40 in der so genannten “Rush-Hour-of-Life”: Sie müssen Arbeit, Familie, Weiterbildung usw. unter einen Hut bringen.

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Hier fordert Martina Huemann ein Umdenken: „Wir müssen auch anerkennen, dass es eine biologische Herausforderung und Belastung für den Körper ist, Kinder zu kriegen. Auch in Bezug auf die Karriere muss hinterfragt werden ob, the only way is up‘ wirklich der beste Weg ist, um Karriere zu machen. Traditionelle Hierarchien bröckeln ohnehin und werden nach und nach abgeschafft – die Verantwortung auf mehrere Köpfe verteilt. Auch neue Führungsformen wie etwa Shared Leadership, bei dem sich 2 Personen die Aufgaben einer Führungsposition teilen, sollten mehr in Unternehmen gefördert werden.“

  • Opportunitätskosten und Karriereknick

Viele Frauen sehen nicht den Nutzen oder die Rendite einer Investition in die Führungskarriere. Das Erklimmen einer Karriereleiter in einem von Männern geprägten Umfeld ist häufig nicht attraktiv (genug).

„Beinahe alle Studien zeigen: Kinder werden als Karrierebremse Nummer Eins gesehen. Die Frauen fragen sich in hierarchischen Führungsstrukturen immer noch: Kind oder Karriere?“, kritisiert Martina Huemann.

Das macht eine Führungskarriere für Frauen, die Mütter werden wollen, womöglich von Vornherein unattraktiv, da es nach dem Wiedereinstieg zum Karriereknick kommt.

  • Psychische Belastung

Zusätzlich zu der Doppelbelastung, die sich aus Job und der Führung des Familienlebens und des Haushalts ergibt, neigen Frauen dazu, die psychische Belastung selbst zu tragen. Selbst wenn sie Aufgaben an ihre Partner oder Kinder „delegieren“ können – sie sind oft diejenigen, die diese führen und verwalten müssen. Der Mental Load der Frauen, die sich um Organisatorisches häufig im Privatbereich deutlich mehr kümmern müssen als die Männer, wirkt sich mitunter auch auf die Arbeit aus.

  • Finanzielle Zwänge

Finanzielle Sicherheit spiegelt unser Grundbedürfnis nach einem Leben in Stabilität wider. Wenn wir in der modernen Gesellschaft gedeihen wollen, ist ein gewisses finanzielles Fundament, das in der Regel aus bezahlter Arbeit stammt, für uns unerlässlich.

„Frauen verfügen allerdings oft nicht über die gleichen Mittel wie Männer, um in ihre Karriere und in die Weiterbildung zu investieren. Wenn sie wegen der Kinder zuhause bleiben, in Teilzeit arbeiten und einen Karriereknick erleben, verdienen sie in der Regel deutlich weniger als Männer. Der Mann kann für sich vorsorgen, die Frau hat dann kaum Rücklagen für die Altersvorsorge – außer, der Mann sorgt für sie mit. Aufklärung über Finanzmanagement und „Financial Literacy“ sind unabdingbar und finde noch viel zu wenig statt“, resümiert Doris Hofmeister.

Alternativen: Was wir tun können, um diese „Pain Points“ zu überwinden

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1. Die Alternativen – auf Ebene des Unternehmens

New Work, new values, new everything

Viele weibliche Führungskräfte haben genug von traditionellen patriarchalen Managementstrukturen, da es nicht (mehr) ihren Werten entspricht. Sie suchen nach einer Unternehmens- und Führungskultur, die Vertrauen, Wertschätzung und Weiterentwicklung in den Vordergrund rückt und die auch Möglichkeiten zu modernen Leadership-Formen wie Shared Leadership – also geteilte Führungsverantwortungen – bietet.

Das ist (nicht nur) für Frauen besonders attraktiv, da sie je nach Lebensphase ihre anspruchsvollen Leadership-Aufgaben mit Betreuungspflichten und Weiterbildung besser vereinbaren können, indem sie Arbeitsstunden reduzieren und ihren Führungsjob mit einer Kollegin oder einem Kollegen teilen.

Neue KPI braucht die Wirtschaft

Gerade der derzeit so akute Fachkräftemangel und der Wettbewerb um Talente erfordert neue, attraktivere Arbeitsmodelle, konkretisiert Martina Huemann:

„Wir müssen traditionelle Vorstellungen der Arbeitsweisen und Zusammenarbeit aufbrechen und benötigen vor allem Role Models. Was sichtbar ist, wird dann auch für andere Unternehmen eine Option. Frauen in Führungspositionen sind kein Pain Point, sondern ganz im Gegenteil: Sie tragen zu Diversität und damit auch zur Wertschöpfung und zum Unternehmenswert selbst bei, denn wenn der Frauenanteil in (Führungs-)Teams, steigt auch die Performance und Produktivität der Teams, wie zahlreiche internationale Studien belegen. Einfach gesagt: Mehr Frauen in Führungspositionen, Vorständen und Gremien bedeutet also mehr Produktivität und mehr Umsatz. Und deshalb bin ich der Meinung, dass es dringend an der Zeit ist, Diversität als KPI für den Erfolg eines Unternehmens zu etablieren.“

Warum an New Work kein Weg mehr vorbeiführt

Unabhängig vom Geschlecht haben sich laut einer Metauntersuchung, die die beiden WU-Karriere- und Management-Forscher Johannes Steyrer und Wolfgang Mayrhofer durchgeführt haben, sieben Faktoren identifizieren lassen, die Karrieren von Menschen (positive, oder wenn nicht vorhanden auch negativ) beeinflussen:

  • Lernen und Entwicklung

bezieht sich auf Aspekte unseres persönlichen Wachstums. Dazu gehört z. B. die Stärkung des eigenen Qualifikationsportfolios oder der Aufstieg in der formellen und informellen Hierarchie.

