Das vergangene Jahr hat gezeigt: Der Wohnimmobilienmarkt ist verhältnismäßig krisenfest. Trotz alledem haben die Herausforderungen Auswirkungen auf den Markt und dessen weitere Entwicklung. So müssen etwa neue Konzepte her, wenn Besichtigungen, Vermietungen und Käufe nicht wie gewohnt möglich sind.
Aufgrund der Reduktion von persönlichen Kontakten im vergangenen Jahr verlagerten sich diese Prozesse vielfach in die virtuelle Welt – und dort werden sie in Zukunft wohl bleiben. Video-Beratungsgespräche, virtuelle Besichtigungen, Live-Videos, Virtual-Reality und digitale Vertragsabwicklungen wurden (gezwungenermaßen) intensiv weiterentwickelt. Das sorgt auch für mehr Komfort, da man schon von zu Hause aus einem umfassenden Eindruck vom Wunschobjekt erhält. Dabei kommt es allerdings sehr auf die Qualität an. Professionelles Material, das die Immobilie realitätsgetreu einfängt und idealerweise Modifizierungen (z.B. Einrichtungsstil, Tageszeit) zulässt, ist für die Etablierung notwendig. „In Zeiten von ‚Social Distancing‘ waren diese digitalen Konzepte zwingend notwendig. Dadurch wurde jedoch auch die dazugehörige Akzeptanz am Markt deutlich beschleunigt“, sagt dazu Judith Kössner, Head of Immobilien bei willhaben.
Vom leuchtenden Trend zur realen Notwendigkeit
Während viele Unternehmen bis zuletzt beim Phänomen PropTech einfach „dabei sein“ wollten, so wurde ihnen jetzt bewusst, dass die Integration von „property technology“ tatsächlich notwendig ist.
Das bedeutet jedoch auch, dass nicht mehr in jede x-beliebige Technologie investiert wird. Viel eher wird nun gezielt Investments in Entwicklungen getätigt, die auch wirklich erforderlich sind. Seien es Prozesse, die Geschäfte am Laufen halten und effektiver gestalten, die Vertriebsarbeit unterstützen oder (Bau-)Kosten regulieren.
Ab ins Grüne!
Auch auf die Wohn-Ansprüche wirkt die Gesundheitskrise ein. Ein Beispiel dafür: Freiflächen. Zwar sind Balkone, Gärten und Terrassen bei Immobiliensuchenden immer sehr beliebt, in Zukunft wird sich das aber nochmal steigern. „Wir haben während des Lockdowns 2020 einen regelrechten ‚Run‘ auf Freiflächen festgestellt“, berichtet Köstner. „So haben sich z. B. die Immobiliensuchen mit dem Stichwort ‚Garten‘ zu diesen Zeiten nahezu verdoppelt.“
Gerade wenn der Rückzug in die eigenen vier Wände zwingend notwendig ist, wird der Bewegungsraum an der frischen Luft zum Luxus. Im wahrsten Sinne: „Laut einer aktuellen Analyse unserer Daten liegt z.B. der durchschnittliche Preis von Mietwohnungen mit Freifläche je nach Bundesland zwischen 2,5 (Oberösterreich) und 13 Prozent (Wien) über dem Mittelwert von Objekten ohne Freifläche“, so die willhaben-Expertin.
Wandlungsfähigen Wohnräumen
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Flexibilität. Seit vergangenem Jahr müssen nicht nur Abo- und Bezahlmodelle sowie der Arbeitsplatz flexibler gedacht werden, sondern auch die Wohnsituation. Durch den vermehrten Aufenthalt in den eigenen vier Wänden (Stichwort: Home-Office) werden abgetrennte Bereiche, in denen für längere Zeit ungestört gearbeitet oder gelernt werden kann, wichtig. Gleichzeitig braucht es klar definierte Erholungsräume.
Durch die Flexibilisierung der Arbeit und die intensive Suche nach Grünflächen rücken neue Regionen in den Fokus der Immobiliensuchenden. Neben dem gut angebundenen Speckgürtel großer Städte werden tendenziell ländlichere Lagen mit passender Infrastruktur attraktiv.
Auch die arbeitsbedingten Wohnortwechsel werden zurückgehen, wenn sich Jobs von überall aus erledigen lassen. Das wird in den kommenden Jahren zu neuartigen Entwicklungen am Kauf- und Mietmarkt führen. „Möglich ist, dass vormals wenig attraktive rurale Gegenden eine Aufwertung, ehemalige Wohnhotspots hingegen eine Preissteigerungs-Bremse erfahren“, vermutet Kössner.
Die Zuversicht stärken
Die Bedeutung von gesundheitlicher Sicherheit ist durch die Krise gewachsen. Das bringt neue Herausforderungen für die Gestaltung und Planung von Räumlichkeiten. Vor allem in öffentlichen Gebäuden, bei der Gastronomie, Gewerbeflächen und Büros müssen Sicherheitskonzepte überarbeitet werden, damit der Aufenthalt wieder wie üblich möglich wird. Dafür braucht es Hygienemaßnahmen, neuartige Raumaufteilungen sowie moderne Belüftungsmöglichkeiten.
Die wesentlich größere Herausforderung ist jedoch, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Verweilen in Innenräumen – vor allem dort, wo viele Menschen zusammenkommen – kein Gesundheitsrisiko darstellt.
Trotz der Herausforderungen im vergangenen Jahr ist die Nachfrage nach Wohnungen, Einfamilienhäusern und Co. hoch. Viel mehr: Die Krise hat vor allem den Wunsch nach Eigentum deutlich gesteigert. Allerdings haben auch die Immobilienpreise weiter zugelegt. Im Zuge dessen bleibt vor allem die Erschwinglichkeit von Immobilien eine konstante Herausforderung. Während Unsicherheiten am Arbeitsmarkt weiter bestehen, werden Banken immer zurückhaltender, die benötigten Finanzierungen zu stellen. „Hier bleibt abzuwarten, welche langfristigen Auswirkungen die Gesundheitskrise im Hinblick auf Arbeitsplatzsicherheit und Zinsentwicklung mit sich bringen wird“, meint Kössner.