Christoph Leitl: Was wird das letzte Drittel des Jahres 2024 bringen?

Nationalratswahlen in Österreich, der Standort Europa im Wettbewerb oder die Gefahr der Renationalisierung.
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Christoph Leitl: Was wird das letzte Drittel das Jahres 2024 bringen?
Europa-Experte Christoph Leitl

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Nationalratswahlen 2024

In Österreich werden bei der Nationalratswahl Ende September die heimischen politischen Karten neu gemischt. Erfreulicherweise rücken Themen wie Standort, Wettbewerbsfähigkeit, solide Staatsfinanzen und Bürokratieabbau nunmehr stärker in den Fokus des Wahlkampfs.

Die zentrale Frage wird sein: Wie finanzieren wir die explosiv steigenden Sozialausgaben im Gesundheits- und Pensionssystem, wie finanzieren wir die erforderlichen ökologischen Investitionen beim gleichzeitigen Erfordernis eines Zurückschraubens der Staatsausgaben?

Die Antwort darauf kann nur lauten: Kreativität statt „more of the same“, Anreizmodelle statt politisch undurchsetzbarer Überlegungen und Lernen von den Besten in Europa. Das Pensionssystem in Schweden oder das Arbeitslosenversicherungsmodell Dänemarks könnten dabei außerordentlich hilfreich sein und enorme Effekte ohne zusätzliche Kosten verursachen. Mit einer Aufhebung des Verbots für Zuverdienst könnten dringend benötigte Arbeitskräfte in Beschäftigung gehalten werden und daraus zusätzliche Steuer- und Sozialversicherungsbeträge lukriert werden.

Wäre dies nicht ungleich besser als eine fruchtlose Diskussion über eine gesetzliche Erhöhung des Pensionsalters?

Tatsache ist, dass eine neue Bundesregierung gewaltige Herausforderungen zu stemmen hat und daher eine Einigung auf ein sehr konkretes Regierungsprogramm mit klaren Strategien und präzisen Maßnahmen benötigt. Sonst besteht die Gefahr eines Rückschlags für Österreich im internationalen Wettbewerb.

Standort Europa

Auf europäischer Ebene wird es nun nach der Zusammenstellung des Teams von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darum gehen, die Herausforderungen für den Standort Europa im weltweiten Wettbewerb, insbesondere zwischen Amerika und Asien, ernster anzugehen als dies in den letzten 5 Jahren der Fall gewesen ist und dabei vor allem der Entbürokratisierung und Deregulierung absolute Priorität einzuräumen.

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Daneben geht es um die Vollendung des Binnenmarktes in den Bereichen Energie, Digitalisierung, Finanzmarkt und Dienstleistungen, um dieses Asset Europas weiter zu stärken.

Das Europäische Parlament, welches seine Arbeit ab September aufgenommen hat, ist gefordert, den Realitäten ins Auge zu sehen, anstatt politisches Wunschdenken zu verfolgen. Hier gilt es, aus Versäumnissen der letzten 5 Jahre rasch die richtigen Lehren zu ziehen. Die Schaffung eines europäischen Kapitalmarktes könnte dazu dienen, Startups und Wachstumsunternehmen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen und insbesondere auf Forschung, Entwicklung und Innovation zu setzen, ohne dadurch neue Verschuldungen der öffentlichen Hand einzugehen.

Renationalisierung

Weltweit sehe ich die Gefahr einer zunehmenden Renationalisierung. Das politische Misstrauen zwischen den Hauptbeteiligten führt dazu, dass anstelle internationaler Kooperation und Arbeitsteilung zunehmend Autonomiedenken und Abschottung dringt.

Die Verhängung wechselseitiger Strafzölle, zum Beispiel jetzt gerade zwischen der europäischen Union und China, sind ein Zeichen dafür. Sollte am 4. November Donald Trump wieder zum US-Präsidenten gewählt werden, würde sich diese Tendenz dramatisch verstärken. Europa wäre der Draufzahler.

Daher muss Europa so rasch wie möglich seine eigenen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Belange in die Hand nehmen, Partnerschaften mit allen anderen Teilen der Welt eingehen und damit diesen separatistischen Tendenzen entgegenwirken. Schließlich sollte in diesem letzten Drittel des Jahres 2024 auch der Versuch gemacht werden, nicht nur den außereuropäischen Mächten wie China, Indien und Saudi-Arabien Initiativen für Friedensdialoge zu überlassen, sondern auch Europa (mit österreichischer Beteiligung!) sollte dies tun. Es wäre in unserem ureigensten Interesse, denn die Folgen des Krieges spüren nicht nur unsere Betriebe, sondern sehr viele Menschen in Form verringerter Perspektiven und Lebensstandards, was auch eine Begründung für die zunehmende Polarisierung unserer Politik und Gesellschaft ist.

Friedenspolitik, Zukunftsaussichten und Lebensoptimismus sollten damit die zentralen Anliegen in den kommenden Monaten sein.

Autor: Christoph Leitl

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