Herr Dzihic, Sie sind seit mehr als 20 Jahren erfolgreich in der Automobilbranche tätig. Sie heuerten nach dem Studium als Management Trainee bei Ford in Köln an, wo Sie Erfahrungen in verschieden Abteilungen, wie Controlling, Marketing und auch Verkauf sammeln konnten. Der erste große Karriereschritt kam 2014, als Sie Generaldirektor von Ford Austria wurden. Im September 2022 erfolgte dann die Ernennung zum Chef von BYD Austria. Welche unmittelbaren, aber auch langfristigen Ziele haben Sie sich nun gesetzt?
Wir wollen BYD in Österreich mittelfristig zur Volumenmarke machen und in Hinblick auf Kunden- und Händlerzufriedenheit ganz vorne mitspielen.
Sie kamen 1993 als Kriegsflüchtling nach Österreich, maturierten in Eisenstadt und studierten danach „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“ an der FH Burgenland. Sie haben Studierenden einmal geraten die Studienzeit zu genießen und einen generalistischen Ansatz zu verfolgen – nach der Devise: „Je breiter du aufgestellt bist, umso besser.“ Glauben Sie, dass Ihnen, retrospektiv betrachtet, diese Herangehensweise, speziell geholfen hat, um in solch verantwortungsvollen Führungsrollen zu bestehen?
Die Studienzeit ist ein toller Lebensabschnitt und diesen sollte man genießen. Ernst wird es früh genug. Generell bildet die fachliche und theoretische Ausbildung das Fundament und die Basis für die berufliche Weiterentwicklung.
Wobei ich persönlich überzeugt bin, dass sogenannte „Softskills“, wie Kommunikation und Leadership, den beruflichen Erfolg Großteils bestimmen.
Bei BYD – der Markenname entstand aus der latinisierten Abkürzung des Firmennamens Bǐyàdí (Markenslogan: „Build your Dreams“) – handelt es sich nicht um einen herkömmlichen Autohersteller, worauf wir später noch eingehen werden. Laut aktueller Absatzzahlen bei Fahrzeugen befindet sich BYD aber schon unter den zehn größten Automobilherstellern der Welt. Erst letztes Jahr entwickelte sich BYD ebenso zum weltweit führenden Hersteller elektrifizierter Autos. Im Jahr 2023 konnten weltweit mehr als drei Millionen Fahrzeuge abgesetzt werden, womit ein Jahresumsatz von knapp 28 Milliarden Euro lukriert wurde. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
BYD kommt aus der Akkuentwicklung, baut aber auch schon seit 2003 Autos. Die Elektrifizierung des Antriebs hat dabei von Beginn an eine große Rolle gespielt, schließlich war das erste Fahrzeug von BYD ein Plug-In-Hybrid mit damals 200 Kilometer elektrischer Reichweite.
2022 hat BYD die Produktion von fossilen Antrieben als erster Hersteller gänzlich gestoppt und baut seitdem ausschließlich Autos mit Stecker.
Diese Konzentration auf die E-Mobilität mündet jetzt im globalen Transformationsprozess in technologischen und produktionsspezifischen Vorteilen. Weitere USPs: BYD stellt die Schlüsselelemente – Batterien, E-Motoren, Steuergeräte, etc. – eines E-Autos selbst her, hat sich Lithiumminen gesichert und betreibt nun auch seine eigene RoRo-Schiffsflotte für den Fahrzeugtransport von China in die Welt. Das macht kein anderer Hersteller – BYD ist deshalb unabhängig, flexibel und unglaublich schnell. Kaum ein anderer Hersteller investiert aktuell mehr Geld in Forschung und Entwicklung.
Europäische aber auch generell internationale Autohersteller sprechen von einer möglichen Deindustrialisierung Europas und dass die gesamte Autoindustrie auf „unruhige Fahrwasser“ zusteuert – trotz durchwegs erfolgreichen Absatzzahlen. Auch BYD scheint dies kaum zu tangieren. Erst vor kurzem wurde der Bau einer hochmodernen Pkw-Fabrik in Szeged, Ungarn, angekündigt. Wie geht diese „Schwarzmalerei“ der Autoindustrie mit den erfolgreichen Ergebnissen zusammen und teilen Sie die Meinung – wenn ja, warum?
Die hochmoderne Pkw-Fabrik in Ungarn, einem EU-Nachbarland von Österreich, wird der Gamechanger. Dann produzieren wir nämlich in Europa für Europa, wovon sicherlich auch die europäische und hoffentlich österreichische Automobilzulieferbranche profitieren wird.
Die Schwarzmalerei teile ich nicht, sehe aber sehr wohl die Herausforderungen. Die Mobilitätsbranche befindet sich im größten Transformationsprozess der Geschichte, wobei die individuelle Mobilität sicherlich auch in naher und ferner Zukunft ein menschliches Grundbedürfnis bleiben wird. In Zukunft werden wir die Wege halt rein elektrisch und damit lokal emissionsfrei zurücklegen. Damit Konsumenten und Industrie nicht verunsichert werden, braucht es Planungssicherheit seitens der Politik. Und dazu zählt auch ein Ausstiegsdatum aus dem Verbrenner auf das sich alle verlassen und einstellen können.
