„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“

Exklusivinterview mit Thomas Neusiedler, Vorstandsvorsitzender der Helvetia Versicherungen AG in Österreich, über die anhaltende Gewerbe- und Produktoffensive, die künftigen sozioökonomischen Herausforderungen, das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens u.v.m.
© Helvetia
„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“
Thomas Neusiedler, Vorstandsvorsitzender der Helvetia Versicherungen AG in Österreich.

Teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

Herr Neusiedler, die Helvetia wurde im Jahr 1858 in der Schweiz gegründet und zählt zu einer der ältesten Versicherungsgruppen Europas. 1962 verkaufte die Republik Österreich ihren 92%igen Anteil an „DER ANKER – Allgemeine Versicherungs Aktiengesellschaft“ an die Helvetia Versicherung. Damit endete die öffentliche Verwaltung und es begann ein steiler Aufwärtstrend. In den folgenden zwanzig Jahren verzehnfachten sich die Prämieneinnahmen und ein ungebrochener Wachstumskurs setzte ein. Welche unmittelbaren, aber auch strategisch langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Ich bin seit 1. Juli in der Helvetia Konzernleitung für das Segment GIAM (German, Italian und Austrian Markets) verantwortlich, zusätzlich zu meiner Aufgabe als CEO der Helvetia Versicherungen AG in Österreich.

Ich freue mich sehr über meine erweiterte Rolle, sie wird als positives Signal für den österreichischen Markt wahrgenommen, innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Es trägt auch dazu bei, Helvetia als Arbeitgeberin noch attraktiver zu machen, insbesondere in Bezug auf Perspektiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Durch meine neue Funktion ergeben sich auch für Mitarbeitende in Österreich neue Chancen innerhalb des Konzerns. Wer bereit ist, die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen, muss seine Karriere nicht auf Österreich beschränken. Wir haben uns stets als Schweizer Versicherung mit internationaler Ausrichtung präsentiert. In unserer neuen Strategie betonen wir, dass wir ein internationaler Versicherer mit Schweizer Wurzeln sind.

Für mich wäre es sehr schön, wenn ich und mein Team in fünf Jahren die Strategie in den drei Ländermärkten – Deutschland, Italien und Österreich – so umgesetzt haben, dass wir sowohl am Markt als auch im Unternehmen stabil, profitabel und nahe an den Kunden agieren. Für mich ist es spannend, Helvetia auch auf Konzernebene mitgestalten zu dürfen.

„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“
© PantherMedia / thiam254025

Sie haben, bevor Sie in der Versicherungsbranche tätig wurden, Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach mehreren Stationen im Versicherungsbereich wurden Sie 2012, bei Helvetia Österreich, in den Vorstand, für das Ressort Schaden-Unfall, berufen und 2020 übernahmen Sie als Vorstandsvorsitzender die Leitung von Helvetia Österreich. Erst vor kurzem präsentierte Helvetia Österreich ein fabelhaftes Jahresergebnis von über 600 Millionen Euro. Haben Sie spezifische Erfahrungen aus Ihrer beruflichen Anfangszeit, die Ihnen, retrospektiv betrachtet, speziell geholfen haben, um ein so großes Unternehmen zu führen?

Natürlich gab es auf jedem Teilschritt meiner Berufslaufbahn Menschen, die mich geprägt haben – positiv und auch negativ, so wie das Leben eben ist. Der Satz »Vor dem Verdienen kommt das Dienen!« hat mich in meinem Leistungsdenken stets geprägt, oder wie man in Österreich sagt »Von nix kommt nix!«

Was ich damit sagen möchte, ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese, aber immer auf der Basis gegenseitiger Leistungsbereitschaft.

Stimmt es, dass Sie als Kind zuerst Priester und dann Orthopäde werden wollten? Ungewöhnliche Berufswünsche für ein Kind – wie kam es dazu und was hat Sie dann doch dazu bewogen Betriebswirtschaft zu studieren?

Gut recherchiert – das stimmt, ich habe das einmal in einem Podcast-Interview so gesagt. Wir wohnten in meiner Kindheit in unmittelbarer Nähe zu einem Kloster, daher der Priester. Der Orthopäde kam gleich danach, als ich dann einmal Einlagen für Schuhe benötigte – wie es bei Kindern öfter der Fall ist.

Was gegen den Priester spricht, glaube brauche ich nicht auszuführen und letztlich hat dann doch das väterliche Vorbild des Versicherungsmanagers obsiegt.

Energiewende oder generell der gesamte Themenkomplex Nachhaltigkeit beschäftigt alle Generationen gleichsam. Helvetia ist hier ein Pionierunternehmen. Zum Beispiel zeigt man, schon seit 2013, ein hohes Engagement bei Schutzwaldprojekten. Mit der Schutzwaldinitiative unterstützt Helvetia die (Wieder-) Aufforstung und Pflege dieser Schutzwälder. Wie kam es dazu, dass Sie schon so früh auf Nachhaltigkeitsthemen setzten, und gibt es weitere Initiativen, von denen Sie uns schon jetzt berichten können?

