Projekte bieten eine einzigartige Gelegenheit, Leadership-Skills zu entwickeln, die sogar über das traditionelle Management hinausgehen:
„Projektmanager haben mitunter eine stärkere Herausforderung in Sachen Leadership als Führungskräfte in der Linienorganisation: Sie müssen ein Team zusammenstellen und koordinieren, Strukturen aufbauen, das Team und Stakeholder für das Projekt begeistern und die Motivation sowie die Produktivität in Hinblick auf den Projekterfolg hochhalten. Und dass, obwohl sie in der Regel für die meisten Teammitglieder nicht direkt weisungsbefugt sind“, erklärt Martina Huemann, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management der WU Executive Academy und Direktorin der Project Management Group an der WU Wien.
„Von den Besten lernen“
Gerade weil Projektmanager zumeist keine formale Weisungsbefugnis haben, müssen sie durch ihre motivierende Persönlichkeit, ihre Fachkompetenz und den klaren Zweck des Projekts führen.
Dies stellt enorme Anforderungen an ihre Leadership-Fähigkeiten, da sie Rahmenbedingungen setzen und die Teammitglieder empowern müssen. Projektmanager sollten daher in der Lage sein, durch Inspiration und Motivation zu führen, anstatt durch Anweisungen und Kontrolle. Dies fördert eine Kultur des gegenseitigen Respekts und reibungsloser Zusammenarbeit.
Im Rahmen ihrer Forschung zur Motivation junger Projektmanager und Professionals hat Martina Huemann verschiedene „Räume“ identifiziert, in denen wertvolle Leadership-Kompetenzen in Projekten erworben und kultiviert werden können:
• Co-creation-Space mit Sinnfaktor
Dieser Raum bezieht sich auf den gemeinsamen Sinn und Zweck, auf das „Wofür“ (Purpose) eines Projekts. Projekte bieten eine konkrete Vision, die die Mitarbeitenden inspiriert und antreibt. Dies trägt dazu bei, dass die Projektteams ihre besten Leistungen erbringen.
„Je konkreter das Projekt ist, desto stärker steht der Purpose im Vordergrund. Die Projektmanager benötigen die Fähigkeit, Ziele des Projekts dem Projektteam und den Stakeholdern klarzumachen und die Verbindung zum unternehmerischen Sinn und der damit verbundenen Vision herzustellen“, unterstreicht die Expertin.
Junge Talente lernen also in Projekten sehr rasch, wie wichtig es ist, einen klaren Purpose zu verfolgen und zu kommunizieren.
• Social Space – der soziale Raum
„The ‚lonesome Project-Management-Hero‘ is dead – Ein-Personen-Shows funktionieren in Projekten schon lange nicht mehr“, sagt Martina Huemann.
Im Gegenteil: Projekte bieten ein eingebettetes Umfeld, in dem junge Fachkräfte ihre Fähigkeiten in einem kollaborativen Teamkontext entwickeln können. Oft wird Führung im Sinne des Distributed Leadership im Team aufgeteilt. Die jungen „Professionals“ und angehenden Führungskräfte erhalten Anerkennung und lernen, wie sie andere motivieren und führen können – und das auch ganz ohne formale Autorität und personelle Führungsmacht. Im Social Space gehe es darum, soziale Bindungen zu knüpfen und ein starkes Netzwerk aufzubauen:
„Teamarbeit und kollektives Lernen stehen im Vordergrund, und junge Professionals haben die Gelegenheit, sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren, was ihre Führungsfähigkeiten stärkt“, berichtet Martina Huemann.
Besonders wichtig sind entsprechende Methoden des Projektmanagements, um Gemeinschaft und „Commitment“, in befristeten Projekten und temporären Teamstrukturen, zu ermöglichen.
• Learning & Competence Space – der Lern- und Kompetenzraum
Projekte sind hervorragende Plattformen für „Learning by Doing“:
„Junge Professionals übernehmen auch ohne eine Führungsposition Verantwortung, sie leiten Sub-Teams, müssen unter Zeitdruck zum Ziel kommen und lernen durch Beobachtung und Ausprobieren, Leadership zu übernehmen. Durch praxisnahe Herausforderungen können junge Talente ihre Kompetenzen in realen Situationen testen und weiter ausbauen“, konstatiert Martina Huemann.
Diese Erfahrungen seien auch entscheidend für die weitere Entwicklung von Leadership-Skills. Eine Herausforderung dabei ist auch die Diversität, mit verschiedenen Stakeholdern zusammenzuarbeiten, die unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse haben.