  • Entrepreneurship

meint das eigenverantwortliche Gründen und Führen von Unternehmen.

  • Work-Life-Balance

spricht an, wie sehr wir in der Lage sind, die verschiedenen Bereiche unseres Lebens befriedigend zu integrieren. Balance meint dabei die Möglichkeit, auf Basis eigener Leitvorstellungen unsere verschiedenen Lebensbereiche jeweils anlass- und entwicklungsbezogen zu bedienen, also etwa in bestimmten Lebensphasen weniger oder mehr Gewicht auf berufliches Engagement zu legen.

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  • Positive Impacts

umfasst die Auswirkungen unseres beruflichen Tuns jenseits der unmittelbaren Aufgabenerfüllung in Richtung eines darüberhinausgehenden Beitrags, etwa zum Gemeinwohl.

  • Positive Arbeitsbeziehungen

spricht unser Grundbedürfnis nach menschlicher Nähe, Freundschaft am Arbeitsplatz, Freude in Beziehungen u.ä. an.

  • Finanzielle Sicherheit

reflektiert das Basisbedürfnis, in Sicherheit zu leben. Dazu braucht es in modernen Gesellschaften wesentlich einen Grundstock an finanziellen Mitteln, in der Regel aus Erwerbsarbeit.

  • Finanzieller Erfolg

geht darüber hinaus. Ist finanzielle Sicherheit das Brot zum Überleben, so bezieht sich diese Dimension auf Butter plus Belag. Beispiel ist etwa finanzieller Wohlstand.

Geld ist also wahrlich nicht alles, denn Karrierevorstellungen sind nicht mehr eindimensional auf Geld und Aufstieg fixiert. Im Trendverlauf geht es immer stärker um Lernen, Entwicklung und Entrepreneurship – ganz im Sinne von New Work.

2. Die Alternativen – auf Ebene des Individuums

Erfolg – aber nach den eigenen Vorstellungen

Da weibliche Führungskräfte oft einem von Männern dominierten Karriereweg folgen, der auf Leistung und traditionellen Hierarchien beruht, kann „Erfolg nach eigenen Vorstellungen („Succeeding under your own terms“)“ eine alternative Strategie sein: Die eigene Karriere so zu gestalten, dass sie zu den eigenen Werten, Stärken und Wünschen passt – hier spielt vor allem Mentoring und das richtige Netzwerk eine wichtige Rolle.

Erfolgreiche Frauen treffen sich immer zwei Mal

Genau beim Thema Netzwerken gibt es aber den neuesten Untersuchungen zufolge einen wesentlichen Unterschied: Die Art des Netzwerkens. Männer profitieren nicht so sehr von der Größe des Netzwerks, sondern davon, dass sie mit mehreren „Hubs“ verbunden sind, also mit Menschen, die wiederum viele Kontakte zu unterschiedlichen Personengruppen haben.

„Bei beruflich erfolgreichen Frauen ist das auch so. Vor allem, weil sie oft mit (unternehmens-) kulturellen und politischen Hürden konfrontiert sind, ist es für sie besonders wichtig, ein zweites Netzwerk zu haben: einen inneren Kreis von ihnen sehr nahestehenden Frauen, die ihnen als Mentorinnen, Role Models und gute Freundinnen zur Seite stehen“, sagt Martina Ernst.

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So können sie sich gegenseitig in Karrierefragen unterstützen und sich über Herausforderungen austauschen, mit denen besonders weibliche Führungskräfte in Führungsetagen bzw. auf dem Weg dorthin konfrontiert sind.

„Aber, egal ob beim Thema Netzwerken, Mentoring oder in der beruflichen Interaktion von weiblichen Führungskräften ganz generell, der Schwerpunkt liegt immer auf Zusammenarbeit, Transparenz, Win-Win-Situation, Einbeziehung und gegenseitiger Unterstützung, statt auf ultimativem Wettbewerb“, so Martina Ernst.

Es bedeutet auch, authentisch und selbstbewusst zu sein, wenn es darum geht, den eigenen Karriereweg zu wählen – und das kann im Übrigen auch die Gründung eines eigenen Unternehmens sein.