Wir haben alle eine soziale Verantwortung, aber nicht alle haben die Ressourcen, ihre Verantwortung auszuleben. Bisher haben wir 145.000 Jungbäume in heimischen Schutzwäldern gepflanzt, unterstützen regionale Repair Cafés mit maßgeschneiderten Versicherungslösungen und fördern lokale Vereine finanziell mit der Stiftung »IDEA helvetia«.

Zudem gilt bei uns die Devise, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz vor der eigenen Haustür beginnen. Das leben wir in der Gruppe aus innerer Überzeugung – da sind wir ehrlich und hemdsärmelig und kommunizieren das auch.

Als jüngste und erfolgreiche Initiative möchte ich den Helvetia Baumpass nennen: Allen Kundinnen und Kunden, sie sich im Bereich der Lebensversicherung für die FairFuture Lane entscheiden, wird ein Baum gewidmet. Im Baumpass ist genau verzeichnet, wo der jeweilige Baum gepflanzt wurde. Die Nachfrage hat sich durch Naturgefahren beschleunigt und das gilt jetzt neuerdings auch für die nachhaltige Veranlagung.

„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“
© PantherMedia / Ludger Vorfeld

Sie meinten einmal, dass Helvetia Österreich nicht der „FC Bayern“ unter den heimischen Versicherern sei. Allerdings ergänzten Sie dann, dass „wir (Helvetia Österreich) lieber Spielmacher in Freiburg seien als in Bayern auf der Bank zu sitzen.“ Wie meinten Sie das genau und was macht Helvetia so anders als die anderen Anbieter?

Wir haben vor einiger Zeit mit der Gewerbeoffensive begonnen, und das läuft sehr gut. Hier werden wir definitiv weiterhin unseren Fokus setzen. Anfang dieses Jahres haben wir ein eigenes Helvetia Rechtsschutz Service lanciert. Ziel dieser neu geschaffenen Stabstelle ist, die Sparte Rechtsschutz weiterzuentwickeln und in den nächsten Jahren deutlich auszubauen und hier in die nächste Liga aufzusteigen.

Auf der Produktseite fühlen wir uns nach wie vor im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherung wohl. Ansonsten wollen wir uns über Vertriebsthemen differenzieren. Aus meiner Sicht entfernt sich der Wettbewerb immer mehr von Kunden oder unseren Vertriebspartnern. Die ultimative Strategie von Helvetia ist es, bewusst gegen diesen Trend zu agieren und die Nähe zu ihnen zu suchen – anstatt auf der Spielbank zu sitzen, wollen wir Tore schießen.

Zurück „on-topic“ – geopolitische Spannungen, New-Work, Fachkräftemangel oder demografischer Wandel sind mehr oder weniger zum Dauerbrenner in der Branche geworden. Wie hat sich die Arbeitsweise der Mitarbeitenden in den letzten 20 Jahren verändert, wie wird sich diese künftig entwickeln und wie bereitet sich das Unternehmen darauf vor?

Als großen Vorteil sehe ich, dass wir als Dienstleistungsunternehmen ortsungebunden arbeiten können. In den letzten Jahren hat sich das als großer Vorteil erwiesen und insbesondere die Nachwuchstalente schätzen die flexible Arbeitsweise, die wir bieten können.

Dennoch hat die Branche ein Nachwuchsproblem. Das liegt nicht nur an der mangelnden Kommunikation der Berufsvorteile und Chancen, sondern auch an gesellschaftlichen Strukturen. Wir haben im Vertrieb beispielsweise einen sehr geringen Frauenanteil. Ich würde mir wünschen, dass unsere Gesellschaft noch offener wird und Rollenmuster noch kritischer hinterfragt werden.

Tatsache ist aber auch, dass die ersten Ausbildungs- und Berufsjahre eine Lernphase sind. im Außendienst braucht es eine Zeit, bis man einen Kundenstamm aufbaut und vor allem längerfristige Versicherungsverträge abschließt. Dem Mangel an Nachwuchs versuchen wir bei Helvetia mit Employer Branding sowie guten Ausbildungs- und Lehrmodellen entgegenzuwirken.

Die langanhaltende Inflation hatte sicher auch Auswirkungen auf die Branche – welche Herausforderungen waren das und wie werden sich, aus Ihrer Perspektive, die Zinsen entwickeln?

Die Jahre der Nullzinspolitik rückten den Fokus von der Veranlagung auf die Schadenregulierung. Da derzeit die Zinsen für Anlegerinnen und Anleger noch auf einem relativ hohen Niveau sind, haben wir uns entschieden eine neue indexgebundene Lebensversicherung aufzulegen, welche eine hohe Sicherheit gepaart mit attraktiven Renditechancen bietet. Die Tranche ist limitiert und bis längstens 11. November 2024 verfügbar. Wie sich der Leitzins entwickelt, bleibt abzuwarten.