Mit BYD Seal, Seal U, Dolphin, Atto 3, Han und Tang ist die Marke BYD bereits sehr breit aufgestellt. Gibt es irgendwelche Neuankündigungen, die Sie unseren Lesern bereits verraten können?
Unser Portfolio wird heuer weiterwachsen. Zunächst bringen wir mit dem ETP3 – einem sehr kompakten Elektrotransporter mit überdurchschnittlich hoher Zuladung – das erste leichte Nutzfahrzeug auf den Markt.
Dann folgt der modernisierte Tang sowie ein SUV Coupé. Und wer weiß, vielleicht auch bald ein E-Auto für unter 20.000 Euro. Der Preis ist immer die kritische Variable, wobei BYD in Österreich schon jetzt in jedem Segment ein hochmodernes und top-ausgestattetes E-Auto zum Preis eines Verbrenners anbieten kann. Damit sind wir aktuell die Vorreiter in Sachen Leistbarkeit.
Herr Dzihic, es ist kein Geheimnis, dass sich die internationale Autoindustrie gegenüber den chinesischen Herstellern aktuell in der Defensive befindet. Vor allem der Transformationsprozess hin zur E-Mobilität scheint China besser umzusetzen. Welche Strategien waren, aus ihrer Perspektive, ausschlaggebend dafür, dass man es vom vorurteilsbelasteten zum qualitätsüberzeugenden Hersteller geschafft hat?
Vor 15 Jahren – als viele europäische Hersteller noch nicht an den Elektroantrieb geglaubt haben – haben sich die chinesischen Hersteller bereits vollkommen der E-Mobilität verschrieben. Unsummen wurden in Forschung und Entwicklung investiert.
Außerdem – und das halte ich für einen entscheidenden Vorteil: Sie lernen unglaublich schnell und nehmen das Kundenfeedback wirklich ernst – Problemlösungen werden in Rekordzeit per „Over the Air“-Updates eingespielt.
Zusätzlich vertraut BYD auf ein klassisches Händlernetz, welches Partnerschaftlichkeit und Kommunikation auf Augenhöhe garantiert und eine hohe Kundenzufriedenheit durch professionelle und dienstleistungsorientierte Ansprechpartner vor Ort sicherstellt.
Wie bereits erwähnt handelt es sich bei BYD nicht um einen herkömmlichen Autohersteller. Das Unternehmen wurde vor etwa dreißig Jahren gegründet und hat sich von Anfang an auf die Produktion und Weiterentwicklung von Batterien spezialisiert. Was sind die Unterschiede zwischen Batterien von BYD und konventionellen Batterien auf dem Markt?
BYD ist ein echter Batterie-Vollprofi und der größte Lithiumeisenphosphat-Akkuhersteller der Welt. Die BLADE BATTERY ist die letzte Evolutionsstufe dieser Technik, bildet das Herz all unserer Fahrzeuge und bietet eine Reihe von Vorteilen. Sie enthält etwa keine Problemstoffe, wie Nickel, Cobalt, Mangan oder Cadmium. Dass macht sie nicht nur besonders umweltfreundlich und nachhaltig, sondern auch sehr, sehr sicher, da das Produkt thermisch besonders stabil ist und sogar den Nageltest ohne Feuer- oder Rauchentwicklung übersteht.
Immer mehr etablierte Hersteller erkennen dies ebenso und kaufen sich für die eigenen E-Fahrzeuge diese Batterie bei BYD zu. Aber der wichtigste Vorteil für die Konsumenten ist sicherlich die Langlebigkeit mit garantierten 5.000 Ladezyklen, was einer Laufleistung von deutlich mehr als 1 Million Kilometern entspricht.
Selbst am Rohstoffmarkt versucht das Unternehmen Autarkie herzustellen, indem der Konzern dem Portfolio eigene Minen hinzugefügt hat. Versucht man so künftigen Lieferkettenproblemen entgegenzuwirken oder verfolgt man damit auch andere Ziele – wenn ja, welche?
Sicherlich ist Unabhängigkeit und Autarkie für BYD wichtig. Aber im globalen Automobilmarkt sind es die Skaleneffekte, die den Unterschied machen – erst recht in der E-Mobilität. Die Batteriepreise sind zwar gesunken, allerdings ist die Batterie immer noch das mit Abstand teuerste Bauteil in einem Elektroauto.
Nach langer Zeit versucht sich BYD nun auch wieder mit einem „Verbrenner“. Der Seal U soll nun auch als Plug-in-Hybridvariante auf den Markt kommen. Ganz scheint man sich doch noch nicht auf die „Vollelektrisierung“ zu verlassen. Was ist das Ziel dieser Zwei-Wege-Strategie und wie sehen sie die generelle Entwicklung der E-mobilität – ist sie tatsächlich noch immer die Zukunft?
Norwegen, Österreich, Niederlande, etc. haben bereits heute eine sehr hochwertig ausgebaute Ladeinfrastruktur. Aber die Welt besteht ja nicht nur aus Ländern, die bereits heute einen Großteil der Hausaufgaben in Sachen Infrastruktur gemacht haben.
