Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen in der EU stieg laut Branchenverband ACEA gegenüber August 2022 um 19 Prozent. Im Vergleich zu August 2019 ergibt sich allerdings ein EU-weites Minus von 17 Prozent. In 22 der 27 EU-Mitgliedsländer lag der Absatz im vergangenen Monat unter dem Niveau von August 2019. In Österreich wurde im August ein Plus von 5,5 Prozent verzeichnet – damit hat sich das Wachstumstempo in Österreich im Vergleich zum bisherigen Jahresverlauf spürbar verlangsamt.
„Der Neuwagenmarkt wächst zwar noch – zum Teil auch dank staatlicher Förderprogramme – aber die Dynamik lässt nach. Dass wir noch Wachstum sehen, ist zum einen auf das außerordentlich niedrige Vorjahresniveau, zum anderen auf den immer noch recht hohen Auftragsbestand zurückzuführen. Nach wie vor arbeiten die Autobauer Bestellungen aus dem Vorjahr ab, als der Teilemangel und eingeschränkte Produktionskapazitäten zu erheblichen Einbußen geführt hat. Inzwischen gehört der Chipmangel weitgehend der Vergangenheit an, die Lieferzeiten sinken weiter“, betont Axel Preiss, Leiter Advanced Manufacturing & Mobility bei EY Österreich.
Absatzentwicklung und Rabatte
Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage, der gesunkenen Kaufkraft und des hohen Zinsniveaus fällt der Blick auf das Jahr 2024 eher pessimistisch aus.
„Die aktuelle Bestellsituation deutet auf eine schwache Absatzentwicklung im kommenden Jahr hin. Dann drohen wieder Überkapazitäten, und dann wird der Preisdruck auch wieder steigen. Die deutlich gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sowie höhere Kosten in der Lieferkette haben für ein dauerhaft höheres Kostenniveau gesorgt. Dennoch beginnen die ersten Volumenhersteller bereits mit Sonderfinanzierung und Aktionen, um den Absatz zu stabilisieren – und das sind nur die Vorboten für eine voraussichtlich breitere Rabattschlacht in den kommenden Monaten“, erklärt der Experte.
Wachstumstreiber Elektroautos
Im ersten Halbjahr legten die Neuzulassungen von Elektroautos EU-weit noch um 54 Prozent zu, im August lag das Plus hingegen bei 118 Prozent. Besonders dynamisch hat sich das Wachstum in Deutschland entwickelt, wo Vorzieheffekte zu einem Plus bei Elektroautos von 171 Prozent führte.
In Österreich wurde ein Plus von 49 Prozent erreicht. EU-weit stieg der Elektro-Marktanteil im Vergleich zu August 2022 von 11,6 auf 21,0 Prozent und überwand damals erstmals die 20-Prozent-Marke, in Österreich von 14,8 auf 21,0 Prozent.
„Der europaweite Elektro-Boom dürfte im August seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht haben. Denn zum einen wird Deutschland als Wachstumstreiber vorerst ausfallen, da seit September gewerbliche Käufe von Elektroautos nicht mehr subventioniert werden. Zum anderen sehen wir auch in anderen Ländern erste Zeichen einer nachlassenden Dynamik. Der Markt ist nach wie vor sehr stark getrieben von staatlichen Subventionen – wenn diese auslaufen oder reduziert werden, bricht auch die Dynamik ein. Hinzu kommt die Konjunkturschwäche, die sich auch auf dem Elektroauto-Markt bemerkbar machen wird“, analysiert Axel Preiss.
Der Experte von Ernst & Young rechnet allerdings auch damit, dass es nach dem prognostizierten Rückgang der Elektro-Neuzulassungen zu verstärkten Diskussionen über neue Kaufanreize kommen wird:
„Märkte mit wenig oder keiner Unterstützung beim Kauf von Elektroautos weisen deutlich unterdurchschnittliche Marktanteile von Elektroautos aus. Sollte die Mobilitätswende angesichts sinkender Absatzzahlen von Elektroautos in Gefahr geraten, wird man über neue Anreizsysteme nachdenken müssen. Ohne staatliche Förderung geht es noch nicht. Die Umweltprämie hat deutliche Kaufanreize mit sich gebracht, ihr Abbau kommt aber zu früh, der Markt steht noch nicht auf eigenen Beinen.“
Vorreiter Skandinavien
Innerhalb der EU bestehen hinsichtlich der Marktanteile von Elektroautos erhebliche Unterschiede: Die höchsten Marktanteile wurden im August in Schweden und Finnland mit 40 bzw. 36 Prozent registriert. Österreich liegt mit einem Marktanteil von 21 Prozent im oberen Mittelfeld.
Die niedrigsten Marktanteile weisen nach wie vor die südost- und osteuropäischen Märkte auf. So betrug der BEV-Marktanteil in Kroatien zwei Prozent, in der Slowakei und in Tschechien jeweils drei Prozent. Berücksichtigt man zusätzlich Plug-in-Hybride, wird der Unterschied noch deutlicher – dann reicht die Spanne von sechs Prozent (gemeinsamer Marktanteil BEV und PHEV) in Kroatien und Bulgarien bis 60 Prozent in Schweden und 59 Prozent in Finnland.
„Die Unterschiede innerhalb der EU sind enorm. In Skandinavien sind elektrifizierte Neuwagen bereits in der Mehrheit, in Osteuropa sind Elektroautos hingegen nach wie vor ein absolutes Nischenprodukt. Die ambitionierten EU-Pläne für die Elektromobilität, denen zufolge ab 2035 keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden sollen, sind in Teilen Europas so weit von der heutigen Realität entfernt, dass man sich Sorgen um die Realisierung machen muss. Der hohe Preis von Elektroautos und das weitgehende Fehlen elektrischer Kleinwagen verhindert derzeit eine Mobilitätswende in Ländern mit niedrigeren Einkommen“, konstatiert Axel Preiss abschließend.
Marktanteilgewinne für Plug-in-Hybride
Der Absatz von Plug-in-Hybriden stieg im August EU-weit nur um sechs Prozent – außerhalb Deutschlands legten allerdings die Verkäufe von Plug-in-Hybriden immerhin um 43 Prozent zu, in Österreich wurde sogar ein Plus von 69 Prozent registriert.