Werden künftig Künstliche Intelligenz (KI) oder neue Softwarelösungen eine entscheidende(re) Rolle spielen, um für den Kunden schnellere und einfachere Lösungen zu erzielen? Können Sie unseren Lesern von derartigen Produktneuheiten etwas berichten – oder ist dies noch zu früh?

KI und Robotics sind im Schadenbereich ein Thema. Bei einem Glasschaden zum Beispiel schickt man uns eine Rechnung, die automatisch eingelesen und innerhalb weniger Stunden bezahlt wird. Das kommt gut an – beim Kunden und beim Makler natürlich. Aber auch das Thema Recruiting geht mit der Zeit. Wir haben hier gute Erfolge mit Facebook und Instagram.

Themenwechsel: Sportsponsoring ist ein wichtiges Thema bei Helvetia. Seit 2005 tritt man als Sponsor für Skisportler diverser Disziplinen auf. In welchen Sportarten, abseits des Skisports, tritt Helvetia ebenfalls als Sponsor auf, was ist entscheidend, dass man in die Sportart investiert und wie zufrieden sind Sie mit den Markenbotschaftern Nicole Hosp und Hans Knauss?

Unsere langjährige Zusammenarbeit mit Niki Hosp und Hans Knauss beruht auf beidseitiger Wertschätzung und wir sind glücklich sie in unserer Helvetia-Familie zu haben.

„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“
Helvetia Ski Team Österreich – Niki Hosp und Hans Knauß
© Helvetia

Unsere Sponsoring-Aktivitäten müssen mit den Unternehmenswerten von Helvetia – Vertrauen, Dynamik, Begeisterung – übereinstimmen. So haben wir zusammen mit dem österreichischen Leichtathletik Verband (ÖLV) – mit dem wir seit 2019 in Partnerschaft sind – ein Prämiensystem für Weltmeisterschaften und die Olympischen Spiele entwickelt. ÖLV-Athleten, die hier eine Medaille gewinnen, können bis zu 205.000 Euro Siegprämie bekommen.

Die Stiftung Helvetia Patria Jeunesse unterstützt verschiedenste Einrichtungen und Initiativen und unterstreicht das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens. Welche Projekte zählten zu den erfolgreichsten und können Sie uns von künftigen Projekten berichten?

Mit der Stiftung IDEA helvetia unterstützen wir Personen und Institutionen bei konkreten Projekten in den Bereichen Mensch, Natur und Umwelt. Im Jahr 2023 konnten 31 Projekte durch die Realisierungshilfe umgesetzt werden. Viermal im Jahr können Anträge eingereicht werden, die dann vom Stiftungsrat geprüft und mit max. 3.000 Euro unterstützt werden.

Helvetia Österreich konnte bereits zum dritten Mal die Auszeichnung „Top Employer“ vom „Top Employer Institut“ entgegennehmen. Helvetia Schweiz konnte dies bereits zum vierten Mal. Was macht den Arbeitgeber so attraktiv und speziell?

Den größten Einfluss auf das Ergebnis hatte die Weiterempfehlungsbereitschaft der befragten Personen in Bezug auf ihren eigenen Arbeitgeber und der trend-Leserschaft sowie die Bewertungen auf kununu und Xing – also die Meinung der Mitarbeitenden. Deshalb ist die Freude über die Auszeichnung bei uns sehr groß!

„Ich habe ein natürliches Interesse an Menschen und Vertrauen in diese“
© PantherMedia / Yuri Arcurs

Herr Neusiedler, wir möchten Sie gerne auch als Privatperson etwas näher kennenlernen – daher noch ein paar persönliche Fragen:

Gibt es etwas, das Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?

Bis vor einiger Zeit wäre meine Antwort auf die Frage ein Duett mit Willi Resetarits und dem Stubenblues zu singen gewesen, aber das geht ja in diesem Leben leider nicht mehr.

Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?

Die Vielfalt meiner Tätigkeit und unverändert der direkte Kontakt mit Kunden und Vertriebspartnern.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?

Das hängt von meiner Tagesverfassung ab – nachdem bald wieder die Skisaison beginnt, vielleicht Marco Odermatt für den Tag des Adelboden RTL, aber inklusive Körper bitte (lacht)!

Hatten Sie ein Vorbild, von dem Sie sich Dinge abgeschaut haben?

Da gibt es jetzt viele – ich wähle jetzt einmal einen spezielleren Namen, nämlich Leopold Figl.

Was inspiriert, was entspannt Sie und worauf sind Sie besonders stolz?

Meine Familie und wenn es der nicht gelingt, ein Glas Grüner Veltliner Smaragd von Rudi Pichler.

Sie können EIN globales Problem lösen – welches wäre das?

Das Klima ändern, nämlich ökologisch im Sinne des fortschreitenden Klimawandels und weltpolitisch hinsichtlich sinnloser Kriege und menschlichen Leides.

Herr Neusiedler, wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft und herzlichen Dank für das Interview.

Danke Ihnen!

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Melden Sie sich hier an

Sie sind noch nicht registriert?