In Ost- und Südeuropa ist die Anzahl der Ladepunkte je 1.000 Fahrzeuge deutlich geringer, für diese Länder sind Plug-in-Hybride folglich die ideale Übergangstechnologie – auch um die Menschen langsam an die Vorteile der E-Mobilität heranzuführen und etwaige Vorurteile abzubauen.
Selbst im Auto-Leitmarkt China verkauft BYD aktuell noch immer rund die Hälfte PHEVs. Persönlich gesehen, ist die E-Mobilität momentan sicher die sauberste und effizienteste Art der Fortbewegung.
Themenwechsel: Die Problematik der Leistbarkeit von E-Autos steht in allen Bereichen im Fokus. Hohe Inflation und wirtschaftliche Unsicherheit sowie Krieg in Europa setzten dem Voranschreiten der E-Mobilität zu. Bei BYD gibt man sich auch hier unbeeindruckt: Massentauglichkeit wird über die Preisgestaltung erreicht. Haben Sie keine Angst vor dem Stigma des Billiganbieters und warum sollten sich Käufer, abgesehen vom Preis, für einen BYD entscheiden?
Nein, wir sind ja nicht die billigsten – und die wollen wir auch gar nicht sein. Was für die Konsumenten zählt ist das Preisleistungsverhältnis. Und da sind wir die Champions.
Alle Sicherheits- und Komfortfeatures gehören bei uns vielfach schon in der Basisversion zur Serienausstattung. Kurz gesagt: Wir bieten Hightech-E-Mobilität, beste Verarbeitungsqualität und Top-Ausstattung zu einem unschlagbaren Preis.
Allgemein gesprochen ist Leistbarkeit gerade im Elektrobereich aktuell noch das größte Hindernis in Sachen Massentauglichkeit. Das spielt uns in die Karten, weil wir mit unserem „Lineup“ und den Preisen schon heute in allen Fahrzeugklassen positiv hervorstechen. In China sind außerdem noch kleinere Fahrzeuge von BYD am Markt, die sicherlich auch in Europa großes Potenzial hätten – hier sind wir optimistisch, dass wir bald mehr Informationen teilen können!
Auch 2024 steht im Zeichen der Markenwerbung und vor allem im Ausbau der Händlernetzwerkes. Was wurde bereits erreicht und wie sieht der weitere „Fahrplan“ aus?
Wir stehen aktuell bei 29 Partnern und 32 Standorten – darunter befinden sich auch die beiden BYD Pioneer Stores in der Shopping City Süd sowie der Plus City bei Linz.
Damit decken wir ganz Österreich schon sehr gut ab. All unsere Partner sind eigenständige Unternehmer, vielfach sind es echte Familienunternehmen und brennen für die Marke. Das macht große Freude. Die beiden weißen Flecken in Salzburg und St. Pölten wollen wir heuer schließen, wobei uns wichtig ist, den richtigen Partner zu finden und nicht den Erstbesten zu verpflichten.
Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der weiteren Verkaufszahlen in Österreich – glauben Sie, dass der E-Auto-Absatz von BYD Austria so weitergeht wie bisher?
Als ich Anfang 2023 gesagt habe, wir wollen im ersten Jahr über 1.000 Fahrzeuge verkaufen, habe ich gehört: Du bist verrückt!
Doch wir haben es geschafft. Zusätzlich haben wir im vergangenen Jahr den erfolgreichsten Marktstart einer E-Automarke hingelegt – mit vierstelligen Zulassungen – den es je in Österreich gegeben hat. Darauf sind wir stolz.
Heuer wollen wir die Verkäufe mehr als verdoppeln und mindestens 2.500 Fahrzeuge verkaufen. Das ist realistisch, schließlich waren wir im Februar schon die drittstärkste BEV-Marke mit einem Marktanteil von knapp 7 Prozent. Das erste Quartal stimmt uns generell sehr positiv, dass wir dieses Ziel auch heuer erreichen können.
Wir möchten Sie gerne auch als Privatperson etwas näher kennenlernen, abschließend daher noch ein paar persönlichen Fragen:
Welches berufliche Erlebnis hat Sie am meisten geprägt?
Kein berufliches, sondern ein privates: Die Geburt meiner beiden Kinder.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Der enge Kontakt zu Kunden, Händlerpartner und Mitarbeitern sowie die Möglichkeit, gemeinsam etwas zu bewegen.
Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Über den Beitrag in „Gute Nacht Österreich“, in dem BYD Österreich Thema war.
Hatten Sie ein Vorbild, von dem Sie sich Dinge abgeschaut haben?
Meinen Vater und seinen Umgang mit Menschen.
Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Professioneller Basketballspieler. Den Sport liebe ich noch heute.
Sie können EIN globales Problem lösen – welches wäre das?
Scheuklappendenken und Vorurteile sowie alle ihre negativen Auswirkungen mit einer offenen, lebenslustigen und positiven Denkweise zu ersetzen – denn: Das Glas ist immer halbvoll.
Herr Dzihic, wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die Zukunft und herzlichen Dank für das Interview.
Danke Ihnen.