Die Integritätsstandards steigen – allerdings mit ihnen offenbar auch der Druck auf die Mitarbeiter:innen:
Fast jede:r zweite Befragte (49 %) glaubt, dass sich die Integritätsstandards in ihren Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben. Neun von zehn Befragten (90 %) sind zudem zuversichtlich, dass ihre Kolleg:innen sich an Gesetze, Verhaltensregeln und Branchenvorschriften halten.
Integrität und Gehorsam
Gleichzeitig geben auch fast vier von zehn Befragten (38 %) an, dass sie bereit wären, sich unethisch zu verhalten, wenn sie von Manager:innen dazu aufgefordert würden.
Jede:r zweite Befragte (50 %) sagt zudem, dass es für ihr Unternehmen insgesamt eine Herausforderung ist, Integritätsstandards unter schwierigen Marktbedingungen ein- und aufrechtzuerhalten. Fast jede:r Dritte (30 %) gibt zudem an, dass das aktuelle makroökonomische Umfeld der größte externe Druckfaktor für Angestellte ist, gegen Integritätsstandards zu verstoßen.
„Die derzeit positive Einschätzung hinsichtlich der zunehmenden Sicherheits- und Integritätsstandards in Unternehmen ist ein starkes Signal. Dies spiegelt die Realität wider: Compliance-Themen gewinnen in den Unternehmen immer mehr an Bedeutung und werden sehr ernst genommen. Es bleibt aber keine Zeit sich auf diesen Erfolgen auszuruhen. Der interne und externe Druck auf Unternehmen und deren Mitarbeiter:innen bleibt bestehen – und angesichts einer schwachen Konjunktur, einer immer komplexeren geopolitischen Lage und anhaltender Cyberbedrohungen wird dieser Druck eher zu- als abnehmen“, betont Andreas Frohner, Leiter der Abteilung Forensic & Integrity Services bei EY Österreich.
Externe und interne Faktoren
Neben Bedrohungen aus dem Bereich Cybersecurity (26 %) benennen Befragte auch Gesundheitskrisen (22 %), Erwartungen an die finanziellen Ergebnisse (22 %), Unterbrechungen der Lieferkette (21 %) und geopolitische Bedrohungen (15 %) als externe Druckfaktoren, die Compliance-Verstöße auslösen können.
Interne Faktoren sind dagegen aus Sicht fast der Hälfte der Befragten (47 %) die eigenen Mitarbeiter:innen. Außerdem werden hohe Fluktuation der Angestellten (26 %), fehlende Ressourcen (25 %) und Druck seitens des eigenen Managements (24 %) genannt.
Zudem ist längst nicht alles Gold, was glänzt. So können offenbar die Integritätsstandards in den Unternehmen je nach Rang variieren bzw. anders ausgelegt werden – dabei werden leitende Angestellte oft nachsichtiger behandelt.
Fast ein Drittel der Befragten (31 %) gibt an, dass im eigenen Unternehmen unethisches Verhalten toleriert wird, wenn es sich bei den Beteiligten um leitende Angestellte oder besonders erfolgreiche Kolleg:innen handelt.
„Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann die Versuchung groß sein, über Fehlverhalten im eigenen Unternehmen hinweg zu sehen, wenn Top-Mitarbeiter:innen daran beteiligt waren. Die Botschaft, die ein solches Vorgehen ins Unternehmen sendet, ist allerdings verheerend und untergräbt alle Integritätsbemühungen“, warnt Andreas Frohner.
Lösungsansatz Whistleblowing
Der Anteil von Unternehmen, die eine Whistleblowing-Hotline haben, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Allerdings gibt mehr als die Hälfte der Befragten (54 %), die eine solche Hotline bereits genutzt haben, an, dass sie Druck aus dem eigenen Unternehmen verspüren, dies nicht zu tun.
„Die Werkzeuge, die Unternehmen zur Verfügung stehen, um ihren Mitarbeiter:innen die Meldung von möglichem Fehlverhalten zu erleichtern, werden immer effektiver. Diese Instrumente sind jedoch nur in einer intakten Unternehmenskultur erfolgreich, in der sie nicht lediglich als Alibi dienen. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass ihre Integritätsmaßnahmen alle Mitarbeiter:innen erreichen und ihnen das Vertrauen vermitteln, dass sie sicher sind, wenn sie Bedenken zu bestimmten Vorgängen im Unternehmen äußern – ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen“, ergänzt Andreas Frohner abschließend.
Dies sind Ergebnisse des „EY Global Integrity Report 2024“. Für die Analyse wurden 5.464 Angestellte und Vorstands- und Geschäftsleitungsmitglieder in 53 Ländern befragt, darunter auch Österreich.