„Projektmanager müssen auch lernen, in verschiedenen Sprachen klar zu kommunizieren und die Partner und Stakeholder proaktiv einzubinden. Gerade für die Young Professionals ist Projektarbeit besonders attraktiv. Ihre Hauptmotivation ist, viel in kurzer Zeit dazuzulernen und Verantwortung übernehmen zu können“, erörtert die wissenschaftliche Leiterin des MBA-Studienlehrgangs.
Projekt- vs. Linienorganisation
In der modernen Arbeitswelt laufen viele Prozesse zunehmend projektbasiert ab, eine Entwicklung, die als „Projectification“ bekannt ist. Diese agile Arbeitsweise schwappt nun auch in die Linienorganisationen über, wo permanente Teams agile Elemente in ihren Arbeitsalltag einbauen. Die Wahl zwischen einer Karriere in Projekten oder in der Linie hängt stark von der individuellen Lebensphase und den persönlichen Zielen ab.
Junge Menschen bevorzugen zu Beginn ihrer Karriere oft Projekte, um verschiedene Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln. In späteren Lebensphasen, etwa bei der Familiengründung, kann eine stabilere Position in der Linienorganisation attraktiver sein.
Projektmanagement-Methoden und Leadership-Modelle
Traditionelle Projektmanagement-Methoden bringen notwendige Strukturen ein und ermöglichen es, gemeinsam Ziele zu erreichen. Moderne Projektleiter fungieren zudem als Facilitators, die Hindernisse beseitigen und die Prinzipien des Servant Leadership leben.
Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Teammitglieder Verantwortung und Initiative übernehmen können. Ein starkes Commitment und eine klare Kommunikation der Ziele sind dabei essenziell. Einzelkämpfer, die alle Entscheidungen treffen, gibt es nicht mehr. Heute ist Leadership im Projektmanagement viel mehr eine kollektive Anstrengung, bei der das gesamte Team eingebunden wird.
Genau das ist auch der Grund, warum Projekte als Bootcamps für die Entwicklung von Leadership-Skills konzipiert werden sollten. Dies umfasst nicht nur die Ausbildung zukünftiger Projektmanager, sondern auch die Entwicklung guter Führungskräfte für die gesamte Organisation. Projekte bieten eine intensive Lernerfahrung, bei der nicht nur junge Talente in verschiedenen Führungsrollen agieren können. Diese Erfahrungen sind unschätzbar wertvoll für die berufliche Entwicklung und tragen dazu bei, dass junge Führungskräfte zu kompetenten und selbstbewussten Leadern werden und erfahrene ihre persönlichen und fachlichen Leadership-Skills erweitern können.
OMV macht es vor
Wie Projektmanagement als Plattform für die Entwicklung von Leadership Skills dienen kann, zeigt auch das Beispiel des OMV-Konzerns:
„Die OMV steht inmitten einer tiefgreifenden Transformation, die eine Vielzahl von Projekten umfasst. Gerade in Zeiten des Wandels ist Projektmanagement eine Kernkompetenz, womit funktionierende Strukturen und Lösungen etabliert werden können. Projektmanagement ist das Vehikel für erfolgreiche Veränderung und Transformation. Es schafft ein kommunikatives und kollaboratives Umfeld, um Herausforderungen zu begegnen und Chancen zu nutzen“, wie Stefan Engleder, Head of Business Projects and Consulting bei der OMV, argumentiert.
Für Stefan Engleder, der im Executive MBA Strategic Project Management an der WU Executive Academy immer wieder Gastvorträge hält, ist ebenso klar:
„Projektmanagement und Leadership sind untrennbar verbunden: Beide erfordern einen starken Fokus auf Menschen, Kommunikationsstärke, Entscheidungskompetenz, Problemlösungsorientierung und die Fähigkeit, Struktur zu schaffen und Teams zu begeistern und zu befähigen.“
Die Erfahrungen aus Projekten seien daher direkt auf die Führungsarbeit anwendbar. In Projekten lernen nicht nur (angehende) Führungskräfte, sondern auch Mitarbeitende wichtige Leadership-Kompetenzen, die sie auch unabhängig von der Position benötigen, denn:
„In transformativen Umfeldern reicht es nicht, nach oben auf die Führungskräfte zu schauen, um Antworten auf komplexe Fragen zu erhalten. Es braucht die kollektive Erfahrung, um gemeinsam Herausforderungen zu meistern – und Menschen, die proaktiv mitgestalten“, ergänzt der Experte abschließend.