Die Sache mit der Selbstbestimmung – wenn fundamentale Bedürfnisse unerfüllt bleiben

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Thema Selbstbestimmung. In ihrer aktuellen Forschung hat sich Martina Huemann intensiv mit diesem Thema beschäftig. Die Selbstbestimmungs-Theorie („Self-Determination Theory“) geht von vier fundamentalen Bedürfnissen des Menschen aus, die seine Motivation bestimmen:

„Menschen entwickeln sich dann besonders gut in einem (beruflichen) Umfeld weiter und schöpfen ihre Potenziale aus, wenn dieses Umfeld ihre Bedürfnisse erfüllt. Das trifft auf Mitarbeitende und Führungskräfte gleichermaßen zu – doch gerade bei Female Leaders sind diese Bedürfnisse oft besonders ausgeprägt.“

  • Bedürfnis nach Autonomie

Das Bedürfnis nach Autonomie beschreibt den Wunsch von weiblichen Führungskräften, Kontrolle und Gestaltungsmacht über ihre Entscheidungen und Handlungen zu haben. Es bedeutet, unabhängig agieren zu können und die Freiheit zu besitzen, Führungsaufgaben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

„Für Female Leaders ist Autonomie besonders wichtig, um ihre individuellen Leadership-Stärken einzubringen, ihre Führungsvision umzusetzen und sich in einem Umfeld zu positionieren, das oft noch von traditionellen, männlichen Strukturen geprägt ist“, präzisiert Martina Huemann.

Autonomie und Gestaltungsspielraum stärkt das Selbstvertrauen, die Weiterentwicklung außerhalb der eigenen Komfortzone und ermöglicht, innovative Lösungsansätze für Herausforderungen im Leadership und Management zu entwickeln.

  • Bedürfnis nach Kompetenz

Überdurchschnittlich viele weibliche Führungskräfte streben danach, kontinuierlich zu wachsen und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Es geht darum, Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen und in ihrer Rolle als Leader sichtbare Erfolge zu erzielen.

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„Kompetenzaufbau ist für Female Leaders entscheidend, um sich selbstbewusst und wirkungsvoll in Führungspositionen zu etablieren und den oft hohen Erwartungen gerecht zu werden. Die Möglichkeit, Neues zu lernen und ihre Expertise auszubauen, fördert sowohl die persönliche als auch die berufliche Weiterentwicklung“, verdeutlicht Martina Huemann.

  • Bedürfnis nach Verbundenheit/Zugehörigkeit

Viele Female Leaders setzen auf eine inklusive Arbeitskultur und kollegiale Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das Bedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit beschreibt dabei den Wunsch von weiblichen Führungskräften, starke und vertrauensvolle Beziehungen in und außerhalb ihrer Teams aufzubauen. Für Female Leaders spielt Zusammenarbeit auf Augenhöhe und gegenseitige Wertschätzung oft eine große Rolle, um ein motivierendes und inklusives Arbeitsklima zu schaffen. Verbundenheit ermöglicht es ihnen, ihre Teams erfolgreich zu führen, Netzwerke zu stärken und den Zusammenhalt in Organisationen zu fördern. Verbundenheit ermöglicht offene Kommunikation und erleichtert es, gemeinsam mit den Teams Ziele zu erreichen. Vorhandene Machtstrukturen in der Organisation, die dieses Bedürfnis unterminieren, können sich negativ auf die Performance der weiblichen Führungskräfte und damit auch ihrer Teams auswirken.

  • Bedürfnis nach Sinn

Beim Bedürfnis nach Sinn geht es weiblichen Führungskräften vor allem darum, einen bedeutungsvollen Beitrag in der Organisation und in der Mitarbeiterführung zu leisten. Female Leaders suchen oft nach Aufgaben, die mit ihren persönlichen Werten und ihrer Vision übereinstimmen und dabei einen positiven Einfluss auf die Organisation, die Gesellschaft und ihr unmittelbares Arbeitsumfeld haben. Sinnstiftung motiviert sie, Führungsrollen nicht nur zur Zielerreichung, sondern auch für die Gestaltung nachhaltiger Veränderung zu nutzen. Die damit einhergehende intrinsische Motivation verleiht ihrer Arbeit eine tiefere Bedeutung und stärkt ihre Identifikation mit ihrer Führungsaufgabe. Finden Führungskräfte selbst wenig Sinn in Projekten, die sie umsetzen und Zielvorgaben, die sie erreichen sollen, wirkt sich das nicht nur negativ auf ihre Motivation und mitunter auf ihre Performance aus, sondern hat auch mindernde Effekte auf das Sinnerleben und die Motivation ihrer Mitarbeitenden.

Lebenslanges Lernen als Schlüssel zum Erfolg

„Und deshalb ist lebenslanges Lernen gerade für weibliche Führungskräfte so wichtig. Denn die richtige Weiterbildung trägt allen Aspekten eines selbstbestimmten (Beruf-) Lebens Rechnung, weil Frauen sich die entsprechenden Kompetenzen und das entsprechende Mindset hier aneignen können: Autonomie und Gestaltungsspielraum, fachliches Leadership-Knowhow, ein wertvolles Netzwerk und einen Fokus auf Purpose-driven Leadership, das im Zentrum den tieferen Sinn des Handelns von Führungskräften und Organisationen hat“, resümiert Martina Huemann abschließend.

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